TV Murrhardt feiert seinen 175. Geburtstag

Der Turnverein Murrhardt begeht ein großes Jubiläum: Er besteht seit mindestens 175 Jahren und hat ein attraktives Angebot. Im 20. Jahrhundert haben sich etliche Abteilungen für traditionelle und moderne Sportarten mit diversen Breiten- und Wettkampfsportdisziplinen gebildet.

Von Elisabeth Klaper

Ob der Turnverein Murrhardt (TVM) im Jahr der deutschen Revolution 1848 gegründet wurde oder schon vorher, ist unklar, da kein Gründungsversammlungsdokument bekannt ist. Erhalten blieb ein schwäbisches Gedicht über ein Turnfest in der Walterichstadt am 5. April 1847. Zudem belegen Unterlagen des Turntags in Esslingen am 1. Mai 1948 und des Turnvereins Cannstatt die Mitwirkung des Vereins, damals „Turngemeinde Murrhardt“ genannt, bei der Gründung des Schwäbischen Turnerbunds. Da die Fahnenweihe am 25. September 1848 stattfand, gilt dieser Tag als Gründungsdatum des TVM.

Mitgründer war wohl Schlossermeister Ferdinand Nägele, Abgeordneter der Nationalversammlung in der Paulskirche. Doch wegen den schwierigen Zeitumständen in den Folgejahren waren keine Aktivitäten möglich. Darum erfolgte 1861 die Neugründung. Ein Jahr später fand die Einweihung eines Turnplatzes auf der unteren Bleichwiese statt, heute im Bereich der Nägele- und Oetingerstraße. 1863 schaffte der Verein diverse Turngeräte an und gewann 1865 etliche neue Mitglieder, deren Zahl in der Folgezeit stark schwankte. Trotz Vereinskrise richtete der TVM im Jahr 1871 das erste Gauturnfest aus.

Ab 1885 stabilisierte sich der Verein und weihte 1888 ein Turnlokal an der Fornsbacher Straße ein. Vier Jahre später wurde das Turnen im Winter in den Schwanen-Saal verlegt und 1897 ins Simon’sche Haus im Graben. Ein finanzieller Kraftakt war der Bau einer Turnhalle kurz nach 1900 mit Spenden, städtischem Zuschuss und Gaubeihilfen. Ab 1906 heimsten die Turner viele Preise bei Turnfesten und Wettkämpfen ein. Beim Stiftungsfest 1911 trat erstmals die Damenriege mit 18 Turnerinnen auf.

Fußballabteilung verlässt den Verein

Der Erste Weltkrieg unterbrach von 1914 bis 1918 die Vereinsaktivitäten, viele Turner wurden eingezogen, 21 fielen. Dem Zeitgeist entsprechend gründete der TVM 1920 eine Fußballabteilung, der die Stadt einen über 2900 Quadratmeter großen Platz im Bereich der heutigen Walterichschule zur Verfügung stellte. Wegen anhaltender Spannungen und einem Beschluss der Deutschen Turnerschaft verließ die Fußballabteilung den TVM und gründete im November 1923 den eigenständigen Verein für Rasenspiele (VfR) Murrhardt. In den 1920er-Jahren feierten die Turnerinnen und Turner wieder viele Erfolge.

Nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur 1933 löste der Reichsbund für Leibesübungen die Deutsche Turnerschaft ab. Die Aktiven heimsten bei vielen Festen und Sportwettkämpfen auf verschiedenen Ebenen Siege ein. Jährlich feierte der TVM ein Sommerfest, erst auf dem Festplatz Alleensee, dann am Römersee. Trotz Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 erzielten TVM-Mitglieder bei Kriegsturn- und -sporttreffen weitere Erfolge. Nach Kriegsende 1945 begann der Sportbetrieb infolge der Notsituation erst allmählich mit Kleingruppentraining auf Waldwegen und Wiesenflächen. Nach damaliger Auffassung sollten Versehrte keinen Sport mehr betreiben.

Vorhandene Sportstätten konnten nicht benutzt werden. Die Turnhalle an der Nägelestraße war ein Gefangenenlager. Die Stadthalle diente als US-Hauptquartier, Lazarett und Flüchtlingslager. Der Sportplatz war in kleine Gartenparzellen zur Selbstversorgung aufgeteilt. Die US-Militärregierung löste alle Vereine auf und erlaubte in Städten unter 5000 Einwohnern nur einen Sportverein. Darum schlossen sich am 9. Februar 1947 TVM und die Sportvereinigung Murrhardt zur Spielvereinigung Murrhardt zusammen. Nach Umbenennungen und Umstrukturierungen erfolgte am 20. März 1948 die Wiedergründung unter dem Namen Turnverein 1848 Murrhardt, der sein 100-jähriges Bestehen mit einem großen Fest feierte.

Struktur wird verändert

Im Lauf der 1950er- und 1960er-Jahre veränderte der TVM seine Struktur: Neue Abteilungen für verschiedene Sportarten gründeten sich, auch dank großem ehrenamtlichen Engagement sportbegeisterter Familien, worauf die Mitgliederzahl kontinuierlich stieg. Wegen des Neubaus der Walterichschule 1953 musste die alte Turnhalle versteigert und abgebaut werden. Der TVM hatte vor, eine größere Turnhalle in Eigenregie zu bauen, doch plante die Stadt bereits den Bau der Walterichsturnhalle. Eine außerordentliche Hauptversammlung verabschiedete eine grundlegende Satzungsänderung: Seitdem ist der TVM gemeinnützig, man setzte Rechte und Pflichten der Mitglieder fest sowie Vermögensregelung bei Ehrenmitgliedschaften.

Seit 1955 gibt es den zweijährigen Vorstandswahlturnus. 1958 verbesserte sich die schwierige Sportstättensituation mit Einweihung der Walterichsturnhalle im Rahmen des Kreis-, Turn- und Sportfests. 1962 begannen konkrete Planungen für das Trauzenbachstadion. Ab 1963 nutzte die Tischtennisabteilung die Stadthalle. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko vertrat der Murrhardter Dreispringer Joachim Kugler den Sportkreis und erreichte Platz elf. 1969 feierten die Walterichstadt und der TVM die Einweihung des Trauzenbachstadions mit Spitzensportlern. 1971 fand der erste internationale Limes-Volkslauf mit rund 2500 Teilnehmern statt.

1972 veranstaltete der TVM den ersten Volkswandertag mit hoher Beteiligung. Ein Jahr später begann der Bau der Trauzenbach-Sporthalle beim Gymnasium für Schul- und Vereinssport. Das Jubiläum 125 Jahre beging der TVM mit einer Feierstunde, einer Sportwoche, in der sich die Abteilungen präsentierten, und einem Festabend mit kunstvollen Gymnastik- und Turnvorführungen. Ein großer Fortschritt war 1975 die EDV-Erfassung alle Mitglieder. 1981 ermöglichte die neue Satzung den Abteilungen größere Selbstständigkeit. Zwei Jahre später wurde die Geschäftsstelle im Dachstock des Stadthallenanbaus eingerichtet.

1985 gab es erneut eine Satzungsänderung. Drei Jahre später folgte eine neue Ehrenordnung: Seitdem wird die Dauer der Mitgliedschaft ab dem Eintrittsdatum errechnet, zuvor erst ab dem 18. Lebensjahr. 1991 übernahm Barbara Hirzel als erste Frau den Vorsitz und leitete drei Jahrzehnte lang den TVM. 1993 bereiteten sich nepalesische Sportler, unterstützt von TVM-Leichtathleten, auf die Leichtathletik-WM in Stuttgart vor. 1998 feierte der über 2000 Mitglieder starke TVM sein 150-jähriges Bestehen mit Sportveranstaltungen.

2004 übernahm Norgat Trefz, damals Leiterin der Abteilung Handball, die Mitgliederverwaltung. Seit 2009 ist das Sportabzeichenteam direkt beim Hauptverein angesiedelt, die Geschäftsstelle erledigt dafür die schriftlichen Verwaltungsaufgaben. Im selben Jahr führte man die Ehrenamtspauschale ein. Der Verein bot einen abteilungsübergreifenden Kurs für Kids für Fünf- bis Siebenjährige an, auch als Antwort auf Fitnessstudios, die ein Grund für den Mitgliederschwund waren. 2010 bekam der TVM einen eigenen Internetauftritt: www.tvmurrhardt.org. Drei Jahre danach wurde die Trauzenbachhalle renoviert, 2014 trat der Tennisclub, bisher außerordentliches Mitglied, aus dem TVM aus, wodurch die Mitgliederzahl auf 1512 sank.

Harter Einschnitt durch Corona

2017 trieben 20 Geflüchtete bei der Freizeitvolleyballgruppe Sport. Die Datenschutzgrundverordnung erforderte 2018 die Anpassung aller Formulare, um persönliche Daten der Mitglieder sicher zu verwahren und vor Missbrauch zu schützen. Ein harter Einschnitt war die Coronapandemie: Zwar fanden Anfang 2020 noch die Abteilungsversammlungen statt, doch die Hauptversammlung im März wurde verschoben, wegen des Lockdowns war bis Mai kein Vereinssport möglich. Im Sommer konnten Kleingruppen im Freien trainieren, ab Herbst die Sporthallen nur unter strengen Auflagen genutzt werden. Manche Gruppen boten Online-Sport an.

Dank finanzieller Unterstützung durch die Stadt sowie Übungsleiterzuschüssen überstand der TVM diese schwierige Zeit. 2021 beendete Barbara Hirzel nach 30 Jahren ihre Arbeit als Vorsitzende und wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Da niemand als Nachfolger kandidierte, blieb der Posten vakant. Der TVM bleibt geschäftsfähig, denn beide stellvertretende Vorsitzende Norgat Trefz und Peter Hitzelberger sind im Vereinsregister eingetragen, Leonie Ehrhardt wird Präventionsbeauftragte gegen sexualisierte Gewalt. Wegen Corona brachen 2022 einige Mitglieder und Übungsleiter weg. Die Freizeitgruppe löste sich auf. Erneut fand sich niemand, um den Vorsitz zu übernehmen. Der Sportbetrieb normalisierte sich, doch Barbara Hirzel verstarb.

Der TVM vereint traditionelle und moderne Sportarten und passt sich den Wünschen der Mitglieder und Sportinteressierten an. Schwerpunkte bleiben Wettkampf- und Breitensport. Die Basis ist eine intensive Jugendarbeit. Im Jubiläumsjahr zählt der TVM 1279 Mitglieder. Der Verein wird von starkem ehrenamtlichem Engagement getragen, ist gut für die Zukunft vorbereitet und bietet allen Altersgruppen viele Möglichkeiten zu sportlicher Betätigung.