Am 28. Mai versteigert Christie’s in Paris die Kunstsammlung des früheren Daimler-Lenkers Edzard Reuter. Was erwartet Christie’s-Vorstand Dirk Boll von der Auktion?
Christie’s-Vorstand Dirk Boll
Von Nikolai B. Forstbauer
Am 28. Mai blickt die Kunstwelt nach Paris: Das Auktionsunternehmen Christie’s versteigert die Sammlung von Helga und Edzard Reuter. Bis zu fünf Millionen Euro Erlös werden erwartet und kämen der Helga und Edzard Reuter-Stiftung zugute. Was ist das Besondere an der Sammlung? Wir haben nachgefragt – bei Experten und bei Menschen, die das Ehepaar Reuter in seiner Kunstbegeisterung erlebt haben. Besonders gespannt sind Dirk Boll, Vorstand des weltweit agierenden Auktionsunternehmens Christie’s, und Eva Susanne Schweizer, Repräsentantin von Christie’s in Stuttgart.
Herr Boll, was macht die Sammlung Reuter zu einer besonderen?
Die Konsistenz des Geschmacks – von Architektur zu Bildender Kunst. Die präzise Auswahl und die Zahl der Werke. Manche sind heute gefragter und entsprechend höherpreisig, aber alle haben ein überzeugendes Qualitätsniveau. Ein überaus konsequent agierendes Sammlerpaar.
Interessant ist ja, dass die Werke der Konkreten Kunst und der Op Art das Sammlerpaar im eigenen Wohnhaus ganz und gar unprätentiös umgaben. Hat Sie diese fast überdichte Hängung überrascht?
In der Tat, hier wurde nicht „heilig“ präsentiert, die Reuters haben mit ihren Werken zusammengelebt und über die Jahre auch „nachverdichtet“. Die Bandbreite der Reaktionen reicht vom Respekt für den visionären Unternehmenslenker, der sich im Auktionswege vielleicht durch ein Erinnerungsstück manifestieren könnte, bis hin zur Begeisterung für die Qualität der Sammlung, die das Ehepaar zusammengetragen hat.
Warum gehen Sie mit der Auktion nach Paris?
Die Hauptwerke sind in Paris sehr gefragt – Yves Klein, aber auch Fontana und Castellani sowie Uecker –, und überhaupt ist die kontinentaleuropäische Nachkriegskunst dort gerade angesagt. Auch ein Grund, warum wir unser spezialisiertes Format „Thinking Italian“ nach Paris verlegt haben.
Wie wichtig sind für das Comeback einer ganzen Kunstrichtung solch persönlichen Geschichten, wie sie die Sammlung Reuter erzählt?
Sie zeigen eine pan-europäische, intellektuelle Rezeptionsgeschichte. Dies ist kein junger „Studio-Hype“, sondern illustriert die Kulturgeschichte unserer Gesellschaften.
Frau Schweizer, in Stuttgart hatten Sie einige Werke vorab bei Kampe 54 präsentiert. Gab es dort bereits Gebote?
Herrlicherweise ja, und große Neugier auf die anderen Werke der Sammlung. Zudem ist die Versteigerung der Sammlung Edzard und Helga Reuter in den vergangenen Wochen auf großes Interesse gestoßen und hat vor allem in Deutschland ein erstaunliches Presseecho gefunden.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die Bandbreite reicht vom Respekt für den visionären Unternehmenslenker, der sich im Auktionswege vielleicht durch ein Erinnerungsstück manifestieren könnte, bis hin zur Begeisterung für die Qualität der Sammlung, die das Ehepaar zusammengetragen hat.
Und bis wann kann man vor der Auktion bieten?
Am 28. Mai findet die Auktion statt – und bis zu diesem Tag kann man bieten. Um 14 Uhr geht es los.
Herr Boll, mit Auktionen sind immer Hoffnungen verbunden. Wie ist Ihr Gefühl?
Wir hoffen auf spannende Bietgefechte, auch wenn es womöglich ein paar günstige Gelegenheiten geben wird. Auf alle Fälle ist Stuttgart „back on the European art map“!
Stifter und Kenner
Die Stiftung Die Helga und Edzard Reuter-Stiftung würdigt seit ihrer Gründung 1995 Menschen und Projekte, die sich auf herausragende Weise um die Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller oder religiöser Herkunft verdient gemacht haben. In den ersten Jahren nach der Gründung wurden einzelne Vorhaben (in Niedersachsen und Brandenburg) gefördert, die auf deutsch-türkische Geschichte und Zusammenarbeit zielten. Von 2001 an wurden regelmäßig Jahrespreise an Personen und/oder Institutionen vergeben. Im Mittelpunkt der Auswahl der Preisträger stehen jeweils deren Engagement in der Förderung von Integration oder herausragende wissenschaftliche Leistungen auf diesem Gebiet. Seit 2023 ist Susanne Eisenmann, frühere baden-württembergische Kultusministerin, Vorsitzende des Vorstands der Reuter-Stiftung.
Die KennerHelga und Edzard Reuter interessierten sich früh für Kunst. Ausgehend von der Klassischen Moderne entdeckten die Avantgarde der 1960er Jahre für sich. Tendenzen wie der Minimalismus und die mit Lichtphänomenen spielende Op Art weckten bald besonderes Interesse. Ein bevorzugter Ansprechpartner für das Sammlerpaar war der Düsseldorfer Galerist Hubertus Schoeller. Die wachsende Sammlung verrät mehr und mehr das besondere Interesse von Helga und Edzard Reuter für eine Verbindung von Präzision und Poesie wie man sie etwa in den Arbeiten von Francois Morellet findet.