Machtkalkül darf die Union nicht zu Kooperationen mit der AfD verleiten. Es würde sie zerreißen.
Von Eidos Import
Eine Brandmauer ist eine Art Schutzwall, der verheerendes Feuer eindämmen soll. Insofern ist der Nutzen der Brandmauer, den die Union gegen das Auflodern politischer Unkultur zu ihrer Rechten errichtet hat, zumindest fragwürdig. Sie hat das Anwachsen der AfD keineswegs eingedämmt – und schützt auch nicht unmittelbar gegen verheerende Folgen für unsere Republik. Gleichwohl ist diese Brandmauer unverzichtbar. Vor allem für die Union.
Der Kalender offeriert dafür einen Denkanstoß. Vor 75 Jahren, am 21. Oktober 1950, hielt die CDU ihren ersten Bundesparteitag ab. Konrad Adenauer, der an jenem Tag zum Bundesvorsitzenden gewählt worden ist, war da schon Kanzler. Alles, wofür er steht und wofür die CDU in den folgenden Jahrzehnten eingetreten ist, formiert so etwas wie eine ideelle Brandmauer gegen die AfD.
Adenauer stand an der Spitze des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz geschaffen hat, dessen Werte die AfD mit Füßen tritt. Adenauer setzte sich für die Westbindung Deutschlands ein – während die AfD sich dem Kriegstreiber Wladimir Putin anbiedert. Adenauer und seine politischen Erben haben die europäische Integration vorangetrieben, während die AfD einen EU-Austritt anstrebt. Auch wer die CDU nicht wählen will und an ihrem Programm einiges auszusetzen hat, muss anerkennen: diese Partei hat über Jahrzehnte Verantwortung getragen für einen Staat auf dem Fundament eben jener Verfassung, der viele in der AfD zuwiderhandeln.
Insofern hat der aktuelle CDU-Chef und Kanzler Friedrich Merz recht, wenn er die AfD als „Hauptgegner“ seiner Partei benennt und Schnittmengen, die manche in der Union herbeifantasieren, als Schimäre bezeichnet, vielmehr die „fundamentalen Unterschiede“ betont.
Damit zurück zur Brandmauer: Gerade im Osten Deutschlands, wo es eine gewisse Erfahrung mit dem Einreißen von Mauern gibt, halten manche Christdemokraten Brandmauern für hinderlich. Hinderlich wobei? Gewiss stellt sich gerade in Ostdeutschland die Frage nach Machtoptionen, wenn die AfD über Sperrminoritäten verfügt, gar die stärkste Fraktion stellt und demnächst etwa in Sachsen-Anhalt nicht mehr an ihr vorbei regiert werden könnte. In einem auf freiheitlichen Werten gründenden Rechtsstaat ist Macht jedoch niemals Selbstzweck. Sie berührt auch das Selbstverständnis.
Was heißt das für die konkrete Politik? Ihr ideelles Erbgut verpflichtet die CDU zur Verantwortung für diesen Staat. Ihr wichtigstes Ansinnen muss sein, Probleme zu lösen, welche diesem schaden – unabhängig davon, ob auch die AfD diese Probleme als solche benennt. Es ist eine taktische Frage, ob es klug erscheint, Beschlüsse herbeizuführen, bei denen auch die AfD mitstimmt. Wer sich jedoch stets davon abhängig machen wollte, würde zur Marionette seines Gegners.
Taktische Fragen sind das Eine. Wer allerdings das strategische Kalkül verfolgen sollte, gemeinsam mit der AfD Mehrheiten zu bilden, verfällt einer skrupellosen Machtpolitik – und strebt ein Bündnis mit jenen an, die alles zunichte machen würden, wofür sich die CDU bisher eingesetzt hat. Das würde die Partei Adenauers zweifellos zerreißen.
Die Folgen lassen sich in Europa vielerorts besichtigen. Der Aufstieg rechter Systemsprenger führt über die (Selbst-)Zerstörung christdemokratischer und bürgerlich konservativer Parteien. Insofern ist die Brandmauer am rechten Rand der CDU unverzichtbar für alle Unionisten im Geiste Adenauers. Wer sie einzureißen oder zu überwinden versucht, setzt den Presslufthammer an die Fundamente der eigenen Tradition.