Vielfalt und Klangpracht

Vielfalt und Klangpracht

Kantor Gottfried Mayer hat den großen Vorteil, die Mühleisen-Orgel natürlich äußerst gut zu kennen. Beim jüngsten Konzert hat er die verschiedensten Facetten und spannende Beispiele ihrer Möglichkeiten genussvoll präsentiert. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Die Mühleisen-Orgel in der Stadtkirche ist ein wahres Wunderinstrument: Sie verfügt über eine Vielzahl unterschiedlichster Register und Optionen, um Klänge zu verändern sowie die Lautstärke mithilfe des Schwellwerks zu variieren. Hinzu kommt eine enorme Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten, um ein fast unendlich scheinendes Spektrum an Klangfarben zu erzeugen. Und kein Organist kennt das Potenzial des Instruments so gut wie Kantor Gottfried Mayer.

Beim 17. Konzert des Internationalen Orgelzyklus zieht er im wahrsten Sinne des Wortes alle Register seines Könnens und begeistert die große Zuhörerschar in der Stadtkirche, indem er sie auf eine akustisch attraktive Stil- und Klangreise von der Barockmusik bis zum fantasievoll-malerischen Impressionismus des 20. Jahrhunderts mitnimmt. Am Anfang steht das majestätische Tonkunstwerk Präludium und Fuge Es-Dur von Johann Sebastian Bach, eine Hymne an die Dreieinigkeit.

Beide Stücke bestehen aus drei Teilen, wie Mayer im „Ohrenöffner“, der kurzen Einführung, erklärt. Das Präludium beginnt mit einer prachtvollen französischen Ouvertüre in punktiertem Rhythmus, es folgt eine delikat gestaltete, leise Mitte mit Echoeffekten und ein aus einer Tonleiter entwickelter Abschluss mit kunstvollen, koloraturartigen Strukturen. Die Tripelfuge beginnt im antiken Stil einer zartregistrierten Chormotette, es folgt ein rhythmisch bewegter Mittelteil, den Abschluss bildet eine fünfstimmige, machtvolle Klangkonstruktion, variantenreich registriert und dynamisch fein abgestuft.

Mayer stellt Werke von Karg-Elert vor, die musikalisch schillern und strahlen

Höhepunkt des Programms sind Werke aus Sigfrid Karg-Elerts impressionistischer Schaffensperiode. Ein wunderbares Mosaik der Klangfarben und Dynamik erstrahlt im „Kyrie eleison“ aus dem Zyklus „Kathedralfenster – sechs Stücke über gregorianische Themen“ von 1923. Darin verarbeitet und variiert der Komponist kunstreich die drei Anfangstöne des „Kyrie“. So kreiert er ein klanglich breit aufgefächertes, bunt schillerndes „Glasfenster“ zur Verherrlichung Gottes mit modernen, teils dissonanten Harmonien und monumentalem Tutti-Schluss, das Mayer vielseitig und stimmig registriert. Aus dem Zyklus „Sieben Pastelle vom Bodensee“, entstanden während Karg-Elerts Sommeraufenthalt in Radolfzell 1921, interpretiert Mayer „Der sich spiegelnde Mond“ und „Hymne an die Sterne“. In diesen beiden zauberhaft lautmalerischen, vielfarbigen und obertonreichen Klangbildern stellt der Komponist subtil seine Impressionen zu den Charakteristika dieser einzigartigen Landschaft auf höchstem Niveau musikalisch dar. Filigrane, leise Klänge erzeugen das Bild des sanften Mondlichts, das sich im Wasser spiegelt, bevor lautstarke, dramatische Gewitterwolken aufziehen. Doch bald beruhigt sich die Szenerie wieder, und mit langsam verklingenden sanften Tonfiguren geht der Mond unter.

Faszinierend facettenreich und mit vielschichtig kombinierter Registrierung bringt der Organist die „Hymne an die Sterne“ zur Entfaltung. Darin kommen unter anderem auch Jazzharmonien, exotisch klingende und verspielte, innovative melodische Elemente vor. So funkeln, glitzern und strahlen die Sterne in vielfarbiger Schönheit aus unermesslichen Fernen am nächtlichen Firmament. In einer Vielzahl verschiedenster Motive und Klangnuancen sowie prächtig-monumentalen Akkordkaskaden kommt das Staunen über die wunderbare Schöpfung des Universums und die fast unendliche Zahl der Sterne zum Ausdruck.

Ohrenschmeichlerisch reizvoll gestaltet Mayer die vielfältigen Stil- und KlangUnterschiede zwischen barocker und romantischer Orgelmusik in einer kleinen Variationensammlung über den etwa 350 Jahre alten Choral „Was Gott tut, das ist wohlgetan“. Den Text, der starken Glauben und großes Gottvertrauen ausdrückt, schrieb Samuel Rodigast 1675 für einen kranken Freund, die tröstend-hoffnungsvolle Melodie schuf Severus Gastorius 1679.

Nuancenreich registriert der Kantor die je zwei stimmungsvollen, vielschichtigen barocken Variationen von Johann Pachelbel und Johann Gottfried Walther. Fast geheimnisvoll wirken die romantischen Variationen. Atmosphärisch schweben die mit dem Schweller dynamisch hervorgehobenen, vielfarbig schillernden Klänge in Alexandre Guilmants Variation. Dagegen klingt Max Regers Variation sehr ernst und schwermütig – sie ist Teil der 1916 im Ersten Weltkrieg komponierten Trauerode.

Das Programm rundet Olivier Messiaens feierlich-erhabene Meditation „Das himmlische Mahl“ über das Abendmahl ab, ein Jugendwerk von 1928. Es zeichnet sich durch sanfte, vielschichtige, überirdisch schwebende und immer weiter himmelwärts aufsteigende Harmonien aus ineinanderfließenden Akkorden aus. Dann tritt eine rezitativartige Oberstimme der „Himmelsflöte“ hinzu, die wie ein zeremoniell-hymnisches Gebet wirkt, und zum Schluss verwandeln sich die Harmonien in einen strahlenden, melodisch traditionellen Durklang.

Mit lautstark jubelndem Applaus danken die Zuhörer Kantor Gottfried Mayer für das überaus abwechslungsreiche Hörerlebnis.