Einer der Anwälte von „Querdenken“-Gründer Ballweg verteidigt jetzt auch einen der mutmaßlichen Störer des politischen Aschermittwochs der Grünen – und greift zu „kritischen“ Mitteln.
Rechtsanwalt Ralf Ludwig (links) und „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg. Jetzt vertritt Ludwig auch einen der Beschuldigten der Aschermittwochs-Ausschreitungen in Biberach.
Von Florian Dürr und Andreas Reiner
Ralf Ludwig bezeichnet sich selbst als „Querdenker“-Anwalt – so war er bisher bekannt, unter anderem als Verteidiger des „Querdenken“-Gründers Michael Ballweg. Jetzt vertritt der Jurist einen der mutmaßlichen Störer des politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach im vergangenen Jahr. In deren Folge musste die Partei ihre Veranstaltung aus Sicherheitsgründen absagen. An diesem Freitag (9 Uhr) muss sich Ludwigs Mandant in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Biberach wegen des Vorwurfs auf „tateinheitlich begangenen Landfriedensbruch“, Nötigung sowie wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verantworten, wie Richterin Stefanie Held mitteilt.
Ein Rechtsanwalt sieht die Veröffentlichung des Videos kritisch
Bereits im Vorfeld greift der Anwalt zu Mitteln, die andere Juristen als „extrem kritisch“ einstufen. Er veröffentlicht Beweise aus dem Verfahren auf Youtube und verbreitet sie dann auf einer eigens für den Fall eingerichteten Internetseite: Von Polizeikameras aufgenommene Videos von jenem 14. Februar 2024 sind auf der mehr als 16 Minuten langen Aufnahme zu sehen. Auch in radikalen Telegram-Kanälen hat sich das Video verbreitet. Inzwischen ist es von der Website genommen worden, doch über den Youtube-Direktlink weiterhin aufrufbar.
„Das hätte ich nicht gemacht“, sagt der Biberacher Rechtsanwalt Ulrich Klob: „Ich sehe das sehr kritisch, weil nicht am Verfahren Beteiligte mit reingezogen werden.“ Die Veröffentlichung der Videos ist laut Klob ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von sowohl den dort eindeutig erkennbaren Polizeibeamten als auch Demonstranten. Rechtlich sei die Veröffentlichung des Videos eine Grauzone, sagt Klob. Ralf Ludwig selbst argumentiert, die Videos seien bereits Gegenstand in öffentlichen Verhandlungen vor dem Amtsgericht Biberach gewesen.
Staatsanwaltschaft Ravensburg hat den Umstand rechtlich geprüft
Hier wendet Klob ein, dass lediglich die Besucher im Saal sowie die Verfahrensbeteiligten die Beweismittel sahen – nicht, wie im vorliegenden Fall, eine potenziell große Masse im Internet. Schließlich erreicht der „Querdenker“-Anwalt mehr als 70 000 Menschen auf seinem Telegram-Kanal.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat den Umstand rechtlich geprüft und sieht in der Veröffentlichung kein strafbares Verhalten. Klob kann diese Entscheidung nachvollziehen, doch er sieht auch die schriftliche Kommentierung des Videos, in dem Ludwig mutmaßliches Fehlverhalten von Polizisten thematisiert, kritisch: „Dann wird nicht mehr der Angeklagte verteidigt, wie es vor Gericht passiert, sondern Dritte werden vorgeführt“, sagt der Rechtsanwalt.
Angemeldete Versammlung in Biberach eine Stunde vor der Verhandlung
Auf der extra für seinen Mandanten erstellten Internetseite werden die Polizeivideos zwar thematisiert („Die vorliegenden Videoaufnahmen“), aber aufzufinden sind sie dort nicht mehr. „Was am 14. Februar 2024 in Biberach geschah, verdient Klarheit und rechtsstaatliche Aufarbeitung“, heißt es auf der Startseite – und: „Der Fall Schenk wirft grundlegende Fragen zum Verhältnis von Bürgerrechten, Versammlungsfreiheit und polizeilichem Handeln auf.“
Eine Stunde vor der Verhandlung wird es um 8 Uhr vor dem Amtsgericht gar eine Informationsveranstaltung geben, im Nachgang eine Pressekonferenz – und in den Pausen Interviewmöglichkeiten sowie offizielle Statements, heißt es auf der Website. Das Biberacher Ordnungsamt bestätigt eine angemeldete Versammlung mit 60 bis 100 erwarteten Personen.
„Am 22. August beginnt etwas, das größer ist als ein Verfahren“
Zu seinem Mandanten teilt Ludwig auf eine Anfrage unserer Zeitung mit, dass er als Rechtsanwalt die unterschiedlichsten Mandate bearbeite. Täglich erreichten ihn mehrere Anfragen: „Ich prüfe dann, wo ich meine Expertise für die Mandanten erfolgversprechend einbringen kann. Können wir uns dann auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, übernehme ich das Mandat“, so Ludwig. „Im Wesentlichen“, schreibt er, „liegt meine Spezialisierung darin, rechtswidrige staatliche Maßnahmen juristisch aufzudecken und die Opfer der Maßnahmen gerichtlich zu begleiten“.
Den „Querdenken“-Initiator Ballweg begleitet der Anwalt seit Jahren und verteidigt ihn vor Gericht. Die „Querdenken“-Bewegung entstand aus Protest gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Den Demonstrationen schlossen sich bundesweit Impfgegner, Esoteriker, Verschwörungsideologen und Rechtsextreme an. Auch Ludwig war immer wieder bei den Protesten zu sehen und trat als Redner auf.
Jetzt erhöht der Rechtsanwalt auf seinem Telegram-Kanal mit den mehr als 70 000 Followern die Spannung mit Blick auf den kommenden Freitag: „Am 22. August vor dem Amtsgericht Biberach beginnt etwas, das größer ist als ein Verfahren“, kündigt er an und fragt: „Warst du am 14. Februar in Biberach – hast du Polizeigewalt erlebt oder beobachtet?“ Dann habe man vor Ort die Möglichkeit, seine Erfahrungen zu erzählen – „dokumentiert, wenn gewünscht“. Vom zuständigen Polizeipräsidium in Ulm teilt ein Sprecher mit Blick auf die Veranstaltung mit: „Polizei und Stadt Biberach stehen derzeit im Austausch.“