Vor zwei Jahren hat sich auch in Murrhardt gezeigt, dass nicht mehr nur die Fichte, sondern auch die Tanne stark betroffen ist. Das Foto zeigt einen Bestand in Fornsbach, bei dem viele Bäume der Hitze, Trockenheit und dem Käfer nicht mehr standhielten. Archivfoto: J. Fiedler
Von Petra Neumann
Fornsbach. Bei der Mitgliederversammlung der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Murrhardt im Kulinarium am Fornsbacher Waldsee nahm das Thema Klimaerwärmung eine zentrale Rolle ein, schließlich sind es die Nadelhölzer wie die Fichte, aber auch die Tanne, die ganz besonders unter diesem Wandel leiden und der Hitze und Trockenheit oft nicht standhalten können.
Da die letztjährige Mitgliederversammlung wegen Corona ausfallen musste, beschränkten sich Vorsitzender Gerhard Wurst und Kassier Matthias Gruber beim Rückblick auf das Wesentliche, um dringlicheren Problemen mehr Raum zu geben. Trotz der pandemischen Umstände konnte die FBG einige Informationsveranstaltungen anbieten, doch das größte Ereignis war die Gründung der Holzvermarktungsgemeinschaft Schwäbisch-Fränkischer Wald/Ostalb (HVG) im Frühjahr. Die Mitgliederzahl der FBG hat sich nicht gravierend verändert, liegt momentan bei 219. Der Kassier konnte dank seiner präzisen Buchführung zu hundert Prozent entlastet werden. SPD-Landtagsabgeordneter Gernot Gruber ließ es sich nicht nehmen, ein paar Grußworte an die Anwesenden zu richten und zu konstatieren: „Im Wald haben wir große Probleme, die Klimaerwärmung mit ihren unkontrollierbaren Effekten schreitet stärker voran, als prophezeit. Von daher ist es wichtig, dass jeder mitanpackt, dem großen CO2-Speicher Wald zu helfen, doch niemand kann voraussehen, welche Baumarten sich durchsetzen werden.“
Forstamtsleiterin Dagmar Wulfes setzt weiterhin auf Vielfalt
Das Leben eines Privatwaldbesitzers ist alles andere als romantisch. Auf die Frage eines Anwesenden, welche Bäume man überhaupt noch pflanzen sollte, antwortete die Forstamtsleiterin Dagmar Wulfes, dass die Douglasie zukunftsträchtige Eigenschaften besitze. Doch sei eine Monokultur nicht ratsam, im Gegenteil, die Vielfalt die günstigste Option. Gleichsam heißt es, viel im Blick zu behalten. Wer beispielsweise Waldstücke an öffentlichen Straßen besitzt, muss auf die Verkehrssicherheit achten. Weihnachtsbaumkulturen sind rechtlich kein Wald, sondern landwirtschaftliche Sonderkulturen. Nur Pflanzungen für private Zwecke seien erlaubt, wussten Philipp Dölker und Jürgen Baumann vom Forstamt Rems-Murr-Kreis zu berichten. Immerhin – als positiv sei zu werten, dass es Aufarbeitungshilfe für das viele Schadholz gibt und dieses Jahr aufgrund des kühlen, regnerischen Wetters keine dritte Borkenkäfergeneration zu befürchten sei. Allerdings müssten die Überwinterungsbäume der F-2-Bruten unbedingt saniert werden.
Der stellvertretende Forstamtsleiter Ulrich Häußermann sprach vor allem über die Notwendigkeit einer Holzvermarktungsgemeinschaft als Solidaritätsgemeinschaft. „Natürlich kann jeder sein Holz selbst verkaufen, doch gibt es immer mehr Großsägewerke, die die Abnahme stattlicher Holzmengen bevorzugen. Aus diesem Grund wurde die Holzvermarktungsgesellschaft gegründet, die momentan 96 Mitglieder – direkte Mitglieder und Forstbetriebsgemeinschaften – mit einer Gesamtbewirtschaftungsfläche von 40000 Hektar hat.“ Die Gemeinschaft sei gleichsam die Firma der Mitglieder, die die Verträge abschließe und die Preise festsetze. Aufgrund der rasanten Klimaveränderungen, die Nadelbäume besonders träfen, komme es zu massiven Primär- und Folgeschäden. „Machen Sie Holz!“, lautete der dringende Appell. Ein Schaubild mit roten Flächen zeigte, dass die Fichte kaum mehr Überlebenschancen hat.
Sein Kollege Frank Hofmann ging nochmals deutlich auf die veränderte Marktsituation im Bereich Holzverkauf ein und unterstrich, wie wichtig es auch sei, kleinere und mittlere Sägewerksunternehmen zu unterstützen. „Das große Manko des Privatwaldes ist, dass seine Bewirtschaftung nicht plan- oder steuerbar ist und damit keinesfalls mit dem Staats- und Gemeindewald konkurrenzfähig. Die Privatwaldbesitzer erzielen schlechte Preise, da ihre Position auf dem Markt sehr schwach ist. Wir wollen mit der Holzvermarktungsgemeinschaft Abhilfe schaffen durch Bündelung des Holzes und Bildung größerer Verkaufseinheiten für einzelne Sortimente. Die neu gegründete HVG ist eine einmalige Chance, die Marktposition des Kommunal- und Privatwaldes im Schwäbisch-Fränkischen Wald zu verbessern“, betonte er.
In der Mitte Deutschlands wird es bald keine Fichten mehr geben, so Jerg Hilt
Jerg Hilt, Assessor des Forstdienstes der baden-württembergischen Forstkammer, referierte zum aktuellen Stand des Waldsterbens. „Insgesamt gab es in der Bundesrepublik Deutschland in jüngster Zeit 220000 Millionen Kubikmeter Schadholz. 400000 Hektar müssen insgesamt wieder aufgeforstet werden. In Mitteldeutschland ist der Wald fix und fertig, und ab den Jahren 2023/24 wird es dort keine Fichten mehr geben. Positiv an diesen Horrormeldungen ist, dass man sich nun mehr Gedanken und Sorgen zum Thema Forst macht.“ Nunmehr habe auch die Politik reagiert und 1,5 Milliarden Euro für die Waldbesitzer in Form der Bundeswaldprämie bereitgestellt. Baden-Württemberg suche nun nach Alternativen für den Rohstoff, besonders im Bereich Hausbau.
Zustandsbericht Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) stellt Ergebnisse der Waldzustandserhebung in einem jährlichen Bericht dar. Die Aufnahme des systematisch angelegten Rasterstichprobennetzes lässt für Baden-Württemberg sowohl für einzelne Regionen als auch für unterschiedliche Baumarten Aussagen über den Vitalitätszustand der Bäume zu.
Ergebnisse (2020) Klimatische Veränderungen belasten und gefährden zunehmend die heimischen Wälder. Ausgesprochen geringe Niederschlagsmengen und hohe Lufttemperaturen ließen auch im Verlauf des Jahres 2020 die Böden vielerorts tiefgründig austrocknen, wodurch die Waldbäume unter akuten Trockenstress gerieten. Zudem breiteten sich die Fichten- und Tannenborkenkäfer wie schon in den Vorjahren massiv aus und führten so zu landesweiten Schäden in Nadelholzbeständen.
Große Schäden Die mittlere Kronenverlichtung der Wälder steigt im Jahr 2020 um weitere 0,7 Prozentpunkte auf 28,2 Prozent an. Aktuell wird knapp die Hälfte (46 Prozent) der Waldfläche Baden-Württembergs als deutlich geschädigt eingestuft. Ein derart hohes Schadniveau wurde seit Beginn der Waldzustandserhebung in Baden-Württemberg im Jahr 1985 noch nicht festgestellt.
Infos Ausführliche Informationen zu Zustandsberichten und Forschungsprojekten finden sich im Netz unter der Adresse www.fva-bw.de.