Schwer beladene Energiediskussion

Bürgermeisterwahl in Murrhardt: EGM und Klimaschutzverein geben Kandidaten Gelegenheit, ihre Zukunftskonzepte vorzustellen

Die Zuhörer der Veranstaltung von Energiegenossenschaft Murrhardt und Weissach Klimaschutz konkret mit den Bürgermeisterkandidaten mussten am Dienstagabend in Bezug auf Faktenfülle und Fachjargon einiges wegstecken. Das lag daran, dass Armin Mößner und Roland Anton Krojer im Wahlkampf natürlich so viel wie möglich an den Mann respektive die Frau bringen wollen, aber auch an zusätzlichen Themen der Veranstalter sowie der komplexen Thematik an sich.

Schwer beladene Energiediskussion

Die Gesprächsrunde (von links) mit Bürgermeister Armin Mößner, Silke Müller-Zimmermann, Dieter Schäfer und Roland Anton Krojer im Heinrich-von-Zügel-Saal. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Insofern lässt sich der Abend kaum anders als eine schwer beladene Diskussion um Energie- und Umweltpolitik bezeichnen. Er war allerdings auch so konzipiert, dass die beiden Kandidaten vor allem viel vortrugen und Fragen der Gastgeber sowie des Publikums beantworteten, ohne untereinander in eine Diskussion einzusteigen.

Silke Müller-Zimmermann vom Verein Weissach Klimaschutz konkret, die die Runde gemeinsam mit Dieter Schäfer von der Energiegenossenschaft Murrhardt (EGM) moderierte, stellte voran, dass sie im Tandem unterwegs seien. „Wir wollen in die gleiche Richtung und Energie sparen, mit halber Kraft doppelt so weit kommen“, sagte sie. Die aktuelle Tour: zwei Veranstaltungen – Diskussion energiepolitischer Konzepte der Zukunft im Lichte des Wahlkampfs in Murrhardt und eine weitere zur Schülerbewegung Fridays for Future (FFF) in Weissach. Im Kern gehe es bei ersterer um Klimaschutz, Energiegerechtigkeit und Einsparung – Themen, die mit den aktuellen Entwicklungen und der FFF-Bewegung wieder ins Bewusstsein gerückt seien und an Dynamik gewonnen hätten.

Zunächst hatten die Kandidaten Mößner und Krojer (Samuel Speitelsbach hatte sein Kommen abgesagt) Gelegenheit, in fünf Minuten ihre Konzepte vorzustellen. Der amtierende Bürgermeister Armin Mößner hielt fest, dass der Klimaschutz eines unter vielen Themen in Murrhardt sei. Gleichsam zählte er auf, was schon erreicht worden sei: ein frühes Setzen auf den Ausbau der Nahwärme mit Holzhackschnitzelheizwerken, energetische Sanierung und Optimierung der Walterich- und Herzog-Christoph-Schule, der Kläranlage sowie der Trauzenbachhalle (Energiecontracting mit Gymnasium), LED-Umstellung für die Straßenbeleuchtung und Stärkung des ÖPNV. Mit Blick auf den weiteren Weg und ein künftiges Konzept möchte sich Mößner am Masterplan des Städte- und Gemeindetags orientieren. „Die Sonne hat viel Potenzial“, sagte er. Denkbar sei für ihn, städtische Dächer wie die Festhalle genauso wie private mit Anlagen auszustatten – auch mithilfe der EGM. Auf seiner Liste stehen zudem der weitere Nahwärmeausbau, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Wasserkraftnutzung, ein Verkehrskonzept für Murrhardt und der Ausbau des Bahnhofs zu einem Mobilitätsknotenpunkt. „Ich möchte aber keine Technologiepräferenz setzen“, so Mößner. Wichtig sei ihm allerdings – ob sich nun E-Mobilität oder Brennstoffzelle als zukunftsfähig erweisen –, dass man sich in dieser Hinsicht für die Entwicklungen aus dem Ländle stark mache.

Energiewende beschleunigen,

schwäbische Tüftler als Vorbild

„Uns rennt die Zeit davon“, sagte Roland Anton Krojer, der sich als Europäer und Unternehmer mit 22-jähriger Erfahrung im Bereich Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien charakterisierte. Nicht alles müsse über Bord geworfen werden – er baut auf die schwäbische Tüftlertradition –, aber trotzdem gelte es, in puncto Energiewende Gas zu geben. Krojer stellte sein komplettes Zehn-Punkte-Wahlprogramm vor. Dort finden sich viele Klimaschutz- und energiepolitische Zielsetzungen, aber auch Einzelaspekte wie eine Wiederbelebung des Lichterfests oder die Einführung eines Murrhardter Pferdemarkts.

Beispielsweise will Krojer Mikrospeicherpumpwerke als Unterstützung in Trockenzeiten für Forst- und Landwirtschaft installieren und die E-Mobilität ausbauen. Er setzt auf Solaranlagen, um eine 100-prozentige Versorgung Murrhardts aus regenerativen Quellen zu erreichen, bisher liege die Stadt bei fünf Prozent. „Dazu sind 70 Prozent der Gebäude notwendig“, sagt er. Ein weiterer Aspekt ist für ihn die Ansiedlung neuer Technologien, um an der notwendigen Entwicklung teilzuhaben und vorne mit dabei zu sein. Seine Vision: die Gründung eines Ideen- und Technologiezentrums. Seine Botschaft: „Uns droht Klimazerstörung durch Nichtstun. Wir müssen den CO2-Ausstoß reduzieren und heute damit anfangen.“ Ebenso betonte er erneut, den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Gaab kritisch zu sehen.

„Das waren jetzt viele Fakten“, sagte Dieter Schäfer und schlug den Bogen zur EGM und damit zu weiteren. In seiner Rückschau rekapitulierte er die Entwicklung der energiepolitischen Dynamik der vergangenen Jahre – von der Studie „Murrhardt regenerativ“ über die Genossenschaftsgründung, das Scheitern des Windanlagenprojekts Zollstock-Springstein wegen des Konflikts mit der Flugsicherung, schwieriger werdenden Rahmenbedingungen für bürgerschaftliche Energieproduktion bis hin zur FFF-Bewegung mit ihrem Weckrufpotenzial. „Die Politik steht auf der Bremse, für ein Weiterkommen brauchen wir auf kommunalpolitischer Ebene Aufgeschlossenheit“, sagte Schäfer und warb für einen möglichen Modellversuch, bei dem eine Infrastruktur von Produktion und Verbrauch im Kleinen mithilfe von Vernetzung aufgebaut und getestet werden soll. Es folgten Überlegungen, die solch eine gemeinschaftliche Struktur als das Zukunftsmodell sehen (Thesen Franz Hein, wir berichteten) und als eine urdemokratische (Thesen Bernhard Maron, wir berichteten). Silke Müller-Zimmermann stellte zudem ihre verkehrspolitischen Konzeptelemente vor. Im Kern sollen Gewohnheiten und Wertigkeiten überdacht, Angebote verbessert, Prioritäten gesetzt und Verkehrsmittel geteilt werden.

Im Anschluss wurden Fragen aus dem Publikum gesammelt. Sie reichten von „Wie sieht es energiepolitisch in Murrhardt in acht Jahren aus?“ und Problemen beim Recycling von Fotovoltaikanlagen bis zu Anliegen wie Internetausbau in den Teilorten oder Nahwärmeanschluss für einzelne Straßen. Es folgten einige Beantwortungsrunden der Kandidaten, wobei hier nicht auf alle Details eingegangen werden kann. Krojer machte klar, dass er Angebote wie E-Busse ausbauen will, die den Individualverkehr reduzieren. Bei der Fotovoltaik könnten mittlerweile 99 Prozent der Bestandteile recycelt werden, ein weiterer Punkt sei die Steigerung der Lebensdauer.

Auch Mößner hält Solarkollektoren für eine wichtige Basis, wobei er die Produktion in Deutschland unterstützt sehen will. In Sachen Nahwärmeanschluss hätte es an bestimmten Punkten Verzögerungen gegeben wie Unklarheit des Bauprojekts Schattenkeller, aber man hoffe, das Potenzial bald ausschöpfen zu können. Auch beim Internetausbau für die Teilorte zeigte sich der amtierende Bürgermeister optimistisch, da zwischenzeitlich ein Angebot der Telekom vorliege.

Mößner will klein und konkret

anfangen – mit Solaranlagen

Auf die Nachfrage Schäfers, wie die beiden zu einem Modellversuch in puncto Aufbau eines örtlichen Strommarkts stünden, wurden nochmals die Schwerpunktsetzungen der Kandidaten deutlich. Da die Energiekonzerne eher eine Verhinderungstaktik fahren und die Regelungen von politischer Seite verkompliziert würden, sieht Krojer eine Chance darin, in unternehmerischem Sinne möglichst selbst aktiv zu werden – und dabei die Stadtwerke als bürgerschaftlich-städtische Institution und machtpolitisches Gewicht zu nutzen. Sein Vorbild: die Stadtwerke Hall oder Berlin.

Mößner will klein und konkret anfangen, indem Bürger mit Unterstützung von Stadt und EGM Anlagen planen und umsetzen können, statt sich in politischen Diskussionen zu verlieren, die im Nirvana endeten.

Bei der zweiten Veranstaltung zur Unter- stützung von FFF führen die Partner ein Gespräch mit Jürgen Hestler, Dieter Schäfer, Kim-Jana Kastner und Schülern von Fridays for Future. Es findet am Dienstag, 16. Juli, um 19 Uhr im Bürgerhaussaal in Weissach statt.