Selbstsicher(er) durch Körperwahrnehmung

Die Schulsozialarbeit bietet an der Walterich- und Herzog-Christoph-Schule erstmals ein Aktionspaket zum Thema „Nein zu Gewalt an Mädchen“ an – mit Infos zu sexualisierter Gewalt, einem Film, einem Gestaltungsprojekt sowie der Möglichkeit, das Bodypainting kennenzulernen.

Selbstsicher(er) durch Körperwahrnehmung

In der Kampagne „Orange the World“ werden weltweit Aktivitäten gebündelt, die sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt stark machen. Sie war auch Thema bei den Aktionen der Murrhardter Schulsozialarbeit. Bei der Gestaltung dreier Holzbänke kam folglich auch die Farbe Orange zum Einsatz – und diente dem einen oder anderen kreativen Statement. Foto: privat

Von Christine Schick

Murrhardt. Auf dem Boden stehen Töpfchen mit bunten Farben, daneben weitere Paletten, Pinselsets und Wassergläser. Es wird fleißig gemalt, allerdings nicht auf Papier, Leinwand oder Karton, sondern auf Hände und Arme. Immer zwei Mädchen beziehungsweise junge Frauen haben sich zusammengefunden. Während die eine an Figur, Schriftzug oder Dekoelement arbeitet, liegt die andere mit einer Augenbinde auf dem Rücken und kann sich ganz aufs Bemaltwerden konzentrieren. „Welche Farbe ist das?“, möchte eine junge Frau wissen. „Eine gute Farbe“, lautet die Antwort.

Auf den Armen finden sich Margeriten, Herzen, ein „Hallo“ oder ein kleines Geschöpf mit großen Ohren. Mal wird der Arm komplett und knallig bearbeitet, mal Luft um die Motive gelassen, manchmal erkundet das jeweilige Duo auch einfach das Gefühl für die jeweilige Hautpartie. Die Feststellung „Das kitzelt am Kinn!“ geht in ein leises Lachen über. Gegenüber stellt eine junge Frau fest, dass sie die Pinselarten mittlerweile unterscheiden kann.

Doris Mayer, die als Berührungs- und Paarcoach arbeitet, begleitet die Gruppe

„Es geht ums Hinspüren und darum, zu merken, ob Druck und Tempo stimmen und was die Berührung ausmacht. Der Pinsel ist sozusagen die Verlängerung der Hand“, sagt Doris Mayer, die die Gruppe am Nachmittag begleitet. Als Berührungs- und Paarcoach sowie Gesundheitspraktikerin arbeitet sie auch mit traumatisierten Frauen. Ob dabei eine Gewalterfahrung oder die Auseinandersetzung mit einer Krebserkrankung und den Folgen Thema ist, die Erfahrung des eigenen Körpers und was sich gut und nicht gut anfühlt, spielt dann eine besondere Rolle. „Frauen haben oft Abgrenzungsprobleme“, sagt Doris Mayer. Aber um auch Stopp sagen zu können, braucht es neben der entsprechenden Selbstsicherheit auch ein Wissen über das eigene Körpergefühl und das, was Doris Mayer als Berührungsspektrum bezeichnet.

Das Bodypainting ist eine Methode, sich diesem Wissen (wieder) anzunähern. Im Alltag kann die Spanne von in positivem Sinn berührt werden bis hin zu Gewalt reichen und das ist auch der Hintergrund, vor dem der Workshop in der Schulsozialarbeit der Walterich- und Herzog-Christoph-Schule angeboten wird. Er bildet den Abschluss des Aktionspakets zum Thema „Nein zu Gewalt an Mädchen“, das zum ersten Mal in solch einem Rahmen an Walterich- und Herzog-Christoph-Schule aufgegriffen wird, berichtet Schulsozialarbeiterin Margit Körner. In einer konzertierten Aktion hat sie im Schulterschluss mit dem Kreisjugendamt Veranstaltungen für die Abschlussklassen neun und zehn organisiert. Unterstützung kommt dabei auch von Laura Lentini und Jana Huber, die soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Stuttgart studieren, über ihre Praxisausbildung vor Ort – im Landratsamt/Jugendreferat und bei der Stadt Backnang – arbeiten und während der Aktionstage weitere Erfahrung sammeln und sich einbringen. Der Startschuss fiel am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, erzählt Margit Körner. Im Schülertreff standen drei große Holzbänke bereit, denen die Schülerinnen der Abschlussklassen sowie Mädchen des Jugendhilfeprojekts Arche Murrhardt ein farblich passendes Outfit – einen orangefarbenen Anstrich – verpasst haben.

Orangefarbene Bänke erinnern

im Alltag an die Thematik

Der Hintergrund: Die Kampagne „Orange the World“, in der sich weltweit Aktivitäten zur Gewaltthematik bündeln, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Die Bänke haben nun in den Räumen der beiden Schulen und der Arche ihren Platz gefunden. Während der Verschönerung war Zeit, sich dem Thema zu nähern. Aber auch künftig sollen die Bänke eine Art Erinnerungsanker sein und bei Bedarf auch einladen, „sich hinzusetzen und darüber zu sprechen“, erläutert Margit Körner. An einem Vormittag war Lena Wurche vom Kreisjugendamt zu Gast, um über sexualisierte Gewalt zu sprechen und mit den Mädchen auch ganz konkret Situationen anzuschauen, in denen das Thema auftauchen kann und unter Umständen Entscheidungen anstehen. Wo verläuft die Grenze? Beim Griff an den Po, bei der Bezeichnung als Schlampe oder wenn Penisbilder im E-Mail-Postfach landen? Wer darüber nachdenkt, dem Partner Nacktbilder zu senden, hat nicht unbedingt die Trennung vor Augen. Trotzdem werden auch solche Situationen angesprochen, verbunden mit der Empfehlung, nur Aufnahmen herumzuschicken, die man auch ohne Bedenken in der Schule aufhängen könnte, erzählen Laura Lentini und Jana Huber.

Gemeinsam geht es außerdem ins kommunale Kino, um den Spielfilm „Menschliche Dinge“ anzuschauen, der einen Vergewaltigungsprozess und die schwierige Wahrheitssuche schildert, indem er verschiedene Perspektiven der Beteiligten aufmacht. Die Diskussionen im Anschluss beschreibt Margit Körner als spannend und engagiert. In ihnen spiegelten sich auch Fragen wider, die der Film aufwirft, wie: Wo fängt eine Vergewaltigung an? Was genau ist sexueller Konsens? Wo liegen die Grenzen von Lust? Der Kreis schließt sich mit dem Workshop Bodypainting, bei dem die (selbst-)bewusste Körperwahrnehmung im Mittelpunkt steht. Margit Körner freut sich, dass es trotz vergleichsweise kurzer Vorbereitungszeit gelungen ist, in rund zwei Wochen vier Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. „Wir möchten natürlich auch Jungs berücksichtigen“, sagt sie und dass man auch für sie Veranstaltungen plane. Trotzdem sei es wichtig gewesen, den Schülerinnen erst mal einen geschützten Raum geboten zu haben. Genauso soll die Thematik auf Kreisebene weiter im Blick behalten werden. Der Wunsch ist, Aktionen in den verschiedenen Städten und Gemeinden im kommenden Jahr über einen Flyer bekanntzumachen, sodass sie sich kreisübergreifend besuchen lassen, wofür sich Laura Lentini und Jana Huber engagieren möchten.

Selbstsicher(er) durch Körperwahrnehmung

Beim Bodypaintingworkshop in den Räumen der Schulsozialarbeit spielt die (selbst-)bewusste Körperwahrnehmung eine zentrale Rolle. Foto: Christine Schick