Die SPD will eine Deckelung des pflegebedingten Eigenanteils, die Union fürchtet einen ersten Schritt zur Vollversicherung.
Die Pflegekosten explodieren. Was dagegen zu tun ist, bleibt politisch hoch umstritten.
Von Norbert Wallet
Wie lassen sich die immer weiter steigenden Eigenanteile bei den Pflegekosten für Heimbewohner in den Griff bekommen? Diese Debatte lässt die Politik nicht mehr los. Im Interview mit unserer Zeitung hatte der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) eine Deckelung ins Spiel gebracht. Er sagte: „Aktuell sind die Leistungen der Pflegekassen gedeckelt, alles darüber hinaus müssen die Pflegebedürftigen aus eigener Tasche bezahlen. Das muss umgedreht werden. Nicht die Kassenleistungen, sondern der Eigenanteil für die Pflegeversicherung muss gedeckelt werden.“ Die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hatte angekündigt, einen entsprechenden Weg gehen zu wollen. Der Fachausdruck für dieses Vorgehen heißt „Sockel-Spitze-Tausch“.
SPD will Begrenzung auf 1000 Euro
Recherchen unserer Zeitung zeigen nun, dass innerhalb der Regierungskoalition das Thema hoch umstritten ist. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christos Pantazis, sagte, die Deckelung des pflegebedingten Eigenanteils für Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sei „ein richtiger und wichtiger Schritt“. Seine Partei setze sich dafür ein, „den Eigenanteil an pflegebedingten Kosten dauerhaft auf maximal 1000 Euro im Monat zu begrenzen – solange wir am Teilleistungssystem festhalten.“ Dazu brauche es aber „eine tiefgreifende Pflegereform zur Hebung von Effizienzreserven im System auf der Ausgabenseite“ und eine Stärkung der Einnahmen. Pantazis denkt in diesem Zusammenhang an „die Verbeitragung zusätzlicher Einkommen oder durch erste Schritte hin zu einer Pflegebürgerversicherung mit der Einbeziehung von neu Verbeamteten“.
Union warnt vor steigenden Beiträge
Eine solche Deckelung der pflegebedingten Kosten auf 1000 Euro würde übrigens nicht bedeuten, dass damit alle Kosten für die zu Pflegenden erfasst sind. Diese machen nur einen von drei finanziellen Bausteinen aus, die den zu zahlenden Eigenanteil ergeben. Hinzu kommen noch die Kosten für die reine Unterkunft und Verpflegung sowie der Beitrag zu den Investitionskosten. In Baden-Württemberg beispielsweise kommen so im Schnitt für das erste Heimjahr monatliche Kosten von 3725 Euro zusammen. In einzelnen Einrichtungen liegt die Summe noch bedeutend höher.
Die Vorstellung der SPD wird allerdings in der Union keineswegs geteilt. „Den vorgeschlagenen Sockel-Spitze-Tausch sehe ich kritisch“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Simone Borchardt, unserer Zeitung. Ihre Begründung: „Er weitet die Haftung der umlagefinanzierten Pflegeversicherung unbegrenzt aus, treibt Beiträge für Beschäftigte und Arbeitgeber und nimmt den Ländern Verantwortung bei Investitionskosten.“ Zudem setze er falsche Anreize zulasten von Effizienz und schwäche das Prinzip „ambulant vor stationär“.
Borchardt betonte, dass das Ziel der Pflege-Versicherung „nie die Vollkaskoversicherung“ gewesen sei. „Wir sollten daher aufhören, Forderungen für Stimmen aufzustellen, sondern zurück zur Sachpolitik zu kommen“, sagte die CDU-Politikerin.