SG Sonnenhof: Boysen coacht und Mölders stürmt

Großaspach setzt im Abstiegskampf der Fußball-Regionalliga auf Erfahrung. Neuer Trainer ist ein alter Bekannter: Hans-Jürgen Boysen (64). Ein Coup ist die Wahl des spielenden Assistenten: Sascha Mölders (36) soll für Tore sorgen.

SG Sonnenhof: Boysen coacht und Mölders stürmt

Am 1. Juli 2020 verlor die SG Sonnenhof ihr vorläufig letztes Drittliga-Heimspiel gegen 1860 München mit 2:4. Sascha Mölders (am Ball) bereitete damals drei Tore der Gäste vor. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

Die SG Sonnenhof Großaspach hat im Doppelpack zugeschlagen. Mit beiden Personalien war nicht unbedingt zu rechnen, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln. Dass Hans-Jürgen Boysen als Nachfolger des am 8. Dezember 2021 entlassenen Steffen Weiß zum neuen Chefcoach gekürt wurde, ist vor allem deshalb eine Überraschung, weil ihm der Klub aus dem Fautenhau erst Ende Februar vergangenen Jahres den Stuhl vor die Tür gestellt hatte. Dass Sascha Mölders als spielender Co-Trainer Boysens verlängerter Arm auf dem Spielfeld wird, kommt ebenfalls unerwartet, weil sein Name zuletzt mit Drittligisten wie Kaiserslautern, Halle oder Türkgücü München in Verbindung gebracht wurde. Stattdessen heuert der Stürmer, der in der Vorsaison noch Drittliga-Torschützenkönig war und dessen Rauswurf bei 1860 München sowie die Vertragsauflösung kurz vor Weihnachten für massive Proteste der Löwen-Fans gesorgt hatten, beim aktuellen Regionalliga-Kellerkind in Großaspach an.

In dem keineswegs wahllos zusammengewürfelten Duo Boysen/Mölders, das sich vielmehr aus eineinhalb gemeinsamen Jahren beim FSV Frankfurt (Januar 2010 bis Juni 2011) kennt und dessen Kontakt seitdem bestehen blieb, sieht SG-Vorstandsmitglied Michael Ferber eine „spannende Konstellation. Sie sind überzeugt, dass sie es zusammen gut hinbekommen.“ Der alte und neue Coach habe viel dazu beigetragen, den ehemaligen Kapitän und Kultstürmer der Sechziger, der unter seinem bekannten Spitznamen „Die Wampe von Giesing“ sogar Kleidung in einem Online-Shop verkauft, vom Wechsel nach Aspach zu überzeugen. Beide Verträge laufen zunächst nur bis Saisonende, was laut Ferber der Tatsache geschuldet ist, „dass wir bei allem, was wir derzeit tun, nur die nächsten 14 Spiele im Blick haben“. Alles werde der Mission Ligaverbleib untergeordnet, die diesen Montag mit dem Trainingsstart nach der kurzen Winterpause beginnt und alles andere als ein Selbstläufer wird: „Es ist eine schwierige Aufgabe, das ist uns allen bewusst.“ Wird sie gemeistert, ist es durchaus möglich, dass das Tandem auch die neue Saison in Angriff nimmt.

Hans-Jürgen Boysen wird nach 2007 und 2020 zum dritten Mal neuer SG-Coach

Wäre es bei Boysens erneuter Verpflichtung geblieben, hätten sich die SG-Macher den Vorwurf der Fantasielosigkeit gefallen lassen müssen. Hatten sie den 64-Jährigen, der seit rund zwei Jahrzehnten im Ort lebt und als Ehemann von Katrin Boysen-Ferber sogar zur namensgebenden Hoteliersfamilie gehört, doch bereits zweimal ins Amt gehievt. Zunächst im November 2007 als Interimstrainer zu Oberliga-Zeiten, weil Markus Gisdol das Handtuch geworfen hatte. Damals gab es einen Sieg und drei Niederlagen. Exakt zwölf Monate dauerte der zweite „Freundschaftsdienst“, wie das Engagement bei Boysens Einstieg Ende Februar 2020 in nahezu aussichtsloser Lage im Drittliga-Abstiegskampf genannt wurde. Er stabilisierte die Mannschaft, aber die wundersame Rettung blieb aus. Als in der vergangenen Regionalliga-Saison der ungebremste Absturz in die Oberliga drohte, warf ihn das sich immer schneller drehende Großaspacher Trainerkarussell im Februar 2021 wieder ab.

Bleibende Spuren hat diese Trennung offenbar nicht hinterlassen. Nicht beim Klub, der mit Walter Thomae, Rainer Scharinger und Steffen Weiß seither drei weitere Trainer verschlissen hat und nur noch deshalb in der Regionalliga beheimatet ist, weil es coronabedingt nur zwei Absteiger gab. Und nicht bei Boysen, der sonst kaum ein drittes Mal zugesagt hätte. „Wir brauchen keine kreative Lösung, sondern eine Lösung, die funktioniert“, entgegnet Michael Ferber allen, die sich über die Rückholaktion möglicherweise das Maul zerreißen. Er sei „extrem froh, dass wir auf die Bereitschaft und Erfahrung von Hans-Jürgen Boysen, der den Verein und das Umfeld bereits seit vielen Jahren kennt, zählen können“. Es sei auch eine ganz andere Situation als beim letzten Mal, als nach dem Drittliga-Abstieg allseits erwartet wurde, dass die SG zumindest im vorderen Drittel mitmischt. „Wir sind vielleicht alle etwas unbedarft an die Regionalliga herangegangen“, gibt Ferber zu. Nun gehe es ganz alleine darum, sich aus dem Schlamassel zu befreien und dafür „wollten wir Erfahrung auf der Trainerposition“.

Boysen gab sein Jawort, weil ihm der Verein und das gesamte Umfeld „extrem am Herzen liegen“. Er appelliert an den Zusammenhalt, um „mit harter Arbeit, aber auch mit Freude“ das Ziel zu erreichen. Um die Wahrscheinlichkeit für den Ligaverbleib zu erhöhen, hatte Ferber im Laufe der Woche schon angekündigt, mindestens drei Zugänge holen zu wollen. Mit dem Fokus auf erfahrene Spieler mit Führungsqualitäten, in das Raster passt Sascha Mölders bestens. Es ist eine Verpflichtung, die für bundesweite Schlagzeilen sorgt, und daher freut es Michael Ferber sichtlich, „dass vorab nichts durchgesickert ist“. Den 36-Jährigen bekommen zu haben, sei für SG-Verhältnisse „eine kleine Sensation“, betont das Vorstandsmitglied und tritt sofort der Deutung entgegen, es sei eine reine Geldfrage gewesen. „Wäre es ihm nur ums Finanzielle gegangen, wäre er nicht hier.“ Unabhängig von der einen Verpflichtung räumt der Funktionär jedoch ein, dass der Verein für den Ligaverbleib einen Kraftakt leistet: „Wir müssen uns wirtschaftlich strecken, um alle Personalien realisieren zu können – nicht nur auf Sascha Mölders bezogen.“

Bei Mölders spielten den Großaspachern neben dessen Verbindung zu Boysen weitere Aspekte in die Karten. Da wäre der nicht allzu lange Anfahrtsweg aus Augsburg, wo er mit seiner Frau und vier Kindern wohnt, und allen voran sein Wunsch, die neben der Spielerkarriere im Amateur- und Jugendbereich bereits begonnene Trainerlaufbahn mit aller Konsequenz zu forcieren. „Ihm ist wichtig, seine Scheine zu machen“, verrät Ferber, die B- und A-Lizenz sind die nächsten Schritte. Sorgen, der spielende Co-Trainer könnte nur mit halbem Herzen bei der Sache sein, macht sich das Vorstandsmitglied nicht, sondern sieht in ihm einen „absoluten Mentalitäts- und Unterschiedsspieler, der uns als Typ und Spieler sofort weiterhelfen wird“. Tatsächlich galt Mölders in München als Stürmer, der nicht nur einen ausgeprägten Torriecher hat, sondern auch im fortgeschrittenen Alter keinen Weg und keinen Zweikampf scheut. „Ein Fanliebling – einer, der vorangeht“, urteilt Ferber.

Er sei als Spieler nach wie vor „topmotiviert“ und wolle der SG sofort auf dem Platz weiterhelfen, zitierten die Großaspacher in ihrer gestrigen Pressemitteilung den prominenten Zugang, der noch hinzufügt: „Bekanntlich bin ich kein Mann der großen Worte, sondern lasse lieber Taten folgen. Daher gilt es jetzt zusammen anzupacken, in der Vorbereitung hart zu ackern und alles zu geben für das Ziel Klassenerhalt.“ Am kommenden Montag geht es schon los.

Das neue SG-Trainerduo

Hans-Jürgen Boysen In Mannheim am 30. Mai 1957 geboren, ist der SC Neckarstadt viele Jahre die fußballerische Heimat des neuen SG-Trainers. Weitere Stationen des Abwehrspielers sind der VfR Mannheim, der Karlsruher SC, der 1. FC Saarbrücken und der FV Weinheim. Boysen bringt es auf 104 Erst- und 37 Zweitliga-Duelle. Als Spielertrainer startet er beim SV Mörlenbach in seine zweite Karriere, den SV Sandhausen führt er danach in die Regionalliga Süd und zu einem 13:12-Sieg nach Elfmeterschießen im DFB-Pokal-Spiel gegen den VfB Stuttgart. Mit Kickers Offenbach steigt Boysen zweimal in die Zweite Bundesliga auf, in dieser Spielklasse arbeitet er zudem noch für den FSV Frankfurt und den SV Sandhausen.

Sascha Mölders Geboren am 20. März 1985 in Essen, spielt Aspachs neuer Co-Trainer und Stürmer zunächst für mehrere Vereine in seiner Heimat. Seine erste von 103 Erstliga-Partien (18 Tore) bestreitet Mölders am 30. September 2007 für Duisburg. Sein zweiter Klub im Oberhaus ist der FC Augsburg (2011 bis Ende 2015): Er erzielt dessen ersten Erstliga-Treffer überhaupt. Anfang 2016 zieht der Angreifer zu 1860 München weiter, dort wird er zum Publikumsliebling und „Kultstürmer“. Vor allem wegen seiner Art und seiner Tore und weil er den Löwen nach dem Zwangsabstieg aus der Zweiten Bundesliga auch in der Regionalliga treu bleibt. Mölders sorgt mit seinen Buden in den Relegationsspielen 2018 gegen Saarbrücken für den Drittliga-Aufstieg. Weitere Bilanzen: 82 Zweitliga-Spiele (25 Tore), 126 Drittliga-Partien (50) und 91 Regionalliga-Duelle (68).