Die Musiker (von links) Claus Schmidt (Bouzouki), Reinald Noisten (Bass-Klarinette), Shanmugalingam Devakuruparan (Percussion) und Andreas Kneip (Bass) nehmen das Publikum auf eine wahre musikalische Weltreise mit. Foto: E. Klaper
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Ein großes Hörvergnügen beschert das Wuppertaler Klezmer-Weltmusik-Ensemble Noisten zahlreichen Musikfreunden mit Spielfreude, Fantasie, Kreativität und Virtuosität bei seinem Konzert im Festhallen-Foyer. Gründer und Leiter Reinald Noisten (Klarinetten), der meist auch durchs Programm führt, und seine Studienkollegen Claus Schmidt (Gitarren, Bouzouki, Nayflöte), Andreas Kneip (Kontrabass, Ukulele) sowie sein langjähriger indischer Freund Shanmugalingam Devakuruparan (Percussion) ziehen alle Register ihres Könnens und nehmen das Publikum mit auf eine Weltreise durch unterschiedliche Musikstile und -kulturen.
Den Auftakt bildet ein mitreißend fröhlich-temperamentvoller „Freilach“, ein schneller jüdischer Tanz, der vor ausgelassener Lebensfreude sprüht. „Klezmer, die traditionelle Musik der osteuropäischen Juden, berührt und trifft das Herz, bedient alle Facetten der Emotionen und verbindet sich mit Musik anderer Kulturen“, verdeutlicht Noisten. Davon inspiriert entstand das aktuelle Programm „Klezmer Pastorale – Beethoven trifft Klezmer und andere musikalische Köstlichkeiten“. Darin verwandeln die Künstler, die alle ein klassisches Musikstudium absolvierten, Themen aus Beethovens sechster Sinfonie in Klezmer-Musik, wobei sie nur wenige Töne verändern.
Mit seiner sechsten Sinfonie, der Pastorale, schuf Beethoven eine Liebeserklärung an die Natur. Er war ein Visionär, betont Noisten, denn damit betrat er musikalisches Neuland und schuf die Basis für die Programmmusik, aus der sich die Sinfonische Dichtung entwickelte. Die Pastorale zeichne sich durch eine Fülle an Empfindungen und Stimmungen aus, wobei das Ensemble musikalische Motive und Intentionen Beethovens übernimmt. So entsteht ein überaus reizvoller Mix aus typischen Elementen der Kompositionskunst Beethovens und der Klezmer-Musik. Bassist Andreas Kneip hat aus dem Bauerntanz „Dulcea“ kreiert, einen Tanz, der die Freude des Wiedersehens musikalisch zum Ausdruck bringt. Dabei wird die Musik immer schneller, die Töne steigen immer höher, und alle Musiker präsentieren in Solo-Improvisationen diverse Kunststückchen und klangmalerische Effekte. Beethoven habe in Wien Livemusik türkischer Musiker erlebt, die ihn zum „Chor der Derwische“ im Festspiel „Die Ruinen von Athen“ inspirierten, erzählt Claus Schmidt.
Erst sehnsuchtsvoll klagend mündet das Stück in einen wilden Tanz
Daraus kreiert das Ensemble ein facettenreiches Stück: Es beginnt mit sehnsuchtsvoll klagenden, rauschenden Klängen der orientalischen Nayflöte, die an den Wüstenwind erinnern, und verwandelt sich in einen ekstatischen Tanz. Einen starken Kontrast dazu bildet das innige jiddische Trauerlied um die „Mame“, die Mutter, in einem Rhythmus, der an eine langsame Rumba erinnert, sehr gefühlvoll gestaltet und berührend.
Bassist Andreas Kneip hatte die Idee, eine Hora, einen jüdischen Schreittanz, dem impressionistischen Maler Paul Cézanne zu widmen. Das Ergebnis ist ein verträumtes, melodisch vielschichtiges Stück mit einem teils komplex synkopierten Rhythmus, der etwas an einen Walzer erinnert. Das Ensemble Noisten verknüpft auch Melodien unterschiedlichster Herkunft mit Klezmer und gestaltet daraus stilvolle Arrangements mit ideenreichen, stimmigen Solo-Improvisationen.
Ein Höhepunkt ist ein Skotshne, ein jüdischer Hüpftanz, der Shiva gewidmet ist, dem hinduistischen Gott des Tanzes und des Universums. Percussionist Shanmugalingam Devakuruparan demonstriert seine hohe Virtuosität beim Spiel seiner diversen Handtrommeln, darunter indische Tablas sowie Djembe. Dann setzen nacheinander die anderen Instrumente ein mit passenden Schleiftönen, zuletzt die Klarinette mit Klezmer-Melodik. Ein schönes, facettenreiches Beispiel dafür, wie Musik unterschiedliche Religionen und Kulturen verbindet. Der begnadete Percussionist sorgt auch mit einem fantastischen Solo für Furore, wobei er zunächst auf der Mundtrommel, dann auf diversen Handtrommeln in atemberaubend schnellem Tempo spielt, deren Klang fast an Glocken erinnert. Dazu singt er Scat, wobei er auch lautmalerisch den Trommelklang imitiert.
Eine Hörattraktion ist ein kleines kammermusikalisches Experiment, in dem drei Musiker ihrer musikalischen Kreativität und Fantasie freien Lauf lassen: Andreas Kneip spielt Ukulele, Claus Schmidt Gitarre und Shanmugalingam Devakuruparan Mundtrommel. Viel Spaß macht ein Skotshne aus der Ukraine, dem die Musiker Westernflair verleihen mit diversen Elementen der Countrymusik, wie Steel-Guitar-Effekten. Ebenso „Blaue Hora“, eine Hora mit Blues-Elementen, wobei sich verschiedenartige Melodie- und Rhythmuselemente zum charakteristischen Bluesbeat und -sound verdichten.
1999 habe er das Klezmer-Weltmusik-Ensemble gegründet, erzählt Reinald Noisten. Anfang der 2000er-Jahre „habe ich Giora Feidman und einen chassidischen Sänger gehört, und war von der jüdischen und der Klezmer-Musik so bewegt und beseelt“. Also entschied er, mit seinem Ensemble diese Musikstile zu pflegen. Dessen Spezialität ist es, sie mit Musik aus anderen Stilen und Kulturen zu verbinden und durch Improvisationen und Eigenkompositionen weiterzuentwickeln, und das kommt beim Publikum bestens an.
Zum krönenden Abschluss gibt’s einen heiteren Tanz zum Mitklatschen, dazu Beethovens „Ode an die Freude“. Mit tosendem Applaus danken die Zuhörer den Künstlern für das grandiose Hörerlebnis.