Merz macht den Deutschen Hoffnung – und nimmt sogar Anleihe bei Merkel. Eine Chance lässt er aber aus.
Von Eidos Import
Friedrich Merz hat in seiner ersten Regierungserklärung auf etwas gesetzt, an dem es in Deutschland zu oft mangelt: Zuversicht. „Wir können alle Herausforderungen, ganz gleich, wie groß sie auch sein mögen, aus eigener Kraft heraus bewältigen“, sagte er. Das erinnert an den – wenn auch in einem ganz anderen Kontext gesagten – Satz der von Merz wenig geschätzten Angela Merkel: „Wir schaffen das.“ Und ist gerade deshalb gut.
Zuversicht ist dringend nötig. Denn blickt man auf die Herausforderungen, vor denen die schwarz-rote Koalition steht, drängt sich folgendes Bild auf: Da müssen Menschen, die sich eher mäßig gut verstehen, in einer lärmenden Manege gemeinsam einen Seiltanz aufführen und waghalsige Kunststücke aufführen. Aussehen soll das Ganze möglichst so, als bewegten sich alle in harmonischer Leichtigkeit. Doch die Sicherung ist nicht ausreichend.
Auch Schwarz-Rot hat mit einem Widerspruch zu kämpfen, der kaum aufzulösen ist. Die Bindung an die Parteien der politischen Mitte ist geringer geworden, auch diejenigen, die sich einst Volksparteien nannten, erreichen eine immer kleinere Wählerschaft. Das führt einerseits zu einem höheren Profilierungsbedarf der einzelnen Parteien. Andererseits müssen sie immer enger zusammenarbeiten, um auf Mehrheiten zu kommen. Wenn das Schwarz-Rot besser gelingt als der Ampel, wäre schon viel gewonnen. In Merz’ Bemühen, präsidial aufzutreten und der Kanzler aller Deutschen zu sein, lässt sich ein erster Hoffnungsschimmer finden, dass das gelingt.
Wenn diese Bundesregierung es nicht schafft, das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen, dürften die populistischen Ränder, insbesondere die in großen Teilen rechtsextreme AfD, noch stärker werden. Dann könnte es eng werden für die Demokratie.
Das Teuflische ist: Unter normalen Umständen wäre es eine gut lösbare Aufgabe, dass Union und SPD nach den chaotischen Ampeljahren einen Aufschwung ermöglichen. Schon einigermaßen geordnetes Regieren kann den Unternehmen neue Sicherheit für Investitionen geben. Doch die weltwirtschaftlichen Risiken durch die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sind enorm.
In der Außen- und Sicherheitspolitik sieht es so aus: Deutschland muss nach einer doppelten Zeitenwende eine neue und sehr herausfordernde Führungsrolle in Europa übernehmen. Putin führt noch immer Krieg in der Ukraine, die USA sind kein verlässlicher Partner mehr. Merz hat auf seinen ersten Reisen gezeigt, dass er besser als sein Vorgänger Olaf Scholz eine menschliche Ebene zu anderen Staats- und Regierungschefs herstellen kann. Durch die Grundgesetzänderungen an der Schuldenbremse ist sichergestellt, dass Deutschland hier nicht kurzfristig das notwendige Geld fehlt.
Das ändert aber nichts daran, dass auch die Kredite, die in den kommenden Jahren für Verteidigung aufgenommen werden, zurückgezahlt werden müssen. Das erfordert nicht nur höheres Wirtschaftswachstum, sondern wird auch Einsparungen an anderer Stelle notwendig machen.
Vor Deutschland liegen anstrengende Jahre, die mit Einschnitten für den Einzelnen und die gesamte Gesellschaft verbunden sein können. Das muss den Menschen im Land jemand schonungslos sagen – und nicht nur versteckt oder gedämpft. Diese Chance hat Merz in seiner ersten Regierungserklärung jedenfalls vorerst verpasst. Merz’ Versprechen an die junge Generation, man werde finanziell keine Politik auf ihre Kosten machen, ist im Programm der schwarz-roten Koalition nirgends überzeugend hinterlegt.