Die Opposition wirft Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor, bei den Personalzahlen der Polizei zu tricksen – wieder einmal.
Bald selbst auf Streife? Innenminister Thomas Strobl (Mitte) mit Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (li.) und Polizeipräsident Markus Eisenbraun während der Europameisterschaft 2024 in der mobilen Polizeiwache.
Von Franz Feyder
Auf dem ersten Blick sieht es auf dem Papier toll aus für die Polizei in der Landeshauptstadt: 132,5 Beamtinnen und Beamte sind für das Revier 2 in der Wolframstraße vorgesehen. 147 Polizisten sind der Dienststelle zugeordnet. Und auch bei den anderen Revieren der Landeshauptstadt sieht es nicht anders aus. Mit einer Ausnahme waren nach diesen Zahlen die Polizeireviere der Stadt zum 1. April überbesetzt. Ganz im Sinne von Innenminister Thomas Strobl (CDU), der seit Jahren von der „größten Einstellungsoffensive in der Geschichte der Landespolizei“ schwärmt – und sich selbst als den Motor für mehr Sicherheit sieht und reichlich lobt.
Erst auf den zweiten Blick wird nämlich deutlich, dass es alles andere als rosig bei Stuttgarts Polizei – und der ganzen Polizei im Land – aussieht: Auch wenn mit 147 Polizisten dem zweiten Revier 14,5 Beamten mehr als nötig zugeteilt sind, sind der Dienststelle nur 78,64 Prozent der Beamten zugeteilt, die sie braucht, um an 24 Stunden sieben Tage in der Woche die Arbeit zu tun, für die die Menschen Steuern zahlen.
Rechnet man nämlich Teilzeitarbeit, Elternzeit und all die anderen Möglichkeiten ein, mit denen Polizisten ihre Wochenarbeitszeit von 41 Stunden reduzieren, sind nur 104,2 der 132,5 Dienstposten des Polizeireviers ausgefüllt. Ein Blick auf die sogenannten Dienstgruppen, also die Polizisten, die als erste zur Stelle sind, wenn schnelle Hilfe gebraucht wird, fällt noch dramatischer aus. Für die fünf Dienstgruppen sind 100 Polizistinnen und Polizisten vorgesehen, tatsächlich aber nur 74 – die sogenannten Vollzeitäquivalente – auch wirklich vorhanden. Ein VZÄ ist die Anzahl von Polizisten, die zusammen 41 Stunden Wochenarbeitszeit wirklich leisten. Dafür wird die Arbeitszeit von denen, die tatsächlich da sind und arbeiten zusammengerechnet. Anders ausgedrückt: Es fehlen mindestens 26 Polizisten, die alleine in diesem Revier im Streifenwagen und zu Fuß durch die Straßen patrouillieren oder Unfälle aufnehmen.
Für das Polizeipräsidium Stuttgart „spiegeln sich die aus der Einstellungsoffensive resultierenden personellen Zuwächse bereits heute in einer tendenziell positiven Entwicklung der Personalstärke wider“, heißt es im ministeriellen Sprech. „Desaströs“ heißt es in der Sprache des Stuttgarter FDP-Mannes Friedrich Haag, der regelmäßig in parlamentarischen Fragen wissen will, wie es um die Personallage der Polizei in Stuttgart bestellt ist.
Immer wieder beim Tricksen erwischt
Denn nimmt man die vom Innenminister mitgeteilten Zahlen und rechnet selbst aus, wie die Polizeidienststellen wirklich besetzt sind, ist die Schlussfolgerung nur eine: Jede fünfte Stelle für einen Polizisten ist in Stuttgart nicht besetzt. Mangel auch bei der Kriminalpolizei, bei der zehn Prozent der 469 Haushaltsstellen nicht besetzt sind.
Zumal seit Jahren Politiker und Journalisten Strobl dabei erwischen, wie er bei den Zahlen trickst. Mal wird bei der Stellenberechnung nicht zwischen Brutto und Netto unterschieden – also alle einer Dienststelle zugeordneten Beamte eingerechnet. Auch die, die krankheitsbedingt gar keinen Dienst mehr leisten können oder die – oft für Monate – anderen Dienststellen zugeordnet wurden. Oder – wie im aktuellen Fall – reduziert sich von Oktober 2024 bis jetzt die Anzahl der zugestandenen Haushaltsstellen um etwa zwei Prozent pro Revier und Kripo.
Stuttgarts Polizeiposten schließen?
„Einen weiteren erfolglosen Versuch der Trickserei von Strobl“, sieht Haag in der Auskunft des Ministeriums. Die Leidtragenden der Personallage sind für ihn „nicht nur die Polizisten, die zahlreiche Überstunden machen müssen, sondern auch die Stuttgarterinnen und Stuttgarter. Ihnen stehen im Zweifel weniger Polizisten zur Verfügung als im Haushalt vorgesehen sind. Dieser Zustand hält bereits seit Jahren ohne Besserung an. Ich stelle mir da die Frage: Wann bekommt Baden-Württemberg endlich einen Innenminister, der handelt statt trickst?“
Stuttgarts Polizisten machen sich derweil Gedanken, wie sofort Abhilfe geschafft werden könnte. Sie diskutieren, die kleinen Polizeiposten, mit zwei, drei Beamten besetzte Kleinreviere, zu schließen. „Da kommt kaum noch ein Mensch hin. Die Kollegen könnten stattdessen gut und schnell die Reviere verstärken“, sagen viele unisono.