Das Dilemma der Klima-Debatte

Tausendmal gesagt, tausendmal ist nichts passiert

Der Kampf gegen den Klimawandel beherrscht seit Jahren den öffentlichen, medialen und wissenschaftlichen Diskurs. Doch wie viel Veränderung zum Besseren hat die Dauerpräsenz der Klimakrise wirklich gebracht? Eine Spurensuche.

Tausendmal gesagt, tausendmal ist nichts passiert

Der Präsident der COP 30, Andre Aranha Correa doLago (re.), schaut eher skeptisch auf das vielköpfige und vielstimmige Plenum der Klimakonferenz im brasilianischen Belém.

Von Markus Brauer

Mit den Studien zum Klimawandel ist es wie mit Wahlumfragen: Je mehr Forschungsinstitute es gibt, je aufgeblähter der wissenschaftliche Apparat ist, je mehr staatliche Mittel in den Wissenschaftsbetrieb und die Demoskopie fließen, desto mehr wird an Studien, Analysen, Berichten, Reports und was es sonst noch an wissenschaftlicher Expertise gibt, produziert.

Anders ausgedrückt: Je höher der Input, desto größer der Output!

Was im öffentlichen Diskurs wichtig ist – und was nicht

Bei Themen im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs gibt es – wie überall – ein Ranking der Bedeutsamkeit. Das Aussterben der Eisbären etwa ist – in Gefühlskategorien betrachtet – sehr traurig. Das Aussterben von Insektenarten – die beileibe nicht so niedlich sind wie Eisbären-Babys – aber ist existenzbedrohend. Für sehr viele Spezies - und für uns Menschen.

Beim öffentlich-medialen Diskurs geht es nicht nur um Logik, Rationalität und Objektivität, sondern vor allem um Meinungs-, Deutungs- und Präsenzhoheit. Wer am lautesten schreit, wird am ehesten gehört, auch wenn seine Argumente so platt sind wie das Wattenmeer und ihre Umsetzbarkeit so realistisch wie ein Raumflug mit Lichtgeschwindigkeit nach Alapha Cenaturi.

Was im wissenschaftlichen Diskurs zählt

Ähnlich verhält es sich mit dem wissenschaftlichen Diskurs: Je mehr „Experten“ ein Thema beackern, je mehr Studien publiziert werden, je knackiger die Thesen und je existenzbedrohender die Szenarien sind, desto mehr Aufmerksamkeit und Forschungsgelder werden generiert.

Als ob dieser Drift der Ratio im Wissenschaftsbetrieb in Richtung Irritatio nicht schon bedenklich genug wäre, kommt noch ein ideologisches Momentum hinzu: Die Lauten, die Multi-Publizisten, die medial Präsenten werden oft mehr wahrgenommen als jene, die zuverlässig, still und beflissen ihren Job erledigen.

Glaubwürdigkeit bleibt auf der Strecke

Diese Tendenz hin zu überbordender Quantität statt zu ausgewählter Qualität schadet nicht nur der Glaubwürdigkeit der öffentlichen wie wissenschaftlichen Diskurse, sondern gefährdet auch die nachhaltige und zukunftsfähige Auseinandersetzung mit existenziell wichtigen Themen – wie beispielsweise dem Klimawandel.

Ein kontraproduktiver – wenn auch nicht gewollter, so doch faktischer – Effekt der Omnipräsenz diverser Gruppierungen, die sich für die vermeintliche Rettung des Weltklimas in den vergangenen Jahren auf Straßen, Schienen und Flugplätzen, auf Konferenzen, in Parlamenten und Konzernzentralen lautstark in Szene gesetzt und geklebt haben, ist: Viele Menschen, wenn inzwischen nicht schon die Mehrheit, haben buchstäblich die Nase gestrichen voll von Klimaklebern, Fridays-for-Future-Demos, Extinction-Rebellion-Schmiereien auf Kunstwerken, Talkshow-Marathons etc..

Reizüberflutung lähmt Willen zur Veränderung

Die Reizüberflutung mit Weltuntergangsszenarien, die Staus während des Berufsverkehrs und verspäteten Ferienflüge aufgrund von Klimakleber-Aktionen; nicht zuletzt das indoktinierte schlechte Gewissen, dass man als heutiger Erwachsener die Zukunft seiner Kinder und Enkelkinder auf dem Gewissen hat, hat beim Thema Klimawandel bei vielen nicht zu mehr Einsicht und Veränderungswille geführt, sondern – im Gegenteil – zu mehr Überdruss, Lethargie und Fatalismus.

Nach dem Motto: Wenn die globalen Klimaprobleme bereits so gigantisch sind, dass selbst die mächtigsten Staaten daran scheitern, wie soll ich als Einzelner etwas zur Rettung der Erde bewirken?

Hinzu kommt: Rationales und realistisches Abwägen mutiert dann zur Ideologie, wenn eine (kleine) Minderheit der (großen) Mehrheit ihre Theorie- und Handlungskonzepte aufoktroyieren will. Nach dem Motto: Je mehr gegen uns sind, desto radikaler müssen wir werden.

Tausendmal gesagt, tausendmal ist nichts passiert

Erinnern Sie sich an den den Ewigkeits-Kulthit von Klaus Lage „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“ aus dem Jahr 1984? „Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert“. So ähnlich geht es auch vielen Klimaforschern: Tausendmal gesagt, tausendmal ist nichts passiert.

Ein vortreffliches Beispiel dafür, wie die Wissenschaft das längst bekannte und unzählige Male gesagte große Ganze um ein weiteres Detail „bereichert“, ist der neue Bericht „Global Carbon Budget 2025“.

We just published the new Global Carbon Budget, 2025. Access the big paper herehttps://t.co/pDtnSjZEQU And all the resources (figures, data,...) here:https://t.co/yQQHslP6F8pic.twitter.com/rwJuQa2nQ3 — GlobalCarbonProject (@gcarbonproject) November 13, 2025

Die Analyse belegt, wie dutzende, hunderte, wenn nicht tausende Studien vor ihr in den vergangenen Jahren, was viele bereits längst wissen: Das 1,5-Grad-Ziel der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015 ist längst begraben.

1/2 We just published the Global Carbon Budget 2025, with a mix of bad news (CO2 emissions continue to grow) and encouraging news (35 countries saw emissions decline over the past decade while growing their economies). Read the highlights:https://t.co/HwOBZaHnbupic.twitter.com/76PXDi00Pv — Pep Canadell (@pepcanadell) November 13, 2025

1,5 Grad? Als ob es doch noch eine „Chance“ gäbe

Zwar wird von offizieller Seite immer wieder gemahnt, das mit gemeinsamen Anstrengungen noch die Chance bestünde, die Erderwärmung gemäß dem Pariser Klimaabkommen auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Doch inzwischen dürfte wohl jedem vernünftig Denkende bewusst sein, dass die immer hitziger geführten Debatten um eine solche Begrenzung der globalen Erwärmung reinem Wunschdenken entstammen. Ein potemkinsches Dorf. Eine politisierte Sprachfloskel, die dadurch nicht wahrer wird, je öfter man sie im Ton der Verzweiflung und in Szenarien der Apokalypse mantraartig wiederholt.

Kohlendioxid-Emissionen steigen und steigen und steigen . . .

In der Regel thematisieren wissenschaftliche Studien das große Ganze, indem sie sich ein paradigmatisches Detail herauspicken. So auch im Fall des „Global Carbon Budget 2025“.

Spätestens 2030 werden die 1,5 Grad gerissen

Das ernüchternde Fazit der internationalen Forschungsgruppe um Pierre Friedlingstein von der Universität Exeter, die den Bericht im Fachjournal „Earth System Science Data“ publiziert hat, lautet: Wenn die Emissionen sich auf diesem Niveau fortsetzen, wird das verbleibende CO2-Budget, das ein Einhalten des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Übereinkommen ermöglichen soll, noch vor 2030 aufgebraucht sein.

„Angesichts der weiter steigenden CO2-Emissionen ist es nicht mehr realistisch, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten“, warnt Pierre Friedlingstein. Er und sein Team von etwa 100 Forschungseinrichtungen hatten umfangreiches Datenmaterial zusammengetragen und damit in Computermodellen die globale Entwicklung berechnet.

Doch es gibt auch positive Nachrichten

Damit es angesichts dieser düsteren Lage für die Menschheit nicht noch bedrohlicher klingt, stellt der Bericht auch einige positive Trends in den Fokus: „35 Länder konnten ihre Emissionen reduzieren bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum“, konstatiert Co-Autorin Corinne Le Quéré von der britischen University of East Anglia in Norwich mit Blick auf den Zeitraum von 2015 bis 2024. Das seien etwa doppelt so viele Länder wie noch zehn Jahre zuvor.

Zu diesen Ländern gehören demnach zahlreiche europäische Staaten, aber auch Australien, Israel, Neuseeland, Südkorea und Taiwan. Diese Fortschritte seien jedoch nicht groß genug, um angesichts des steigenden Energiebedarfs die globalen Emissionen nachhaltig zu senken, betont Le Quéré.

Abholzung von Wäldern hat sich verringert

Ein weiterer positiver Trend sei, dass sich die Veränderung der Landnutzung, insbesondere die Abholzung von Wäldern, durch umweltpolitische Maßnahmen stark verringert hat, stellt der Bericht fest. „Die Entwaldungsraten im Amazonasgebiet sind zurückgegangen und haben in dieser Saison den niedrigsten Stand seit 2014 erreicht“, erläutert Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine weitere Co-Autorin.

Die verheerenden Brände im Jahr 2024 hätten jedoch gezeigt, wie empfindlich das Ökosystem bleibe, wenn die globale Erwärmung nicht begrenzt werde, mahnt Pongratz.

Mr. Spock und die Sache mit der Logik

„Logik ist der Beginn der Weisheit, nicht ihr Ende“, ist einer der legendären Sprüche von Mr. Spock, dem Vulkanier mit den spitzen Ohren, aus der Science-Fiction-Serie „Star Trek“.

Dieser Aphorismus weist auf ein weiteres generelles Problem im besagten Klima-Diskurs hin: Die wissenschaftlichen Thesen und öffentlichen Argumente hören sich – jeweils für sich genommen – meist logisch und sehr stringent an. Wenn man allerdings die diversen Studien und Debattenbeiträge miteinander vergleicht, stellt man erstaunt fest, dass sie sich eher mehr als weniger widersprechen.

Stirbt der Amazonas oder regeniert er sich?

„Die Entwaldungsraten im Amazonasgebiet sind zurückgegangen und haben in dieser Saison den niedrigsten Stand seit 2014 erreicht“, bestätigt die Co-Autorin des „Global Carbon Budget 2025“, Julia Pongratz. Das bedeutet im Umkehrschluss: Dem Regenwald geht es schon etwas besser.

Dagegen hat der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser erst kürzlich auf der Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém erklärt, dass sich die Zerstörung der Regenwälder immer mehr ihrem Kipppunkt nähere.

Nehme die Entwaldung durch Abholzung noch um einige Prozent zu, verwandle sich der Regenwald in eine Savanne. Kaiser: „Dann kippt das globale Klima. Ohne den Schutz des Amazonas gibt’s keinen Klimaschutz. Das ist eine so simple wie unbequeme wissenschaftliche Wahrheit.“

Was stimmt denn nun? Wahrscheinlich beides – schließlich kommt es beim Diskurs – wie übrigens im richtigen Leben – immer auf die Perspektive an.

CO2-Aufnahmefähigkeit verringert sich

Und noch ein beunruhigende Nachricht hat der „Global Carbon Budget 2025“ Report parat, wobei auch diese News nicht taufrisch ist:

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Noch einmal zurück zum Thema Diskurs: Wenn öffentliche Klima-Debatten nachträglich mit Phrasen wie „Ich hab’ es doch nur gut gemeint“ befeuert werden, droht der diskursive Overkill. Sprich: Die Menschen haben das ganze Thema „Klima“ einfach nur noch satt. Wenn das Ergebnis unabhängig von der Intention schlecht ist, helfen auch alle Schuldzuweisungen, Enttäuschungen und verletzten Gefühle wenig.

Die Sache mit dem Klimawandel

Dabei ist die Sache mit dem Klimawandel eigentlich ganz einfach:

Entweder die Menschheit packt das Problem gemeinsam an und kriegt die Kurve - hin zu gerade noch erträglichen klimatischen Lebensbedingungen auf der Erde.

Oder: Dieser Planet wird ohne die Spezies Homo sapiens – oder zumindest numerisch deutlich weniger Hominide – weitere Jahrmillionen seine einsamen Bahnen durchs Weltall ziehen (mit Agenturmaterial).