TSG baut auf Marinic und Schieber

Torjäger Mario Marinic steigt beim Fußball-Oberligisten TSG Backnang in der neuen Saison zum spielenden Chefcoach auf und wird an der Seitenlinie von Julian Schieber unterstützt. Bundesliga-Angreifer beendet Profikarriere und kehrt ins Murrtal zurück.

TSG baut auf Marinic und Schieber

Bundesliga-Stürmer Julian Schieber (rechts) kehrt in die Heimat zurück und wird Co-Trainer bei der TSG Backnang. Ab dem Sommer zieht er beim Etzwiesenklub mit dem neuen Chefcoach Mario Marinic (links) und dem sportlichen Leiter Marc Erdmann an einem Strang. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

So etwas nennt man einen echten Coup. Die Rede ist nicht davon, dass sich Fußball-Oberligist TSG Backnang bei der Suche nach einem Nachfolger für Trainer Holger Ludwig dafür entschieden hat, ab dem Sommer auf Torjäger Mario Marinic als Spielertrainer zu bauen. Die Überraschung ist die Besetzung des Co-Trainer-Postens mit Julian Schieber. Der Stürmer mit der Erfahrung von 167 Bundesliga- und 18 Champions-League-Spielen macht Schluss mit Profifußball, kehrt in die Heimat zurück und steht dem neuen Chefcoach künftig gemeinsam mit Isaak Avramidis zur Seite. Wie Mario Marinic hat der Oberliga-Zwölfte auch Julian Schieber mit einem Kontrakt ausgestattet, der bis zum 30. Juni 2024 läuft.

„Ich habe gemerkt, dass es nicht mehr möglich ist, konstant das Leistungsniveau zu halten. Deshalb hatte ich immer wieder gesundheitliche Rückschläge. Ich habe deshalb die Entscheidung getroffen, dass es für mich und meinen Körper besser ist, den Schlussstrich zu ziehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen“, erklärt der 1,86 Meter große Angreifer, der bis zum 30. Juni noch beim FC Augsburg unter Vertrag steht, warum er seine sportliche Zukunft im Murrtal sieht. Dort, wo vor rund einem Vierteljahrhundert beim SV Unterweissach alles angefangen hat. „Ich hatte fünf teilweise schwere Operationen und vertraue meinem Körper einfach nicht mehr“, erzählt Schieber und sagt, dass die Entscheidung wohldurchdacht ist, denn „ich hatte viel Zeit, um mir zu überlegen, was ist der nächste Schritt“. Ergebnis der Gedanken ist, dass der 32-Jährige das Spielertrikot aus- und den Trainingsanzug anzieht.

Deshalb ist zunächst einmal auch nicht geplant, dass Julian Schieber beim Etzwiesenverein ein spielender Co-Trainer wird. Seine Aufgaben sind das Coaching und die gemeinsame Trainingsarbeit. Schließlich wird Mario Marinic in Backnang wohl weiterhin auf dem Platz als Torjäger gebraucht. Dafür muss Backnangs treffsicherer Routinier während des Spiels und bei den Übungseinheiten den Rücken frei haben. „Beide werden sich als absolute Teamplayer ergänzen und gegenseitig unterstützen“, ist sich Vorstandsmitglied Marc Erdmann sicher.

Der neue Chefcoach sieht es ähnlich. „Julian und ich haben bereits einige Male miteinander telefoniert oder uns über Online-Meetings unterhalten und dabei schnell gemerkt, dass es passt“, erzählt Marinic. Der 36-Jährige weiß, dass auf ihn künftig noch mehr Verantwortung als bislang zukommt. Zwar war er bislang für die Etzwiesenelf deutlich mehr als nur der Torjäger, war schon lange ein verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Egal ob der Trainer Markus Lang, Beniamino Molinari, Andreas Lechner, Laki Sbonias oder wie jetzt gerade Holger Ludwig hieß. Der in Waiblingen lebende Stürmer ist gleichzeitig aber auch neben dem Feld einer der Anführer des Oberliga-Teams. Künftig zählen zudem Trainingsgestaltung, Taktikvorgaben und Aufstellung zu seinem Zuständigkeitsbereich. Ziemlich viele Anforderungen für einen, der als Trainer Neuland betritt. Das weiß der Routinier, hat davor aber keinen Bammel: „Ich wollte hier immer mal Cheftrainer werden, nun geht es eben etwas schneller als gedacht.“ Wobei Mario Marinic bekennt: „Ich habe allerdings auch klipp und klar gesagt, dass ich einen starken Mann draußen auf der Bank brauche, wenn ich auf dem Platz stehe. Mit Julian Schieber und auch mit Isaak Avramidis ist das sicher gegeben.“

Marc Erdmann ist optimistisch, dass dem Angreifer, der im Sommer in seine zehnte Saison bei der TSG geht, der Spagat zwischen Spieler und Coach in dieser Trainerkonstellation gelingt: „Für uns war es der einzig logische Schritt, Mario zum Cheftrainer zu ernennen. Er hat nicht nur auf dem Platz herausragende Fähigkeiten.“ Deshalb, so der sportliche Leiter des Etzwiesenklubs, „hat sich der Verein bewusst dafür entschieden, nicht die Katze im Sack zu kaufen“, sondern auf eine interne Lösung zu setzen. Dass es der TSG zudem gelungen ist, dem mittlerweile im Status einer Vereinsikone stehenden Marinic eine Größe wie Julian Schieber als Helfer an die Seite zu stellen, ist gar ein echter Coup.

Julian Schieber jedenfalls freut sich auf seine Rückkehr zum Backnanger Traditionsverein. Bereits als B-Jugendlicher war der vom SVU stammende Offensivmann ein Jahr für die TSG am Ball, ehe es ihn zum VfB Stuttgart weiterzog. Gut 15 Jahre später ist Schluss mit dem Nomadendasein als Profifußballer. Nach fünf Stationen in der deutschen Bundesliga kehrt Schieber zurück in seinen Geburtsort Backnang. Dorthin, wo er ein Haus gebaut hat, in dem er mit seiner Frau sowie seinen drei Kindern schon einige Zeit lebt und von dem aus er momentan unter der Woche mehrmals zum Training nach Augsburg fährt.

Die TSG und auch Mario Marinic sind froh über diese Entscheidung. Der künftige Spielertrainer weiß, „dass ich Verantwortung abgeben und verteilen muss, wenn ich alles unter einen Hut bekommen will“. Gut, wenn einem dann ein Mann mit einem guten Jahrzehnt Erfahrung als Bundesliga- und Champions-League-Stürmer zur Seite steht. Das weiß Marc Erdmann und sagt stolz: „Die Verpflichtung von Julian Schieber ist nicht nur eine Bereicherung für unseren Verein, sondern auch eine Aufwertung der Oberliga. Dies wird der TSG zusätzlich enorme Strahlkraft verleihen.“

Zwei Torjäger als Köpfe eines insgesamt vierköpfigen Trainerteams

Mario Marinic kam im Sommer 2012 vom Verbandsligisten VfB Neckarrems zum damaligen Landesligisten TSG Backnang. Seitdem ist der Stürmer beim Etzwiesenklub ein echter Torgarant. Egal ob in der Landes-, der Verbands- oder in der Oberliga. In bislang 145 Punktspielen für die TSG hat es der 1,71 Meter große Stürmer auf 120 Tore gebracht. Insgesamt traf Mario Marinic in seiner Aktivenzeit in 229 Pflichtspielen für den SV Fellbach, den VfB Neckarrems, die TSG Backnang und drei Regionalliga-Spielen für den VfR Aalen 191-mal ins gegnerische Netz. Zuletzt war der Schwabe mit kroatischen Wurzeln in Backnang Spieler und Co-Trainer. Nun wird er Spielertrainer. Um dafür noch besser gewappnet zu sein, hat er sich bereits im November für die Aufnahmeprüfung zur B-Lizenz registrieren lassen.

Julian Schieber stammt vom SV Unterweissach und kam als A-Jugendlicher über die Zwischenstation TSG Backnang zum VfB Stuttgart. Dort brachte er es zum Bundesliga-Spieler. In der deutschen Eliteliga war er zudem für den 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund, Hertha BSC sowie den FC Augsburg im Einsatz und arbeitete mit Trainern wie Jürgen Klopp, Alexander Zorniger (Co-Trainer bei Markus Babbel), Dieter Hecking, Bruno Labbadia, Jos Luhukay, Pal Dardai und Martin Schmitt zusammen. Aktuell ist der 32-Jährige in Augsburg bei der U 23 im Training am Ball. Spielen darf er dort aber nicht, da die Regionalliga Bayern die Saison unterbrochen hat. Zudem ist Schieber dabei, seinen Trainerschein (Jugend-Elite-Lizenz) zu erlangen. Obwohl der Stürmer von teilweise langwierigen Verletzungen gebremst wurde, brachte er es auf 167 Bundesliga-, 24 DFB-Pokal- und 18 Champions-League-Spiele. Dabei kam er auf 35 Treffer und 18 Vorlagen. Zudem war er siebenmal für die deutsche U 21 im Einsatz und erzielte fünf Tore.

Das Trainerteam der TSG besteht kommende Saison aus vier Personen. Zum Duo Marinic/Schieber kommt wie erwähnt Isaak Avramidis dazu, der zudem Teammanager bleibt. Vierter Mann im Bunde ist Marc Hess, der weiterhin fürs Torhütertraining zuständig ist.