Ein Film über ein getötetes palästinensisches Mädchen und die Premiere des jüdischen Filmemachers Julian Schnabel politisieren das Filmfest Venedig.
James Wilson (l-r), Joaquin Phoenix, Rooney Mara, Kaouther Ben Hania und Motaz Malhees stehen mit einem Foto des palästinensischen Mädchens Hind Rajab auf dem roten Teppich für den Film «The Voice of Hind Rajab» während der 82. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig.
Von red/dpa
Ein von Brad Pitt und Joaquin Phoenix mitproduziertes Dokudrama über ein getötetes palästinensisches Mädchen im Gazastreifen hat beim Filmfest Venedig Aufsehen erregt. Der Film „The Voice of Hind Rajab“ der tunesischen Regisseurin Kaouther Ben Hania ist Teil des Wettbewerbs, womit der Gaza-Krieg erstmals die ganz große Bühne bei einem A-Festival bekommt. Das Werk feierte am Mittwoch Premiere.
Phoenix und seine Partnerin Rooney Mara, die ebenfalls zu den Produzenten gehört, liefen mit dem Filmteam über den roten Teppich.
Das Dokudrama erzählt die letzten Momente im Leben des palästinensischen Mädchens Hind Rajab im Gazastreifen. Die Fünfjährige starb im Januar 2024 beim Fluchtversuch ihrer Familie aus der Stadt Gaza. Der Film sowie mehrere unabhängige Untersuchungen legen nahe, dass sie und Teile ihrer Familie von israelischen Streitkräften getötet wurden.
Kaouther Ben Hania hat ihrem Film den Hinweis vorangestellt: „Diese Dramatisierung basiert auf wahren Begebenheiten.“ Die Regisseurin kombiniert originale Ton- und Videoaufnahmen mit nachgestellten und dramatisierten Szenen. Das israelische Militär bestreitet, den Angriff durchgeführt zu haben.
Film benutzt echte Telefon- und Video-Mitschnitte
Zentrales Element des Films ist ein nach Angaben der tunesischen Regisseurin echter Telefonmitschnitt. Während das Mädchen im bereits beschossenen Wagen zwischen getöteten Familienmitgliedern festsaß, telefonierte es rund drei Stunden lang mit Freiwilligen des Palästinensischen Roten Halbmonds und flehte um Hilfe.
Die Retter, die sich nach stundenlanger Koordination auf den Weg machten, wurden demnach auf ihrem Weg zu Hind Rajab selbst getötet. Anschließend brach die Verbindung zu Hind ab, die 12 Tage später gemeinsam mit ihrer Familie und den Sanitätern tot geborgen wurde.
Premiere von jüdischem Filmemacher Schnabel ohne Gal Gadot?
Der Gaza-Krieg beeinflusste am Mittwoch das weitere Festival-Geschehen. Nach „The Voice of Hind Rajab“ war die Premiere von „In The Hand of Dante“ geplant - ein historischer Krimi unter der Regie des jüdischen US-Regisseurs Julian Schnabel. Zwei der Darsteller, die Israelin Gal Gadot und der Brite Gerard Butler, sollen vor Start des Festivals von propalästinensischen Aktivisten angefeindet worden sein.
Gadot, die in Israel Wehrdienst leistete, hatte sich nach dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 solidarisch mit den israelischen Opfern erklärt und sich für die Freilassung der israelischen Geiseln ausgesprochen. Auch Butler hatte sich in der Vergangenheit öffentlich zu Israel bekannt. Sie wurden nicht in Venedig erwartet. Ihr Management äußerte sich auf Nachfrage nicht.
Regisseur Schnabel sagte vor der Premiere: „Ich denke, es gibt keinen Grund, Künstler zu boykottieren. Ich habe diese Schauspieler wegen ihrer schauspielerischen Leistung ausgewählt, und sie haben in dem Film Außergewöhnliches geleistet.“ Zu „Hind Rajab“ und der Debatte über den Gaza-Krieg auf dem Festival wollte er sich auf Nachfrage nicht äußern.
Filmemacherin nutzt Pressekonferenz für politischen Appell
Das Filmteam von „The Voice of Hind Rajab“ drückte in Venedig seine Trauer über das Schicksal von Hind Rajab aus und nutzte die Pressekonferenz gleichzeitig für einen politischen Appell. „Genug von diesem Völkermord“, sagte Kaouther Ben Hania. Auch mehrere Schauspieler warfen Israel vor, im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen einen Genozid zu begehen.