Trockenheit verdirbt die Pilzsaison

Das Expertenduo Beate Siegel und Manfred Krautter vom Naturparkzentrum Schwäbisch-Fränkischer Wald in Murrhardt machen wegen des Hitzesommers wenig Hoffnung auf größere Sammelerfolge in den heimischen Wäldern.

Trockenheit verdirbt die Pilzsaison

Selbst für Pilzexperten, die wissen, wo sie suchen müssen, ist es dieses Jahr im Schwäbisch-Fränkischen Wald schwer, ein Körbchen mit Pilzen zu füllen. Foto: Andreas Scholz

Von Andreas Scholz

Murrhardt/Rems-Murr. In normalen Jahren ziehen Hobbypilzsammler und -sammlerinnen ab der zweiten Augusthälfte voller Vorfreude in die Limpurger Berge, in den Mainhardter Wald oder in den Murrhardter Wald. Die Wälder im Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald gelten eigentlich als pilzsichere Gegenden. „Im Gegensatz zum Bayerischen Wald, in dem Gneis und Granit auf sauren Böden dominieren, finden wir hier in den heimischen Wäldern unterschiedliche Bodenprofile mit Kalk, Sand oder Ton vor, was sich eigentlich positiv auf die Pilzvielfalt auswirkt“, betont Manfred Krautter. „Wir haben hier im Naturpark herrliche Mischwälder mit Laubbäumen und Nadelbäumen und somit eine schöne Artenvielfalt. Wer weiß, wo welcher Pilz wächst, und sich mit den Baumarten und anderen Zeigerpflanzen auskennt, der wird fündig werden“, wirft Beate Siegel ein.

Eigentlich ist das Naturparkgebieteine Hochburg für Pilzsammler

Doch in diesem Sommer ist es sogar für ausgewiesene Pilzexperten wie Manfred Krautter und Beate Siegel eine große Herausforderung, das Pilzkörbchen bei einem Waldspaziergang zu füllen: Beliebte Speisepilze wie Maronenröhrling, Parasolpilz oder Steinpilz sind in diesen Sommertagen auch in der „Pilzhochburg“ Schwäbisch-Fränkischer Wald absolute Mangelware.

Manfred Krautter aus Plüderhausen und Beate Siegel aus Murrhardt bringen bei Führungen durch die Wälder in den Naturparkgemeinden gerne die heimische Flora und Fauna näher. Als Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie verfügen sie über ein fundiertes Pilzwissen, das sie bei den naturkundlichen Exkursionen gezielt einsetzen können. Doch die „Pilzlaune“ von Manfred Krautter und Beate Siegel ist in diesem Sommer etwas getrübt. „Die Chancen auf Pilze stehen in den nächsten Wochen eher schlecht, da es so trocken ist und die Niederschläge fehlen. Die wenigen Niederschläge dringen nicht in die Tiefe vor, wo das Pilzmyzel ist“, erklärt Krautter. Es werde seiner Meinung nach vermutlich nur an wenigen Stellen in den Niederungen oder in den Talauen ein paar Pilze geben. „Ich sehe im Moment leider schwarz für die geplante Pilzausstellung im Oktober“, sagte er noch vor Kurzem. Jedes Jahr am zweiten Wochenende im Oktober findet in der Schwalbenflughalle in Großerlach-Grab die große Ausstellung „Schwäbische Waldpilze“ statt: Zu sehen sind dann in guten Pilzjahren bis zu 200 verschiedene Sorten, die im Schwäbisch-Fränkischen Wald vorkommen.

Mit Blick auf die große Schau ziehen Manfred Krautter und Beate Siegel sowie weitere Mitglieder des Organisationsteams normalerweise kurz vor Ausstellungsbeginn noch einmal mit dem Weidenkörbchen los, um die „frischen“ Exponate aufzutreiben. Doch die Hoffnung darauf muss einige Zeit später definitiv begraben werden. Und angesichts der teils auch über 200 verschiedenen Pilzarten mancher Jahre sagt Manfred Krautter nach dem Entschluss, die Ausstellung abzusagen: „Das schürt eine hohe Erwartungshaltung, da wäre eine Pilzausstellung mit nur einer kläglichen Handvoll an Exemplaren insbesondere für unsere Stammgäste eine Enttäuschung gewesen, das wollten wir ihnen und uns nicht antun.“

Beate Siegel ist ebenfalls eher skeptisch, dass es mit der Pilzsaison in den Naturparkgemeinden in den nächsten Wochen noch was wird. „So wie es momentan aussieht, fällt die Pilzsaison 2022 hier ins Wasser, da schon seit Wochen die nötigen Niederschläge fehlen.“ Die Pilzmyzelien als unterirdisch lebende Organismen würden aus Pilzfäden bestehen, die in der Fachsprache als Hyphen bezeichnet werden. „Die Hyphen bilden nur dann Fruchtkörper aus, wenn wichtige Voraussetzungen wie Feuchtigkeit und Temperatur stimmen. Dies ist momentan nicht der Fall, weil es zu heiß und zu trocken ist“, bedauert Siegel.

Im Schwarzwald siehtdie Situation ähnlich schlecht aus

Bei der Pilzsachverständigen schwindet die Hoffnung auf ein gefülltes Weidenkörbchen zusehends. „Wenn wir in den nächsten Tagen mehrere 100 Liter Niederschläge bekommen, dann könnte sich im Oktober noch etwas tun. Aber es sind keine flächendeckenden Niederschläge in Sicht.“ Beate Siegel ist erst vor Kurzem vom Schwarzwaldurlaub zurückgekehrt: Die Pilzsituation dort sei ebenfalls wenig erbaulich, berichtet sie. Ganz leer gehen Beate Siegel und Manfred Krautter in diesem Jahr aber trotzdem nicht aus. Manfred Krautter hat bereits im Januar 2022 die ersten Speisepilze gesammelt. „Viele kennen das Judasohr nicht, das im Frühjahr seine Hochsaison hat. Das Judasohr ist ein schmackhafter Pilz.“ Beate Siegel hat die feuchte Witterung im Frühjahr ebenfalls ausgenutzt. „Da habe ich einige Speisemorcheln sammeln können.“ Später im Frühling sind dann einige Mairitterlinge in ihrem Körbchen gelandet.

Die Pilzausstellung ist abgesagt, aber Krimiautor Peter Wark sorgt für eine mörderische Alternative

Bekömmliche Lieblingspilze Die Naturpädagogin Beate Siegel zieht mit Exkursionsgruppen regelmäßig in den Murrhardter Wald. Ihre Begeisterung für die heimische Pilzwelt springt rasch auf die Teilnehmer über. „Allein die Geschmacksrichtungen bei den verschiedenen Speisepilzen sind verblüffend. Es gibt Arten, die nach Krabben riechen, andere duften nach Geranien oder Kokosflocken“, schwärmt sie. Im Frühjahr ist der Mairitterling der Favorit der Pilzsachverständigen. Im Sommer freut sie sich vor allem über den Sommersteinpilz im Körbchen. „Im Herbst suche ich die Herbsttrompete oder den Semmelstoppelpilz. Auch der Edelreizker schmeckt in der Pfanne scharf angebraten wirklich hervorragend.“ Manfred Krautter steht dagegen auf den Flockenstieligen Hexenröhrling. „Er gehört zu den Steinpilzartigen. Er sieht etwas giftig aus, da er rötlich überhaucht ist und sein zitronengelbes Fleisch beim Abschneiden und beim Durchschneiden schnell dunkelblau bis schwarz wird. Da meinen die Leute oft, dass der doch giftig sein muss“, scherzt Manfred Krautter. Das Fleisch des Flockenstieligen Hexenröhrlings bleibe beim Braten aber schön knackig. „Außerdem geht die dunkle Verfärbung wieder etwas zurück.“

Mörderische Alternative Nun ist es, wie die beiden Fachleute befürchtet hatten: Die große Pilzausstellung in der Graber Schwalbenflughalle muss aufgrund des Pilzmangels infolge des trockenen Sommers abgesagt werden. Stattdessen lädt die Gemeinde im Schulterschluss mit den Pilzexperten zu einer besonderen Abendveranstaltung ein, bei der Pilze dann doch eine Rolle spielen: Anlässlich seines Besuchs der Pilzausstellung vor zwei Jahren entstand die Idee, dass der Krimiautor Peter Wark exklusiv für das jährliche Event eine „mörderische“ Kurzgeschichte verfassen könnte, in der ein tödlicher Pilz eine wesentliche Rolle spielt. Diesen Kurzkrimi wird er am Samstag, 8. Oktober, 19.30 Uhr nun in passend dekorierter Atmosphäre in der Schwalbenflughalle zum Besten geben. Im Anschluss sorgt das Duo Hearts&Bones mit Barbara Gräsle und Biggi Binder für einen musikalischen und gewiss völlig bedenkenlos genießbaren Leckerbissen. Der Einlass mit Abendkasse startet um 18.30 Uhr. Tickets am Abend kosten 24 Euro. Im Vorverkauf gibt es sie für 20 Euro ab sofort übers Großerlacher Rathaus, Stuttgarter Straße 18 (bitte Öffnungszeiten beachten), E-Mail rathaus@grosserlach.de, Telefon 07903/91540.