Außenpolitik von Donald Trump

Ohne viel Rücksicht auf die Schwachen

Die US-Außenpolitik unter Donald Trump wirkt oft verwirrend. Eine Konstante aber lässt sich erkennen: Der Präsident denkt in klassischen Einflusszonen und handelt danach.

Ohne viel Rücksicht auf die Schwachen

Im August lud Donald Trump (re.) seinen Amtskollegen Wladimir Putin zu einem Treffen nach Alaska.

Von Rainer Pörtner

Rund eine Woche brauchte die „USS Gerald R. Ford“ Anfang November, um vom Mittelmeer an ihren neuen Einsatzort zu fahren: das karibische Meer. Der 333 Meter lange Flugzeugträger gehört zu den größten Kriegsschiffen der Welt. Wenn dieser Gigant in einem Gewässer auftaucht, ist das eine unübersehbare Demonstration einer überragenden Militärmacht.

Sie seien in die Karibik gekommen, um „Recht und Ordnung in der gesamten westlichen Hemisphäre im Einklang mit den Prioritäten des Präsidenten aufrechtzuerhalten“, verkündete Konteradmiral Paul Lanzilott. Besagter US-Präsident, Donald Trump, hat inzwischen eine Streitmacht von 15 000 Soldaten auf See und an Land in der Umgebung Venezuelas aufziehen lassen.

Trump gibt vor, er führe einen Kampf gegen Drogen-Terroristen, die sein Land mit Rauschmitteln fluten würden, und gegen den Mann, der für all das verantwortlich sei: Venezuelas Präsident Nicolas Maduro.

Hegemon der Weltordnung?

Für Herfried Münkler ist diese Erzählung vom „Narco-Krieg“ nur ein Vorwand für ganz andere Ziele. „Donald Trump versucht den imperialen Raum der USA zu arrondieren“, sagt der Berliner Politikwissenschaftler. „Die USA ziehen sich aus der Rolle des Hegemons einer Weltordnung zurück und konzentrieren sich darauf, einen harten imperialen Kern zu organisieren.“

Venezuelas Diktator Maduro, der unverhohlen die Unterstützung Russlands und Chinas sucht, ist für den US-Präsidenten ein Störfaktor, den es zu beseitigen gilt. Trump geht es darum, den Ländern in der Karibik zu zeigen, dass die USA hier allein das Sagen haben. In diese Strategie, den amerikanischen Einfluss im unmittelbaren Umfeld des eigenen Staatsgebiets zu untermauern und nach Möglichkeit zu erweitern, gehören auch Trumps Drohungen, die Kontrolle über den Panama-Kanal zurückzugewinnen, Kanada zum 51. Staat der USA zu machen und sich schließlich noch Grönland einzuverleiben. Entsprechend legt die gerade veröffentlichte, neue US-Sicherheitsstrategie den Fokus darauf, dass die USA vor allem „führend in der westlichen Hemisphäre“ sein müsse.

Keine guten Aussichten für Länder wie Taiwan oder Ukraine

Trumps raumgreifende, aggressive Nachbarschaftspolitik wird zwei andere Potentaten bestärken, ebenfalls nicht zimperlich zu sein, wenn es um ihre Nachbarn geht: Xi Jinping und Wladimir Putin. Wenn die USA nur noch wenig geben auf das internationale Recht, auf die Unverrückbarkeit von Grenzen und auf die Autonomie kleinerer, schwächerer Länder, wird das die Hemmschwellen in China wie Russland weiter senken.

Das sind keine guten Aussichten für Länder wie Venezuela, Taiwan oder die Ukraine. Sie müssen fürchten, dass sich die Machthaber in Peking, Moskau und Washington über ihre Köpfe hinweg verständigen.

Xi Jinping setzt die wachsende Militärmaschinerie seines Landes immer offensiver ein, um China zur unumstrittenen Vormacht im Indopazifik zu machen. Der Druck auf Taiwan wächst, die Spekulationen über eine mögliche kriegerische Eroberung des Inselstaats werden substanzieller. Gleichzeitig versucht Peking, den Einfluss auf seine Nachbarländer mit politischen wie ökonomischen Mitteln zu erhöhen.

Moskau wünscht eine Pufferzone zu EU und Nato

Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine, der schon mehr als ein Jahrzehnt dauert, ist nichts anderes als der Versuch, die russische Einflusszone mit Gewalt zu vergrößern. Der Mann in Moskau träumt von einer Wiederbelebung alt-sowjetischer Macht, einem Ring von Vasallenstaaten um Russland herum, einer Pufferzone zu EU und Nato.

Und wo ist die Macht, die dagegenhält? Die Autorität der Vereinten Nationen und anderer multinationaler Organisation, die immerhin eine kleine Schutzfunktion haben, erodiert. Und die USA haben sich unter Trump als Garantiemacht der liberalen globalen Ordnung verabschiedet. Sie sind, wie der US-Historiker Robert Kagan konstatiert, selbst zu einer „schurkischen Supermacht“ geworden, die sich von anderen Staaten nimmt, was sie zu brauchen meint.

„Aggressiver Imperialist“

Dieser düsteren Analyse schließen sich Sigmar Gabriel, einst deutscher Außenminister, und Thomas Kleine-Brockhoff, Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, ausdrücklich an. In einem gemeinsamen Aufsatz schreiben sie, Trump sei kein „friedliebender Isolationist“, wie viele seiner amerikanischen Wähler geglaubt hätten, sondern ein „aggressiver Imperialist, der das Konzept von Einflusszonen überzeugender findet als die völkerrechtlich grundierte Idee von der territorialen Integrität der Staaten“.

Wie sich dieses Denken auswirkt, lässt sich in der Ukraine-Politik beobachten. Die USA sind nicht mehr der unverbrüchliche Verbündete Kiews, sie haben die Seiten gewechselt: Trumps vordringliches Interesse ist ganz offensichtlich ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin.

Hoffnung auf milliardenschwere Deals

Dessen Verbrechen scheinen ihm egal zu sein, Moskaus Streben nach einer eigenen Einflusszone findet er verständlich. Wichtiger als das Schicksal der Ukrainer und der Europäer sind dem US-Präsidenten die Aussichten auf gute Geschäfte mit Russland, auf milliardenschwere Deals mit Gas, Öl, Mineralien und Seltenen Erden.

Insofern war es nur konsequent, dass er zu den Ukraine-Verhandlungen mit Präsident Putin keine versierten Diplomaten oder erfahrene Militärs schickte. Dem russischen Präsidenten saßen vergangene Woche im Kreml nur zwei gelernte Geschäftsleute gegenüber: der Immobilienhändler Steve Witkoff und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Deutlicher konnte der US-Präsident nicht zeigen, wo seine wahren Interessen liegen.