Bei der Begründung der lebenslangen Haft für den Mörder des Polizisten Rouven Laur stellt Richter Herbert Anderer die Opfer im Terroranschlag in den Mittelpunkt.
Lebenslang muss der mutmaßliche Mörder von Polizeihauptkommissar Rouven Laur in Haft. (Archivbild)
Von Franz Feyder
Lebenslang muss der mutmaßliche Mörder von Polizeihauptkommissar Rouven Laur in Haft. Die Richter des 5. Strafsenats des Stuttgarter Oberlandesgerichts stellten zudem fest, dass Sulaiman A. besonders schwere Schuld auf sich geladen hatte. Der 26 Jahre alte Afghane hatte am 31. Mai vergangenen Jahres auf dem Mannheimer Marktplatz einen Informationsstand der islamkritischen Gruppe „Pax Europa“ angegriffen, mit einem Jagdmesser fünf Männer und Laur so schwer verletzt, dass der Polizist zwei Tage später um 17.03 Uhr in einer Mannheimer Klinik verstarb.
Unter dem Einfluss des Islamismus
Der 2013 nach Deutschland geflohene A., so sind die Richter überzeugt, habe sich seit 2021 intensiv mit dem Islam befasst, sei in sozialen Medien unter den Einfluss der Terrororganisation „Islamischer Staat“ geraten und habe deren Ideologie seit Anfang 2023 geteilt. Der heute 26-Jährige sei überzeugt gewesen, „dass es nicht nur legitim, sondern seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige in Deutschland zu töten“, sagte der Vorsitzende Richter Herbert Anderer.
An dem blutigen Freitagmittag in Mannheim sei es das Ziel von A. gewesen, „innerhalb kürzester Zeit einen größtmöglichen Schaden in Form möglichst vieler Todesopfer anzurichten und sodann selbst [...] zu Tode zu kommen und nach seiner Vorstellung ins Paradies einzutreten“. Sulaiman A. wurde durch die Kugel aus der Dienstwaffe eines Polizeibeamten gestoppt.
„Von Ihrer Tat, Herr A., sind mehr Menschen betroffen, als die, die hier als Opfer im Gerichtssaal sitzen. Sondern ungezählte andere: Eltern, Ehepartner und Lebensgefährten, Geschwister und Verwandte, Freunde – auch ihre eigenen. Über Ärzte und Polizisten. Wir haben hier stockende Stimmen gehört und Tränen gesehen“, sprach Anderer Sulaiman A. an. Mit Blick auf Selbstzweifel gerade der um das Leben Laurs kämpfenden Ärzte und Kollegen fuhr er fort: „Die Polizisten, die Ärzte, die Menschen in den Krankenhäusern, sie haben alles richtig gemacht. Zum Täter wurde nur einer: Das sind Sie, Herr A.“
„Er war der, der vorneweg ging“
In den Mittelpunkt seiner Urteilsbegründung stellte Anderer jedoch die Opfer, vor allem Rouven Laur. „Einen Menschen, den wir nicht kannten. Den wir nur durch die Stimmen anderer kennengelernt haben.“ Ein 29 Jahre alter junger Mann, der „seinen Beruf liebte, der sich um andere Menschen kümmerte. Er stand für unseren Rechtsstaat. Er starb für ihn.“ Schaue man das Tatgeschehen am 31. Mai an, sehe man, dass Laur der erste Beamte war, der in das Chaos eingriff. „Er war der, der vorneweg ging, der Zugführer.“
Trost für Laurs Familie
Immer wieder versuchte der Richter, vor allem Laurs Familie zu trösten. „Keiner hier hat das geringste Recht, Ihnen Ratschläge für ihre Trauer zu geben“, sagte Anderer. In Anlehnung an einen Satz des Sohnes des bei einem Terroranschlag 1975 in Stockholm ermordeten Militärattachés Oberstleutnant Andreas Baron von Mirbach, Clais von Mirbach, wünschte er vor allem der Mutter Rouven Laurs, „zerbrechliches Glück zu finden“.
Clais von Mirbach hatte erst kürzlich bei einer Veranstaltung gesagt. „Hass beschädigt immer nur einen Menschen. Nämlich den, der hasst. Ich will keinem die Macht einräumen, mich zu beschädigen.“ Deshalb hasse er die Mörder seines Vaters nicht, sie seien ihm egal.
Welchen Wert haben die, die ihr Leben für alle einbringen
Mit Blick auf den Polizisten, Angehörige, Rettungskräfte und Soldaten der Bundeswehr sagte Anderer: „Vielleicht gehört so ein Verfahren ja auch dazu, dass unsere Gesellschaft, das sind wir alle übrigens, sich Gedanken darüber macht, welche Wertigkeit die Tätigkeit dieser Menschen für uns hat. Menschen, die einem Beruf nachgehen, der gefährlich ist, der ihr Leben fordern kann.“
Dass Rouven Laur tot sei, „ist Ihr Verbrechen, Herr A.“, sagte Anderer. Der Mord sei nicht nur ein Verbrechen an dem Polizeihauptkommissar, sondern auch an „unserer Gesellschaft und ihren Werten. Die Gesellschaft übrigens, die Sie, Herr A., aufgenommen hat und Ihnen eine Lebensperspektive geboten hat.“