Noch längst nicht alle Hürden beseitigt

Noch längst nicht alle Hürden beseitigt

Auf der Webseite der meisten Kommunen ist – wie hier bei der Stadt Murrhardt – eine Erklärung zur Barrierefreiheit zu finden. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Beim Begriff Barrierefreiheit im Bezug auf Rathäuser denken die meisten Menschen vermutlich erst einmal an ebenerdige Zugänge, Rampen und Aufzüge. Denn eingeschränkte Mobilität ist meistens sichtbar, etwa wenn die betroffene Person im Rollstuhl sitzt oder einen Rollator nutzt. Schwieriger zu erkennen sind Seh- und Hörbehinderungen, Lernschwierigkeiten oder geistige Behinderungen. Aber auch für Menschen, die hiervon betroffen sind, müssen kommunale Informationen barrierefrei zugänglich gemacht werden, das regelt unter anderem eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2016, aber auch das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz. Und das nicht nur im analogen Rathaus, sondern auch online. Sprich: Der Internetauftritt einer Kommune muss für sie genauso gut zugänglich sein wie für Nichtbehinderte. „Barrierefrei bedeutet, dass ein Internetangebot auch für Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen lesbar und bedienbar ist. Dies gilt sowohl unter technischen Aspekten (Browser, Betriebssystem) als auch bezogen auf die inhaltlichen Gesichtspunkte (Verständlichkeit, Benutzerfreundlichkeit)“, heißt es dazu etwa auf der Webseite des Landratsamts. Soweit zumindest die Theorie. Denn in der Praxis erfüllt kaum eine kommunale Webseite diese Anforderungen vollumfänglich.

Gut aufgestellt ist hierbei das Landratsamt. „Wir haben hierzu ganz aktuell eine Selbstbewertung laut BITV (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) durchführen lassen und diese fiel sehr positiv aus. Technisch erfüllt unsere Homepage die Vorgaben“, gibt Pressesprecherin Martina Keck Auskunft. Man sei diesbezüglich auch in enger Verbindung mit dem Blindenverband Württemberg, welcher bescheinigte, dass die Seite für blinde Menschen gut zu navigieren sei. So sei seit mehreren Jahren eine Vorlesefunktion eingebaut. „Bei einzelnen Anwendungen gibt es noch Probleme, aber auch da sind wir dran“, so Keck. Im Landratsamt gibt es hierzu einen Maßnahmenplan, der nach und nach abgearbeitet wird. „Im nächsten Schritt folgt noch die Erklärung zur Nutzung und zu den Inhalten der Webseite in Gebärdensprache.“

Eine Webseite komplett barrierefrei zu gestalten, sei aber kein einfaches Unterfangen: „Vor allem bei umfangreichen Websites – wie bei der unseren – können wir nicht zu 100 Prozent garantieren, dass immer alle Vorgaben umgesetzt sind, dass zum Beispiel bei Bildern immer Alternativtexte hinterlegt sind. Wir sind aber bemüht und sensibilisieren auch unsere Online-Redakteure in den jeweiligen Ämtern bei diesem Thema.“

Öffentliche Stellen müssen seit dem 23. September 2019 darüber hinaus eine Erklärung auf der Startseite bereitstellen, in der sie darstellen, inwiefern ihre Webseiten der Richtlinie zur Barrierefreiheit entsprechen. Sie müssen insbesondere darauf hinweisen, welche Inhalte nicht barrierefrei sind, und erklären, warum das der Fall ist. Im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung kommen die meisten Kommunen dem nach, allerdings nicht alle. Keine Erklärung findet sich auf den Webseiten der Gemeinden Weissach im Tal, Sulzbach an der Murr und Althütte. Der Menüpunkt „Barrierefreiheit“ auf der Althütter Webseite bezieht sich auf die physische Zugänglichkeit des Rathauses sowie die Verfügbarkeit von Behinderten-WCs und barrierefreien Parkplätzen. Auf dem Burgstettener Webauftritt gibt es die geforderte Erklärung zwar, sie ist allerdings nicht direkt auf der Startseite verortet, sondern ist über den Menüpunkt „Gemeinde Burgstetten“ unter „Impressum und Service“ zu finden.

Die meisten Kommunen, wie etwa die Stadt Backnang, stellen eine Erklärung zur Barrierefreiheit des Webauftritts bereit, aus ihr geht aber in allen Fällen hervor, dass die Seite nur teilweise mit den Vorgaben des Landes-Behindertengleichstellungsgesetzes vereinbar ist. Ausgeführt wird dann, auf welche Inhalte dies nicht zutrifft. „Derzeit teilweise noch nicht barrierefrei sind Formulare, Broschüren und verlinkte PDF-Dateien. Diese werden aber Zug um Zug barrierefrei umgewandelt“, heißt es dort. Die Mitarbeiter seien beziehungsweise würden entsprechend geschult. Wegen der Menge an Inhalten nehme dies jedoch einiges an Zeit in Anspruch.

In Arbeit ist die Umstellung auf ein barrierefreies Webangebot auch bei der Stadt Murrhardt. Dort wird die Webseite im Zuge eines Relaunchs sowieso komplett überarbeitet, dabei gehen die Verantwortlichen auch das Thema Barrierefreiheit an. „Neben der Barrierefreiheit sollen beim Layout die Vorgaben eines responsive Webdesign sowie mobile first‘, also die Erstellung eines Layouts mit Schwerpunkt für mobile Endgeräte, umgesetzt werden. Fakt ist, dass heute 80 Prozent der Internetnutzung mit mobilen Endgeräten erfolgt, dem wollen wir damit auch Rechnung tragen. Ferner soll der Content unserer Homepage auf Aktualität hin überprüft werden“, erklärt Thomas Zeeb, Amtsleiter für Wirtschaft, Kultur und Tourismus.

Bei den notwendigen Anpassungen im Sinne der Barrierefreiheit hat sich schon einiges getan. „Wir haben im Frühjahr 2021 mit den Arbeiten begonnen.“ Durch die Coronapandemie sei es allerdings mehrfach zu zeitlichen Verzögerungen gekommen. Ein Video in Gebärdensprache sei bereits fertiggestellt worden, dieses müsse nun noch eingebettet werden. „Dies soll zeitnah erfolgen. Nach den Sommerferien kann die vollständige Neugestaltung unserer Internetseite beginnen“, so Zeeb weiter. „Wir hoffen, alle Anpassungen und Umstellungen bis ins Frühjahr 2022 abgeschlossen zu haben.“

Auch Oppenweiler, Auenwald, Aspach, Großerlach, Allmersbach im Tal und Kirchberg an der Murr können eine Erklärung auf der Startseite vorweisen, in der sie darstellen, inwiefern ihre Webseiten und mobilen Anwendungen der Richtlinie entsprechen. Einige Kommunen bieten auch ein Formular, über das man bestehende Barrieren an die Verwaltung melden kann. Auf der Großerlacher Seite finden sich beispielsweise auch direkt unter der Erklärung zur Barrierefreiheit die Links zu Gebärdensprache und leichter Sprache. Ähnlich ist es auch in Kirchberg gehandhabt, allerdings führt – ironischerweise – der Link zur leichten Sprache hier noch auf eine Seite mit Blindtext. Alleingelassen würden die Kommunen in ihrer Aufgabe, die Informationen auch online barrierefrei zur Verfügung zu stellen, nicht. Martina Keck vom Landratsamt erklärt: „Unser Kommunaler Behindertenbeauftragter Roland Noller trifft sich regelmäßig mit den Kommunen, um über alle Anforderungen zu den Menschen mit Behinderungen zu informieren und die Kommunen zu unterstützen. Die Informationen zur EU-Richtlinie, der WCAG 2.0 und der VwV DVO zum Paragraf 10 L-BGG wurden ebenfalls dort kommuniziert. Wichtig: Wir sind hier gegenüber den Kommunen beratend tätig – nicht als Aufsicht.“