Das Publikum dankte den sechs Akteuren des Galakonzerts (von links) Hok Chun Chung, Dezheng Kong, Yeram Park, Nadia Kisseleva, Eric Zijie Lu und Ryunosuke Kishimoto mit enthusiastischen Bravorufen und Jubelapplaus. Foto: Elisabeth Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Eine Sternstunde der Klaviermusik bescherten sechs Musiker dem Publikum beim Galakonzert zum krönenden Abschluss der Internationalen Klavierakademie (IKAM) in der fast voll besetzten Festhalle. Voller Hingabe brachten sie unterschiedliche Charaktere und Klangnuancen adäquat zum Ausdruck, interpretierten virtuos und präzise Werke aus Klassik, Romantik und Impressionismus.
Mit Verve und Eleganz präsentierte die Ukrainerin Nadia Kisseleva das „Maestoso – Allegro con brio ed appassionato“ aus Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 32 op. 111 c-Moll. Minutiös gestaltete sie die komplexen Strukturen und Figurationen von dramatisch harten Akkordfolgen und monumental-majestätischen Klängen bis hin zu filigranen Motiven und klangschöner Melodik. Feinsinnig arbeitete der Hongkonger Hok Chun Chung die starken Kontraste in Franz Liszts Ballade Nr. 2 h-Moll zwischen stürmisch-aufgewühlten, bedrohlich dunklen Figuren, marschartigen Akkorden und klangschöner, idyllisch wirkender Melodik heraus, die letztlich triumphiert.
Vollendet bot der Chinese Dezheng Kong Alexander Skrjabins Deux Poèmes op. 32 dar: Das erste der impressionistischen Tongedichte ruft die Vorstellung eines verzauberten Gartens mit schillernden Farben und glitzernden Lichtreflexen hervor. Im zweiten dominieren expressive, teils sich reibende Akkorde und harte, schnelle Figuren. Eine große Herausforderung meisterte der Japaner Ryunosuke Kishimoto: Brillant inszeniert er alle fünf Sätze von Robert Schumanns ausgeklügeltem „Faschingsschwank aus Wien“ op. 26 B-Dur.
Detailgenau illustrierte er das bunte Maskenball- und Faschingstreiben voller attraktiver Motive und unterschiedlicher Stimmungen. Meisterhaft stellte er den Protest gegen die Zensur heraus, den Anfang der Marseillaise mitten in einem alten Volkstanz. Wunderbar empathisch gestaltete Kishimoto die sehnsuchtsvolle Romanze, effektvoll das an Springtänze erinnernde Scherzino, temperamentvoll und variabel die facettenreichen Schlusssätze.
Detailliert und differenziert erschloss der Schweizer Eric Zijie Lu den ersten Satz „Introduzione. Un poco adagio – Allegro vivace“ aus Schumanns Klaviersonate Nr. 1 op. 11 fis-Moll. Klangmalerisch brachte er die Vielfalt der verschiedenartigen harmonischen Elemente und Inhalte ebenso zum Ausdruck wie die das Werk bestimmende komplexe, vorwärtsdrängende, changierende Rhythmik. Die Südkoreanerin Yeram Park faszinierte mit ihrer höchst virtuosen Darbietung von „Das Fest des Äsop“ op. 39 Nr. 12 des französisch-jüdischen Komponisten Charles Valentin Alkan.
Treffend deutete sie die Charaktere in den 25 vielschichtigen Variationen über ein volksliedhaftes Thema mit gesellschaftskritischen Parodien, aber auch bezaubernd atmosphärischen Kantilenen. Brillant interpretierte Park das grandiose Tonkunstwerk aus bekannten und neuartigen melodischen, harmonischen und rhythmischen Details. Hinzu kam eine Fülle verschiedenster Effekte von scherzhaft wirkenden, angerissenen Tasten bis hin zu akrobatischen Sprüngen über fast die gesamte Tastatur.
Mit Bravorufen dankte das Publikum den Mitwirkenden und wählte Yeram Park zur Lieblingspianistin. Professor Christian A. Pohl, künstlerischer Leiter der IKAM, verlieh ihr den mit 300 Euro dotierten Publikumspreis. „Musik gibt Halt und ist Medizin für aufregende Krisenzeiten, Weltsprache der Menschheit und überbrückt Grenzen und Gegensätze, wir brauchen sie für Völkerverständigung und Frieden“, betonte Bürgermeister Armin Mößner. Mit einem Aquarell der Walterichskirche, dem Wahrzeichen Murrhardts, von Trude Schüle verabschiedete er IKAM-Gründer und Spiritus Rector Felix Gottlieb und dankte ihm für sein Engagement. Vor rund 25 Jahren habe er die Idee zur Gründung der IKAM gehabt und mit Murrhardt eine glückliche Wahl für den richtigen Ort getroffen, sagte Gottlieb. Er dankte der Stadtverwaltung, Kulturamtsleiter Uwe Matti und dem organisatorisch begabten Professor Pohl für die Neuauflage. Die Studierenden und Dozenten hätten sich sehr willkommen gefühlt, dankte Pohl dem Organisationsteam und der Murrhardter Bevölkerung für ihre Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Begeisterungsfähigkeit.
Sechs Studierende gestalteten zusätzliches Sonderkonzert
Ein zusätzliches Sonderkonzert am Freitagabend ermöglichte weiteren sechs Studierenden, vor Publikum die Werke vorzustellen, die sie bei der IKAM erarbeiteten. Die Finger der schwedisch-norwegischen Pianistin Astri Aareskjold galoppierten geradezu über die Tastatur. Exakt arbeitete sie die vielfältigen Formen, Nuancen und Stimmungen im „Allegro brillante“ aus Robert Schumanns Klaviersonate Nr. 3 op. 14 f-Moll heraus.
Gleich drei Werke von Frédéric Chopin erklangen: Elegant und präzise gestaltete der kolumbianisch-kanadische Pianist Sebastian Agudelo Aristizabal die Ballade Nr. 3 op. 47 As-Dur mit tänzerischer Rhythmik, klangschönen Figurationen und breitem Harmoniespektrum. Feinsinnig stellte die spanische Pianistin María Ayala Ferrer die abwechslungsreiche Barcarolle op. 60 Fis-Dur dar, wellenschaukelnde Rhythmik illustrierte die Gondelfahrt. Souverän bot die rumänische Pianistin Sabina Suciu die Etüde op. 25 Nr. 12 c-Moll mit vielschichtigen, großen Bögen gebrochener Akkorde dar. Vollendet interpretierte sie die klangmalerische Vision sinnlicher Genüsse in Claude Debussys „Insel der Freuden“, L-Verzeichnis 106. Der indonesische Pianist Mikhael Marcell Lim skizzierte Maurice Ravels atmosphärische Fantasie „Morgengruß des Narren“ aus dem Zyklus „Spiegelbilder“. Und Musikschülerin Polina Kraus aus Steinen vermittelte empfindsam die lyrisch verträumte Stimmung im Intermezzo op. 116 Nr. 4 E-Dur von Johannes Brahms. Mit starkem Beifall dankten die Zuhörer den Mitwirkenden.
Abschließend zogen Dozenten und Studierende eine rundum positive Bilanz der IKAM. Professor Christian A. Pohl ist „beglückt“ über die erfolgreiche Premiere der Neukonzeption: „Alles hat gut funktioniert, auch dank der bestmöglichen Vorbereitung und Mitarbeit des Organisationsteams rund um Geschäftsführer Uwe Matti. So konnten sich Studierende und Dozenten voll der Unterrichtsarbeit widmen und ich hätte nicht gedacht, dass es auch atmosphärisch so schön ist“, verdeutlichte er. Professor Jan Jiracek von Arnim ist „absolut begeistert“: „Es ist eine gute Idee, zwischen verschiedenen Unterrichtsräumen und Konzertflügeln zu wechseln.“ Er ist „rundum zufrieden: Es gibt nichts zu verbessern, alles lief optimal und es herrschte eine sehr positive Stimmung.“ Professorin Rena Shereshevskaya lobte die „sehr gute Organisation und einzigartige Atmosphäre“. Sie schätzte den „direkten Kontakt zu den Studierenden und das große Publikumsinteresse an Unterricht und Konzerten, die eine hervorragende Möglichkeit für die Studierenden sind, ihre Werke zu präsentieren.“
Auch vier Musikschülerinnen aus der Region nutzten die Chance, Unterrichtsluft zu schnuppern. Jüngste war die 13-jährige Sophia Roth aus Ostfildern: „Das war für mich eine positive Erfahrung und hat mir viel gebracht. Ich habe in zwei Stunden bei Christian A. Pohl und Jan Jiracek von Arnim sehr viel gelernt: Sie haben mir Tipps gegeben zur Werkerarbeitung, auch was über die Noten hinausgeht und darunter vorzustellen ist. Auch im Unterricht anderer Studierender habe ich durchs Zuhören einiges gelernt.“ Zudem bekam sie wertvolle Hintergrundinformationen zur Musik- und Entstehungsgeschichte von Kompositionen. Nadia Kisseleva fand es schön, dass die Studierenden „so eine gute harmonische Gruppe bildeten“ und ein Gemeinschaftsgefühl entstand. „Der Meisterkurs war für mich ein Erfolg“, freut sich Publikumspreisträgerin Yeram Park: „Die Dozenten haben mich motiviert und inspiriert, betrachteten die Werke aus verschiedenen Perspektiven und zeigten neue Möglichkeiten auf, Interpretationsideen weiterzuentwickeln.“