Anzeige gegen Rinderbetrieb in Hohenlohe

Tierschutzorganisation kritisiert Anbindehaltung – Molkerei zieht Konsequenzen

Die Anbindehaltung von Kühen ist umstritten – auf vielen Höfen im Südwesten aber gängige Praxis. Einem Landwirt aus dem Hohenlohekreis wird deshalb nun Tierquälerei vorgeworfen.

Tierschutzorganisation kritisiert Anbindehaltung – Molkerei zieht Konsequenzen

Rund eine Million Rinder und Milchkühe werden in Deutschland angekettet. Das spart Platz und Geld. (Symbolbild)

Von Janina Drewes

Kühe sind von Natur aus Herdentiere, die sich gern bewegen und soziale Kontakte pflegen – so erklärt es das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Deshalb wirken Kühe besonders glücklich, wenn sie gemeinsam neben Schmetterlingen und Alpenveilchen auf den grünen Almwiesen der Milchpackungen, Joghurts und Butterpakete grasen. Trifft man die Tiere jedoch abseits der heilen Heidi-Werbewelt – in der Realität – begegnen sie einem oft recht kurz angebunden.

Rund eine Million Rinder und Milchkühe leben in Deutschland in sogenannter Anbindehaltung; das heißt, sie werden im Stall fixiert. Die Tiere stehen auf einem Fleck, unter Stress und können Verhaltensstörungen, Gelenk- oder Klauenkrankheiten entwickeln.

Ermittlungen gegen Hohenloher Milchbetrieb

Die Tierschutzorganisation Aninova hat nun einen Hohenloher Rinderbetrieb, der – wie zehntausende andere deutsche Höfe – ganzjährige Anbindehaltung praktiziert, wegen „Tierquälerei“ angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Heilbronn hat die Ermittlungen aufgenommen, wie sie auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Aninova hat indes die Anschuldigungen öffentlich gemacht, inklusive Aufnahmen der Stallungen aus dem März 2025, die dem Verein zugespielt worden seien. Sie zeigen mehrere festgekettete Kühe auf engem Raum.

„Das ist unfassbar grausam, weil die Tiere ihr Leben lang keine Möglichkeit haben, sich zu bewegen oder miteinander zu interagieren“ , begründet Jan Pfeifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova, das juristische Vorgehen seines Vereins. Zudem habe das zuständige Veterinäramt in Künzelsau „geringe- bis mittelgradige Mängel in der Haltung der Jungrinder sowie zu lange Klauen bei einer Milchkuh festgestellt“.

Die Defizite seien trotz Aufforderung nicht beseitigt worden, sagt Sascha Sprenger, Pressereferent des Hohenlohekreises, bei dem das Künzelsauer Veterinäramt angesiedelt ist. Der Landwirt habe Widerspruch gegen die Amtsauflagen eingelegt, der Entscheid darüber stehe noch aus.

Anbindehaltung ist nicht explizit verboten

Das Problem: Es gibt in solchen Fällen keine verbindlichen Rechtsvorgaben. „Anbindehaltung verstößt nur gegen das Tierschutzgesetz, wenn dem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden“, erläutert Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, Experte für Tierrecht. Unter diesen Umständen könne dem Landwirt eine Geldstrafe bis zu 25 000 Euro drohen.

Allerdings müsse fallabhängig geprüft werden, ob die Haltung „Schmerzen“ oder „Leiden“ auslöst. Der Landwirt könne dies mit tierärztlichen Befunden bestreiten – und darauf verweisen, dass seine Haltungsform gelebter landwirtschaftlicher Praxis entspricht.

Molkerei nimmt vorerst keine Milch vom beschuldigten Landwirt an

Der betroffene Landwirt will sich im Gespräch mit unserer Zeitung zunächst nicht genauer zu den Vorwürfen äußern – aus Angst, ihm wird ein Strick daraus gedreht. Einen Punkt will er dann doch loswerden: „Ich fühle mich verurteilt für etwas, das legal ist – und normal.“ Erst im Mai habe er eine unabhängige Prüfung bestanden; seine Milch werde seit Jahren von der Molkerei Hohenlohe abgeholt, die wisse, wie er seine Tiere halte.

Doch jetzt ziehen die Verantwortlichen dort vorerst Konsequenzen: „Bis zur vollständigen Klärung des Sachverhalts nehmen wir vorsorglich von diesem Betrieb keine Milch mehr an“, teilt eine Sprecherin mit und stellt klar: Zuliefererbetriebe mit derartigen Haltungsformen würden bei ihnen die Ausnahme bilden.

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„Wir beziehen rund 85 Prozent unserer Milch von Betrieben mit der Haltungsstufe 3“ (‚Frischluftzugang’ bis Weidehaltung). Diesen Betrieben zahle die Molkerei „zusätzliche Tierwohlleistungen“. Außerdem lasse sie artgerechte Haltung bei Rewe, Edeka und Co. explizit kennzeichnen – als Marktvorteil. So schaffe sie Anreize für die Höfe, sich von der Anbindehaltung loszusagen.

Jahrzehntelang war die Anbindehaltung die kostengünstigste und damit vorherrschende Haltungsform. Nach zunehmender Verbraucherkritik setzen die Bauernhöfe mittlerweile zwar verstärkt auf Laufställe. In Baden-Württemberg und Bayern hält dennoch rund die Hälfte aller Höfe ihre Tiere in Anbindehaltung.

Verbot der Anbindehaltung war geplant – und wurde gekippt

Üblich sei dies vor allem in kleineren Familienbetrieben mit veralteten Stallungen, wenig Grünflächen oder steilen Hanglagen, berichtet ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Das Ministerium unterstütze diese Höfe bei der Umstellung auf eine kombinierte Anbindehaltung (Auslauf im Sommer und tägliche Bewegungsfenster) fachlich und finanziell.

Derartige Bemühungen reichen der Tierschutzorganisation Aninova, dem Veterinäramt und Tierrechtsanwalt Andreas Ackenheil jedoch nicht: Sie wünschen sich eine rigorose gesetzliche Regelung. Ein Verbot der Anbindehaltung ist auf Bundesebene mehrfach in die Wege geleitet worden – zuletzt von Ampel-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Sein Vorschlag wurde aber von Nachfolger Alois Rainer (CSU) wieder gekippt.

Ein Auslaufmodell

Mit einem strikten Verbot „macht man 30 Prozent unserer Betriebe platt“, hatte Markus Albrecht vom Milchwirtschaftlichen Verein Baden-Württemberg gewarnt. Ein Blick über die deutsche Grenze nach Österreich zeigt hingegen: Dort ist die ganzjährige Anbindehaltung seit fünf Jahren verboten. Ein Hofsterben konnte dem österreichischen Landwirtschaftsministerium zufolge dank verlässlicher Übergangsfristen verhindert werden.

Ob mit oder ohne Gesetz – die Anbindehaltung wird in den nächsten Jahren wohl zum Auslaufmodell. Das Landwirtschaftsministerium schätzt, dass die meisten der betroffenen kleinen Höfe aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben werden. Abgelöst werden sie vermutlich von immer mehr Großkonzernen mit hunderten Kühen in hochmodernen, voll ausgelasteten und somit äußerst effizienten Laufställen.