Ungewohnte Ruhe an sonst belebten Orten

Martina Wasiliew und Oliver Volkmer mit seinem Boxer Bert drehen ihre Kontrollrunde in der Murrhardter Innenstadt

Zurzeit sind Martina Wasiliew und Oliver Volkmer auch immer wieder abends unterwegs, um zu kontrollieren, ob sich die Murrhardter an die Regeln halten, die in der Coronakrise erlassen worden sind – nur noch zwei Personen dürfen miteinander angetroffen werden, Familien ausgenommen. Bei einem Rundgang durch die Murrhardter Innenstadt zeigt sich die Stadt im absoluten Ruhemodus.

Ungewohnte Ruhe an sonst belebten Orten

Das Gebot der Stunde: Soziale Kontakte meiden, alleine unterwegs sein, zu Hause bleiben – auch tagsüber macht sich das im Stadtbild bemerkbar. Fotos: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Als Martina Wasiliew und Oliver Volkmer zum Treffpunkt am Murrhardter Marktplatz kommen, lässt Vierbeiner Bert keinen Zweifel daran, dass er sich über die Begegnung freut, aber eigentlich auch schnell weiter und seinen Gang mit den beiden fortführen möchte. „Er ist einfach ein bisschen übermotiviert“, sagt sein Herrchen mit einem Lächeln. Das ist kein Wunder, denn Bert von der Neckarschleife, wie der freundliche und vielfach ausgezeichnete Boxer – unter anderem ist er vierfacher Landesmeister in Sachen internationaler Gebrauchshundeprüfung – korrekt genannt wird, hat das Herunterfahren des öffentlichen und sozialen Lebens ebenso getroffen. „Wir können zurzeit ja nicht mehr wie normalerweise im Verein und auf den Sportplätzen trainieren“, erklärt Oliver Volkmer. Das ist für die beiden eine große Einschränkung, sind sie doch normalerweise täglich auf dem Trainingsplatz – an verschiedenen Standorten in der ganzen Region Stuttgart. Immerhin, am Abend geht es nun auf Tour, der sich auch Bürgermeister Armin Mößner anschließt. Neben Martina Wasiliew und Oliver Volkmer als Vollzeitkräfte des städtischen Vollzugsdiensts gehören auch noch zwei weitere Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis zum Team. „Seit Montag ist es jetzt allmählich besser mit der Einhaltung geworden“, sagt Mößner. Vorher sei das noch anders gewesen. Allerdings habe man am Dienstag auch noch eine Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener in der Nähe der Hörschbachschule angetroffen. Der Fußballplatz in der Weststadt ist ein beliebter Treffpunkt.

Armin Mößner bringt den seitlichen Klappdeckel eines Mülleimers noch in Position und los geht’s – im gebührenden Abstand von mindestens 1,5 Metern. Die Fußgängerzone liegt um kurz nach 19 Uhr ruhig und menschenleer da. Nur am oberen Tor sind zwei Personen unterwegs. „Das Wetter spielt uns jetzt natürlich in die Karten“, sagt Armin Mößner. Die Kälte motiviert nicht dazu, den Abend draußen zu verbringen.

Martina Wasiliew nickt. „Im Moment ist es schon sehr ruhig“, sagt sie. Leere Straßen und eine ausgestorbene Stadt zeigten sich nicht nur abends, sondern teils auch bei Rundgängen zu früherer Stunde, berichtet sie. Doch wenn es wieder wärmer wird, könnte das allerdings schnell anders aussehen. Jetzt nickt Bürgermeister Mößner. Denkt man in Richtung Mai und Freibadsaison, stellen sich ganz andere Bilder ein. Vorbereiten wolle man sich schon, damit im Bad zumindest alles bereitsteht, aber wie es dann aussieht und ob das normale, gewohnte Leben dann wieder anlaufen kann, wisse natürlich niemand.

„Für die jungen Leute sind diese Einschränkungen ja nicht ganz einfach“, sagt Martina Wasiliew. Auch sie selbst freut sich sehr aufs Frühjahr und die wärmeren Temperaturen, die sie mit ihrem Mann nutzt, um auch mal im Straßencafé draußen zu sitzen.

Mittlerweile kann sich keiner mehr rausreden, nicht Bescheid zu wissen

Und wie reagieren die beiden, sollten sie mehr als zwei Personen miteinander auf der Straße oder auf Plätzen antreffen? „Also am Anfang haben wir schon noch die Hintergründe erklärt und erläutert, was aufgrund der Infektionsgefahr nun untersagt ist“, sagt Oliver Volkmer. Da das Thema nun aber in den Medien dermaßen präsent sei, sich sämtliche Verantwortlichen klar und deutlich zu den Regeln geäußert hätten und die Stadt auf all ihren Kanälen entsprechend informiert habe, gehen die Mitarbeiter der Ortspolizeibehörde davon aus, dass jeder Bescheid weiß. „Ich bitte die Leute dann, auseinanderzugehen, also Abstand zu nehmen, und nehme die Personalien auf“, so Volkmer. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit einem Bußgeld rechnen, das sich im dreistelligen Bereich bewegt.

Die Tour geht weiter über die Seegasse zum Stadtgarten vorbei am Kinderspielplatz. Bei den Kontrollen auf den Spielplätzen, die genauso wie Sportanlagen abgesperrt sind, gab es keinerlei Beanstandungen oder Probleme, berichtet die Runde. Die Disziplin dort sei vorbildlich. Da das Team für die gesamte Murrhardter Gemarkung zuständig ist, sind die Mitarbeiter jeweils zu zweit auch mal weiter draußen unterwegs. Oliver Volkmer erzählt, dass er vor Kurzem auch auf dem Grillplatz am Fornsbacher Waldsee, an der Lindersthütte oder in der Nähe der Hörschbachwasserfälle nach dem Rechten gesehen habe. Beim Weg zu den Wasserfällen hätten zwar viele geparkt, aber auffallend sei nichts gewesen. Auch bei der Lindersthütte war nichts zu beanstanden gewesen – nur ein Duo traf er dort an.

Nahe des Friedhofs kommt den Vollzugsbediensteten ein älterer Mann mit einem Dackel entgegen. Rüde Bert schaut neugierig, nach einem freundlichen Gruß geht es weiter.

Selbst im Stadtgarten ist niemand unterwegs. An der Turnhalle nahe der Walterich- und Herzog-Christoph-Schule werfen die beiden kurz einen Blick in den überdachten Außengang und nach hinten jenseits des Parkplatzes. Sie wissen um die Plätze, an denen sich normalerweise Gruppen treffen.

Am Abend sind keine Jugendlichen an den üblichen Plätzen zu finden

Ein weiterer typischer Ort in dieser Hinsicht ist die Stadthallenterrasse. Dort ist die Stadt auch immer wieder mit Vandalismus und Vermüllung konfrontiert. Doch auch hier herrscht absolute Ruhe, niemand ist anzutreffen. Der Parkplatz vor der Stadtbücherei ist verwaist, wo ab und zu junge Erwachsene samt fahrbarem Untersatz zusammenkommen.

Am Rand des Stadtgartens dann doch noch eine Begegnung: Eine schwarz-weiß gefleckte Katze kommt des Wegs und beäugt vor allem Bert. Der Boxer zeigt sich wieder interessiert, doch die Samtpfote macht schnell die Biege.

Vorbei an der eingerüsteten Stadtkirche geht es zurück zum Altstadtkern. In der Unteren Schulgasse hat ein Auto mit beladenem Anhänger geparkt. „Da schauen wir nachher noch mal vorbei, ob es weggefahren ist“, sagt Oliver Volkmer. Die kleine Straße ist so eng, dass beispielsweise bei einem Feuerwehreinsatz dann ein echtes Problem bestünde.

Die Kontrollrunde durch die Innenstadt ist mit Blick auf die Einhaltung der Regeln ein voller Erfolg. Auch wenn Martina Wasiliew und Oliver Volkmer dieser Tage sehr klar und bestimmt auftreten müssen, so machen sie ihren Job auch einfach gerne. „Für manche Murrhardter bin ich zu präsent, für andere zu wenig“, meint Volkmer mit einem Grinsen. Seit zehn Jahren tut er schon seinen Dienst für die Stadt und findet es klasse, dies auch mit seiner Leidenschaft – dem Training mit Bert – verbinden zu können. Die Stelle war explizit für einen Mitarbeiter mit begleitendem Vierbeiner im Dienst ausgeschrieben. Auch seine Kollegin ist Überzeugungstäterin. Mittlerweile elf Jahre im städtischen Vollzugsdienst, sind für sie die Abwechslung und der Kontakt mit Menschen wichtig und wertvoll.

Während sich Bürgermeister Mößner verabschiedet, setzen die beiden am Abend ihre Tour fort: Sie wollen noch bei den Unterkünften für Wohnungslose in der Weststadt, am Bolzplatz der Hörschbachschule und bei ein paar anderen Adressen vorbeischauen.

Ungewohnte Ruhe an sonst belebten Orten

Martina Wasiliew und Oliver Volkmer inklusive Boxer Bert drehen mit Bürgermeister Armin Mößner (von links) eine abendliche Runde durch die Innenstadt. Selbst an der Stadthallenterrasse sind keine Jugendlichen auszumachen. Normalerweise ein typischer Treffpunkt für Gruppen.