SPD-Urgestein Giselher Gruber gestorben

Murrhardter Politiker und Pädagoge wurde 80 Jahre alt – Ehemaliger Landtagsabgeordneter war auf vielen Ebenen engagiert

Es ist erst ein paar Tage her, dass der Tod Erhard Epplers bekannt wurde. Nun ist auch Giselher Gruber gestorben. Beide SPD-Politiker kannten sich und haben sich auch über Themen wie Umweltpolitik ausgetauscht, die in der Partei vor vielen Jahren noch nicht selbstverständlich diskutiert worden sind. Giselher Gruber wurde 80 Jahre alt.

SPD-Urgestein Giselher Gruber gestorben

Das Bild zeigt Giselher Gruber wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, den er im Kreis von Familie und Freunden im Februar dieses Jahres in Murrhardt feiern konnte. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Vor seinem 75. Geburtstag stellte er noch fest, dass ihn die anfängliche Unentschlossenheit der Großen Koalition aufgeregt habe – müsste doch klar gewesen sein, dass es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse keine Alternative gegeben hätte. Die Einschätzung spiegelte ganz gut seine Grundhaltung wider: Dinge anpacken, von denen man überzeugt ist – auch wenn Giselher Gruber natürlich um den oft weiten Weg von einem Be- oder einer Erkenntnis bis zur Umsetzung wusste, was mit Blick auf die Energiewende für ihn schon damals deutlich wurde.

Noch in diesem Februar hat Giselher Gruber seinen 80. Geburtstag im Kreis seiner Liebsten in Murrhardt gefeiert. Die Walterichstadt war Lebensmittel- sowie Ausgangspunkt für sein vielseitiges Engagement, das später auch weit darüber hinaus reichte. Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete, Kreisrat und Pädagoge erblickte am 11. Februar 1939 in Berlin das Licht der Welt – seine Mutter Thea war Berlinerin, sein Vater Walter stammte aus Murrhardts Nachbarstadt Welzheim. Aufgewachsen ist Gruber in Belgrad, wo sein Vater zu dieser Zeit als Journalist und Vertreter der deutschen Nachrichtenagentur tätig war. Im Kindergarten lernte er auch Serbisch, was sich später wieder verflüchtigte, nicht so aber der weltoffene Blick und das Interesse, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen. Nach der Rückkehr der Familie 1944 nach Welzheim zog sie später nach Stuttgart-Vaihingen um. Für Giselher Gruber ging es nach dem Abitur an einem Internat in Künzelsau an die Pädagogische Hochschule Stuttgart.

Schon damals wurde klar, wie breit und vielseitig er aufgestellt war. Argumentation und Rhetorik gewannen allmählich an Bedeutung, genauso hatten Sport – Gruber war bei den Stuttgarter Kickers aktiv – und Musik einen festen Platz in seinem Leben. Auch berichtete Gruber von Fußballspielen für die Stuttgarter Zeitung, um sich etwas dazuzuverdienen. Weil er Klavier spielen und vom Blatt singen konnte, wurde er vom Gustav-Wirsching-Chor seines Instituts zu einer Studienfahrt eingeladen, auf der er seine künftige Frau Gudrun kennenlernte.

Das junge Lehrerehepaar verschlug es 1961 mit der ersten Anstellung aufs Land. Sie zogen ins Schulhaus nach Murrhardt-Steinberg, wo Gudrun Gruber den Unterricht für Klasse 1 bis 8 bestritt und ihr Mann in der Walterichschule anfing. Neben dem eigenen großen Familienprojekt – nacheinander wurden Gislind, Gernot, Gunhilt und Gunter geboren – begann Giselher Gruber, sich in Murrhardt und im Kreis (damals noch Altkreis Backnang) zu engagieren. 1962 übernahm er das Amt des DRK-Kreisjugendleiters, nach dem Parteieintritt 1963 ein Jahr später den Vorsitz des SPD-Ortsvereins, 1969 wurde er SPD-Kreisvorsitzender. 1972 trat Giselher Gruber bei der Landtagswahl an, erhielt 38,8 Prozent und zog ins Parlament ein. Dies war auch beruflich eine intensive Zeit für ihn. Nach einem Aufbaustudium wechselte er erst nach Sulzbach an der Murr, dann nach Backnang an die Schickardt-Realschule, an der er Konrektor und 1978 Rektor wurde.

Das Arbeitspensum nahm zu und der Alltag, mittlerweile im Eigenheim in Murrhardt, wurde stressiger – vom Unterricht in Backnang ging es mit dem Zug nach Stuttgart in den Landtag. Seine Frau, die nach einer längeren Pause wieder in der Murrhardter Hörschbachschule unterrichtete, schmiss den Haushalt mit vier Kindern und erledigte sozusagen nebenbei das, was man als Sekretärsjob für einen Landtagsabgeordneten bezeichnen könnte. Insofern intervenierte sie auch, als Giselher Gruber die Chance bekam, sich für den Bundestag aufstellen zu lassen. Zu sehr hätte die Familie darunter gelitten. Aber auch wenn es zum zweiten Einzug in den Landtag 1976 nicht gereicht hat – mit 33,8 Prozent lag Giselher Gruber über dem Landesschnitt seiner Partei, aber der Wahlkreis hatte sich verkleinert –, gab es unzählige Projekte, die er anstoßen, aufbauen und weiterführen konnte. Beispielhaft genannt seien hier sein Amt als Sportkreisvorsitzender (1978 bis 1993), die Partnerschaftsarbeit Murrhardts mit dem französischen Château-Gontier als Organisator und Übersetzer bei vielen Treffen, die Jugendarbeit als Mitbegründer des Clubs Junges Europa (CJE) und des Murrhardter Stadtjugendrings oder Fahrten nach Frankreich und Polen sowie sein Engagement bei der Arbeiterwohlfahrt und beim TV Murrhardt unter anderem als Leiter der Volleyballabteilung. Für dieses vielseitige Wirken erhielt Giselher Gruber 1995 das Bundesverdienstkreuz. Es war auch das Jahr, in dem Giselher Gruber aufgrund seiner Erkrankung an Multipler Sklerose aus dem Schuldienst und seinen Ehrenämtern ausscheiden musste. Lange noch konnte er das gesellschaftliche und (welt-)politische Geschehen wie eh und je verfolgen. Seine Frau hat mit Unterstützung von ambulantem Pflegedienst, der Awo und nicht zuletzt von Familie sowie den Kindern Gislind, Gunhilt, Gunter und Gernot, der als Landtagsabgeordneter bekanntlich in die Fußstapfen des Vaters trat, Giselher Gruber bis zu seinem Tod zu Hause begleitet und gepflegt.