Seit 2024 stehen die Lifte in Jungholz still. Die Pleite kam mit dem Klimawandel. Benachbarte Bahnenbetreiber suchen ihr Heil verstärkt im Geschäft mit E-Bike-Fahrern.
Allzu oft standen die betagten sieben Lifte in Jungholz still.
Von Rüdiger Bäßler
Eine Fahrt von Stuttgart nach Jungholz, das lässt sich an guten Tagen in rund zwei Stunden bewältigen. Damit gehörte die Tiroler Enklave im bayerischen Allgäu, zwischen Reutte, Füssen und Oberstdorf gelegen, zu den noch erreichbaren Tageszielen vieler Skifahrer. Vor allem solchen mit Kindern, denn die Hänge oberhalb des 300-Einwohner-Orts verliefen sanft und die Lifttickets waren vergleichsweise günstig. Vorbei – seit Juni 2024 ist die Liftgesellschaft im Eigentum der Gemeinde zahlungsunfähig. Der zuletzt aufgerufene Kaufpreis betrug 1,7 Millionen Euro.
Das Aus hatte vor allem mit der schwachen Anzahl von Betriebstagen zu tun. Allzu oft standen die betagten sieben Lifte, die rund zehn Kilometer Piste abdecken und bis auf eine Maximalhöhe von 1500 Metern führen, wegen Schneemangels still. Lifte, Pistenraupen, Grundstücksparzellen stehen seit der vergangenen Saison zum Kauf. Regie führt jetzt ein Insolvenzverwalter aus Telfs.
Schneedecke schmilzt
Der Ort Jungholz könnte ein Menetekel für andere Alpen-Skiorte in Mittellagen sein. Laut einer im vergangenen Jahr publizierten Studie der Universität Bayreuth unter Leitung der Forscherin Monika Mitterwallner wird es bis Ende des Jahrhunderts weltweit in jedem achten Skigebiet keine natürliche Schneedecke mehr geben. Die europäischen Alpen treffe es besonders hart, so die Prognose – mit einem Rückgang an Tagen mit geschlossener Schneedecke von 42 Prozent. Besonders betroffen seien niedrig gelegene Gebiete am Rand der Alpen. Der Skitourismus werde folglich wohl in höhere Lagen drücken, mit Folgen für die hochalpinen Ökosysteme.
Eine ähnliche Studie der Universität Grenoble von 2023 klingt noch pessimistischer. Selbst wenn die Temperaturerhöhung tatsächlich noch auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden könne, so die Forscher, wäre etwa ein Drittel der europäischen Skigebiete ernsthaft bedroht. Durch Einsatz von Schneekanonen ließe sich das Pleite-Risiko auf 14 bis 26 Prozent reduzieren, doch der Preis sei ein erhöhter Bedarf an Wasser und Energie, was die Klimaproblematik weiter verschärfe.
Jungholz ist längst nicht der Anfang. Im französischen Alpen-Skigebiet Céüze läuft derzeit der Abbau von jahrelang ungenutzten Liften, im Südtiroler Skigebiet Vigiljoch bei Lana, Maximalhöhe 1800 Meter, sehen die Bahnbetreiber nach mehreren Medienberichten nur noch eine Zukunft als Wandergebiet.
In Nachbarschaft zu Jungholz liegt Bad Hindelang mit seinem Skigebiet Oberjoch. Dessen Bahnen sind wiederum Teil des Ticket-Verbundes Oberstdorf-Kleinwalsertal-Bergbahnen. Eine Sprecherin versichert, keine der Verbund-Bahnen sei in Schwierigkeiten, es werde weiterhin stark in Schneekanonen und Liftanlagen investiert. Parallel wachse das Sommerangebot für Familien. Am Nebelhorn etwa sei das Geschäft „im Sommer schon stärker als im Winter“, weitere Mountainbike-Strecken seien denkbar.
Rettung missglückt
Jungholz auch zum Sommerausflugsort machen, das wollte die Unternehmensgruppe WMM AG aus dem bayerischen Mindelheim. Sie bot im vergangenen Jahr für die Tiroler Piste, überwies 1,7 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter, legte einen Investitionsplan vor, der unter anderem vorsah, im Sommer Familien mit Fahrrädern auf den Berg zu schaffen. Aber dann verweigerte in letzter Minute eine Gruppe von Jungholzer Grundstücksbesitzern die Unterschriften unter einen Nutzungs- und Wegerechtsvertrag. „Grundsätzlich“ sei Jungholz überlebensfähig, „wenn man es schafft, solche Betriebe in Ganzjahresbetriebe umzuwandeln“, sagt rückblickend der WMM-Geschäftsführer Matthias Marquardt. Inzwischen hat er sich seine Kaufsumme wieder zurücküberweisen lassen.
„Endgültiges Aus für Tiroler Skigebiet“ vermeldete nach dem geplatzten Deal der Österreichische Rundfunk, eine Versteigerung von Inventar stehe an. Aber so weit ist es doch noch nicht. Wie unsere Zeitung aus Gläubigerkreisen erfuhr, tauchte ein weiterer österreichischer Investor auf, der allerdings deutlich weniger zahlen will. Die Unterschriften unter einen neuen Vertrag sollen dicht bevorstehen. Die Jungholzer Bürgermeisterin Karina Konrad will sich dazu auf Anfrage nicht äußern. Sie hoffe weiter auf den Fortbestand des örtlichen Skigebiets, sagt sie lediglich.
Sollte der Skihang doch noch im Gesamten verkauft werden können, werde es möglicherweise knapp mit der Rettung der jetzt anstehenden Saison. Das sagt Klaus Schaller, Regionalverantwortlicher für den KSV 1870 Innsbruck, einen unabhängigen österreichischen Gläubigerschutzverband mit rund 34 000 Mitgliedern. Der Verband, für den es in Deutschland kein Pendant gibt, vertritt in Pleitefällen Banken, Lieferanten, Grundstücksbesitzer, ist aktuell beispielsweise auch in die Benko-Großpleite involviert. Schaller ist tief drin im Jungholzer Verfahren. Nach einem Vertragsschluss müsse erst der Gläubigerausschuss tagen, dann ein Gericht zustimmen, das dauere, so Schaller.
Er glaubt nicht, dass Jungholz die letzte Skigebiets-Pleite sein wird, mit der er sich zu befassen hat. „Wenn ich da in den österreichischen Osten schaue…“, sagt er. Womöglich löse das E-Bike mehr und mehr die Carvingbretter ab. „Mit dem E-Bike kann man überall hoch. Das hat’s bis vor zehn Jahren so nicht gegeben.“ Das sei dann nicht die Rettung für passionierte Skifahrer, aber für manchen Hüttenwirt.