Der Ablauf des Treffens in Den Haag ist exakt auf den US-Präsidenten zugeschnitten. Dort soll die Erhöhung der Verteidigungsausgaben des Bündnisses auf fünf Prozent beschlossen werden.
Der Nato-Gipfel in Den Haag soll ganz nach dem Geschmack von Donald Trump verlaufen: sehr kurz und mit einem Erfolg für den US-Präsidenten.
Von Knut Krohn
Die Welt lernt, mit Donald Trump umzugehen. Der US-Präsidenten ist noch kein halbes Jahr im Amt und es wird nicht mehr sofort jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt. Das Stakkato aus Washington wird inzwischen abwartend beobachtet, zumal die allermeisten Ankündigungen ohne direkte Folgen versanden. Selbst die Gipfel der Staats- und Regierungschefs haben sich seit Trumps Antritt grundlegend verändert. Überraschend deutlich zeigt sich dieser Wandel beim wichtigen Treffen der Nato-Staaten am Mittwoch in Den Haag. Der Gipfel ist passgenau auf den mächtigen Mann aus den USA zugeschnitten – nicht nur, was den Verlauf, sondern auch das erhoffte Ergebnis angeht.
Gerade einmal 2,5 Stunden sind für die direkten Gespräche der Staats- und Regierungschefs am runden Tisch angesetzt. Spötter behaupten, länger könne der 79-Jährige seine Aufmerksamkeit nicht auf ein Thema richten. Damit nicht genug, befriedigt werden soll auch Trumps Manie, sich vor der Welt als Deal-Maker feiern zu lassen. Ein hochrangiger Diplomat verrät, dass den USA als Abschlussdokument im Grunde ein Einzeiler gereicht hätte: „Die Nato vereinbart fünf Prozent!“ So viel sollen die 32-Bündnis-Staaten in Zukunft für ihre Verteidigung ausgeben, gemessen an der jeweiligen Wirtschaftsleistung eines Landes.
Einigung erzielt
Das ist der entscheidende Satz, den Donald Trump zuhause in Washington seinen Anhängern triumphierend präsentieren will. Die Europäer sollen ihren „fairen Anteil“ für den Schutz ihrer eigenen Sicherheit in dieser Welt bezahlen und damit die USA entlasten. Das hatte Trump versprochen und nun liefert er - zusammen mit der Erzählung, dass die Europäer vor seinem harten Durchsetzungswillen eingeknickt sind. Im Nato-Hauptquartier nimmt man das alles zähneknirschend hin und hofft gleichzeitig, dass danach die ständigen Drohungen des Präsidenten, die Nato zu verlassen, vom Tisch sind.
Am Sonntag sickerte nun durch, dass die Einigung über die geplante neue Zielvorgabe erzielt worden sei. Das sei das Ergebnis eines schriftlichen Entscheidungsverfahrens, vermeldete die Deutsche Presse-Agentur. „Werden die fünf Prozent tatsächlich beschlossen, wäre das ein historischer Schritt“, betont ein Nato-Diplomat. Und er scheint mehr als überrascht, dass der Gipfel angesichts dieser folgenreichen Entscheidung ohne dramatische Nachtsitzungen und ohne öffentliches politisches Gezerre über die Bühne gehen soll. Das sei ein Entschluss, betont er, der in den kommenden Jahren tiefgreifenden Einfluss auf die Politik in allen Staaten des Verteidigungsbündnisses haben werde.
Plötzlich macht Spanien Probleme
Allerdings bedeuten fünf Prozent Rüstungsausgaben in diesem Fall nicht, dass tatsächlich fünf Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes für Rüstung ausgegeben werden. Für reine Militärinvestitionen wie Panzer, Flugzeuge oder anderes Gerät sind lediglich 3,5 Prozent vorgesehen, was allerdings fast eine Verdoppelung der bisherigen Vorgaben ist. Die restlichen 1,5 Prozent können für militärisch nutzbare Infrastruktur investiert werden. Lange wurde darüber gestritten, was dazu zählen könnte. Erst auf der Zielgeraden vor dem Gipfel in Den Haag einigten sich die Diplomaten darauf, dass das etwa der Ausbau von strategisch wichtigen Brücken sein kann, die Cyberabwehr eines Landes, Grenz- und Küstenschutz und auch die zivile Resilienz, wie zum Beispiel der Katastrophenschutz.
Konnte Donald Trump mit solchen Rechentricks überzeugt werden, wurde kurz vor dem Ende plötzlich ein anderer Nato-Partner zum Problem. Das klamme und von innenpolitischen Krisen geschüttelte Spanien erklärte sich zwar bereit, die Rüstungsausgaben zu erhöhen, wollte sich aber nicht auf Prozentzahlen festlegen lassen. Die Lücke ist gewaltig, denn Spanien hat bereits allergrößte Mühe bei der Finanzierung des bereits vor vielen Jahren vorgegebenen Zwei-Prozent-Ziels. Im Brüsseler Hauptquartier ging die Angst um, dass Madrid am Mittwoch in Den Haag nicht zustimmen und somit die gesamte „historische Einigung“ platzen lassen könnte.
Das Scheitern des Gipfels wäre ein Desaster
Aber auch in diesem Fall haben die Nato-Diplomaten in Windeseile mögliche Lösungen ersonnen. Madrid hat offenbar dem Angebot zugestimmt, den Zeitraum zu strecken, in dem die Allianz die neuen Ausgabenziele erreichen soll. Inzwischen ist nicht mehr von sieben, sondern von zehn Jahren die Rede. Unterstützt wird das auch von Nato-Staaten wie Italien und Großbritannien, die die geplante Erhöhung ebenfalls vor massive Finanzierungsprobleme stellt. Außerdem sollen im Jahr 2029 die nun vorgegebenen Ziele noch einmal überprüft werden. Das heißt: entspannt sich die Sicherheitslage, können die Militärausgaben wieder zurückgeschraubt werden. Allerdings könnte auch das Gegenteil der Fall sein.
Bei Gesprächen im Nato-Hauptquartier wird deutlich, dass alles andere als eine Einigung auf das Fünf-Prozent-Ziel eine Katastrophe wäre. Auch aus diesem Grund wird bei dem Treffen im Grunde nur über dieses eine Thema verhandelt werden. Weltpolitische Krisen wie der Abwehrkampf der Ukraine oder die drohende Eskalation der Kriege im Nahen und Mittleren Osten werden natürlich besprochen, allerdings allenfalls am Rande. Die Nato wolle bei diesem Gipfel „Einigkeit und Entschlossenheit“ beweisen, betont ein an den Vorbereitungen beteiligter Diplomat. Er geht fest davon aus, dass das dem Bündnis gelingen wird.