Seriöses Casting mit bizarrem Ende

Bürgermeisterwahl in Murrhardt: Dauerbewerber Samuel Speitelsbach sorgt bei der Kandidatenvorstellung für einen Eklat

Bei der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl in Murrhardt präsentierten sich die drei Bewerber Armin Mößner, Roland Anton Krojer und Samuel Speitelsbach. Mößner und Krojer taten dies mit der gebotenen Ernsthaftigkeit. Aus diesem Rahmen trat Samuel Speitelsbach, ob bewusst oder unbewusst, heraus. Mit seiner bizarren Vorstellung, die er am Mittwochabend in der Festhalle bot, sorgte er beim Publikum für Ratlosigkeit und Verärgerung.

Seriöses Casting mit bizarrem Ende

Zum Auftakt sitzen die drei Kandidaten (von links) Samuel Speitelsbach, Roland Anton Krojer und Armin Mößner noch zusammen am Tisch, später treten sie einzeln ans Rednerpult, während ihre Mitbewerber in einem separaten Raum warten. Den Abend moderierte Andreas Winkle (vorne rechts) mit Unterstützung von Hauptamtsleiter Matthias Kircher (Zweiter von rechts). Fotos: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Die Kandidatenvorstellung der Stadt ist, weil sie auch formal für eine strenge Gleichbehandlung der Bewerber zu sorgen hat, klar strukturiert. Dass sie gegen Ende trotzdem fast aus dem Ruder lief, lag an Samuel Speitelsbach. Der 32-jährige Ravensteiner, der sich zum Dauerkandidaten entwickelt hat, gab in der Festhalle eine bizarre, schwer einzuordnende Vorstellung – welche Motive auch immer dahinterstehen.

Weil das Publikum auf sein Sammelsurium an Aussagen, Forderungen und Statements, die jeglichen Zusammenhang vermissen ließen und ans Absurde grenzten, entsprechend reagierte, schaukelte sich die Situation hoch. Am Ende provozierte Speitelsbach mit einer Hitlergrußpose, woraufhin Veranstaltungsleiter und stellvertretender Bürgermeister Andreas Winkle ihn aufforderte, den Saal zu verlassen. Zuvor war Speitelsbach als Dritter ans Rednerpult getreten.

Beim Zuhören stellte sich immer mal wieder die Überlegung ein, ob es sich vielleicht um eine verdeckte Satireshow handeln könnte. „Zur integrierten Gemeindeentwicklung habe ich nichts gefunden, denke aber, ich würde auch nichts davon halten“, sagte der 32-Jährige beispielsweise, sprach vom Bau eines Laubkraftwerks oder der Notwendigkeit, Straßen und Wohnungen unter die Erde zu verlegen, um die Flächen für die Landwirtschaft zu nutzen. Während sein Ziel, Murrhardt zur autofreien Zone zu machen und nur noch Fahrräder und Pferdekutschen zu erlauben, noch für Lacher sorgte, war man bei der Feststellung, dass er als Bürgermeister alle Flüchtlinge nach NRW abschieben werde, nicht mehr amüsiert.

Die Rückmeldung eines Murrhardters lautete denn auch: „Es ist ja schön, dass Sie sich bewerben, aber ich fühle mich bei Ihrer Vorstellung ein wenig wie beim Rosenmontag. Meinen Sie das ehrlich? Hier geht es um das Amt des Bürgermeisters. Ich bin mir selten so verarscht vorgekommen wie heute.“ Auf die Ablehnung und entsprechende Statements von Zuhörern reagierte Speitelsbach, indem er linken Arm und linke Hand entsprechend in Position brachte, was vom Publikum mit Empörung quittiert wurde. Nach dem Platzverweis tauchte er später auch nicht wieder auf.

Den Anfang hatte Armin Mößner gemacht. Wie allen Kandidaten, die einzeln vors Publikum traten, standen ihm 15 Minuten Redezeit sowie eine Fragerunde in gleicher Länge zu. „Ich will Ihnen weiterhin ein Bürgermeister mit Verantwortung für das Ganze sein, der die hohe zeitliche Inanspruchnahme des Amts annimmt und neben der Arbeit in Rat und Rathaus vor allem auch draußen bei Ihnen ist“, sagte Mößner. Er machte seine Verbundenheit zu Murrhardt auch über die Familie deutlich. „Großmutter und -vater sind hier geboren und aufgewachsen, mein Urgroßvater Hugo Müller hat eine Sattlerei und ein Lederwarengeschäft am Murrhardter Marktplatz betrieben.“ Mittlerweile sei die Stadt auch ihm zur Heimat geworden. „Ich fühle mich richtig wohl hier.“ Der 35-jährige Diplom-Verwaltungswirt wurde im Juli 2011 zum Bürgermeister gewählt, seit 2014 ist er auch Mitglied im Kreistag für die CDU. Gleichsam ist es ihm wichtig, sich im Ehrenamt zu engagieren. Mößner charakterisierte sich als Bürgermeister, der sein Ohr ganz nah an der Bevölkerung haben möchte, auch wenn für ihn gilt: „zuhören, nachdenken, entscheiden“. „Gemeinsam konnte in meiner ersten Amtszeit vieles vorangebracht werden.“ Er sieht Murrhardt im Aufwind. Seine Stichworte sind Einwohner- und Arbeitsplatzzuwachs, Verbesserung beim Bahntakt und baldiger Notarztstandort. Mößner ging in seiner Rede unter anderem auf Erreichtes bei der Schaffung von Wohnraum, bei Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung, Familienfreundlichkeit und Sanierungen städtischer Gebäude und Anlagen ein. Dabei solle weiterhin gelten: „Schwäbisch solide Finanzen vor Experimenten“. Die großen Aufgaben der kommenden Jahre sind für ihn die Breitbandversorgung, der Hochwasserschutz und die gemeinsame Arbeit für eine attraktive Innenstadt. „Ich brenne für diese Stadt“, sagte Mößner und dass er sich dafür einsetzen wolle, damit sie lebendig, wirtschaftsstark, sozial, bildungsorientiert und offen bleibt sowie nachhaltig handelt.

Bei den Nachfragen an Mößner geht es um konkrete Vorhaben und Anliegen, die den Alltag betreffen

Bei den Fragen an ihn ging es um konkrete Vorhaben oder Alltagsanliegen wie Kitaplätze in Wohnortnähe, Bürgerbusprojekt, barrierefreie Toiletten oder Straßensanierungen, die Mößner routiniert abarbeitete, sodass drei Minuten vor Ende nichts mehr offen zu sein schien. Aus dem Publikum jedenfalls kamen keine Fragen mehr.

Roland Anton Krojer stellte sich als in Murrhardt verwurzelt – verheiratet, fünf Söhne, evangelisch –, langjähriges Albvereinsmitglied sowie Europäer vor. So will er auch die Tradition des schwäbischen Tüftelns mit moderner Technik verbinden, wenn es um den Klimaschutz und die Energiewende geht, die keinen Aufschub mehr dulde. In seinem Zehn-Punkte-Wahlprogramm tauchen dabei Aspekte auf wie dynamische Wasserspeicher zur Unterstützung der Forst- und Landwirtschaft bei Trockenheit, die gleichzeitig dem Hochwasserschutz dienen könnten, so Krojer. Um das Aussterben der Tannen abzuwenden, denkt er auch an eine Bewässerung mit Drohnen. Als Projektmanager für alternative und erneuerbare Energien habe er die Anfrage einer Firma an der Hand, die Elektro-Lkw herstellt. Bei der Energieversorgung Murrhardts setzt er auf Fotovoltaikanlagen, 70 Prozent der Gebäude Murrhardts reichten für eine Abdeckung aus. Seine Referenz: die Anlage im Freibad. Krojer spricht sich auch aus Umweltschutzgründen gegen den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Gaab bei Fornsbach aus. Zum einen, weil es seiner Ansicht nach nicht nötig ist, zum anderen, da der dort geplante Straßenbau mit zwei Kreiseln den CO2-Ausstoß und die Feinstaubbelastung erhöhe. „Wenn der sechs Meter hohe Damm bricht, kann eine Flutwelle entstehen“, so Krojer.

Der 53-Jährige ohne Parteizugehörigkeit musste sich kritischen Publikumsfragen stellen. Es wurde bezweifelt, ob Krojer sich der Aufgabenfülle und -breite des Amts bewusst sei, zudem wurde die ungeklärte Finanzierung der Solaranlagen sowie Vernachlässigung anderer sozialer Themen angemahnt. Krojer verwies auf seine Erfahrung in Mitarbeiterführung und als Unternehmer sowie das Ziel, immer ein offenes Ohr für die Leute zu haben. Allerdings sagte er auch: „Das Erste, was ich als Bürgermeister machen würde, wäre, die Planung des Polders zu stoppen.“

Seriöses Casting mit bizarrem Ende

Samuel Speitelsbach

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Roland Anton Krojer

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Armin Mößner