Sinan Selen tritt aus der zweiten Reihe an die Spitze des Inlandsgeheimdienstes. Dobrindt hat sich für den Kandidaten entschieden, der schon seit Monaten als Nachfolger von Haldenwang gehandelt wurde.
Am Tag der offenen Tür der Bundesregierung gab es einen Kuchen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. (Archivfoto)
Von Von Anne-Beatrice Clasmann, dpe
Berlin - Nach rund zehn Monaten ohne Chef soll das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen neuen Präsidenten bekommen. Die Wahl von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) fiel nach Angaben seines Ministeriums auf Sinan Selen, den langjährigen Vizepräsidenten der Sicherheitsbehörde mit Hauptsitz in Köln.
Damit steht an der Spitze des mit der Bekämpfung von Spionage, Extremismus und Terrorismus betrauten Amts erstmals ein Beamter mit Migrationsgeschichte. Allerdings ist seine Herkunft - Selen wurde in der Türkei geboren und kam als Vierjähriger nach Köln - nichts, worüber der künftige Behördenchef viel spricht. Innenpolitiker unterschiedlicher Parteien schätzen ihn wegen seiner unaufgeregten, sachlichen Art.
Der 53-Jährige hat den Inlandsgeheimdienst seit dem Ausscheiden des früheren BfV-Präsidenten, Thomas Haldenwang, in den vergangenen Monaten interimsmäßig gemeinsam mit Vizepräsidentin Silke Willems geleitet. Wie aus Koalitionskreisen zu hören war, zählt der Posten des BfV-Präsidenten, der seit dem Herbst vergangenen Jahres vakant war, zu einer Reihe von Spitzenposten, über deren Besetzung Union und SPD vorab miteinander ins Gespräch kommen wollten.
Selen bringe "eine beeindruckende Expertise in der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung sowie der Spionage- und Cyberabwehr mit", sagte Dobrindt, der die Mitarbeiter des BfV am Montag offiziell über seine Entscheidung informierte. "Ich bin überzeugt, dass Herr Selen das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Umsicht und Entschlossenheit erfolgreich weiterentwickeln wird", sagte er laut einer Mitteilung.
Die Personalie soll voraussichtlich in der nächsten Kabinettssitzung beschlossen werden. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Seit 2019 Vizepräsident des Verfassungsschutzes
Selen ist seit Anfang 2019 Vizepräsident des BfV. Zuvor hatte sich der Kölner, der auf eine lange Karriere in verschiedenen Sicherheitsbehörden und im Bundesinnenministerium zurückblickt, während eines dreijährigen Ausflugs in die Privatwirtschaft um Sicherheitsfragen beim TUI-Konzern gekümmert. Zu den Bereichen, mit denen er sich im BfV schwerpunktmäßig beschäftigt hat, gehören unter anderem Fragen der Cybersicherheit und islamistischer Terrorismus.
"Sinan Selen ist ein kompetenter und viel geachteter Spitzenbeamter", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete, Hakan Demir, der ihn aus dem Innenausschuss kennt. "Menschen mit Migrationsgeschichte sind heutzutage selbstverständlich auch Politiker, Beamte und Unternehmer - das tut unserem Land gut", sagt Demir, der ebenfalls als Kind mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland kam.
Selen bringe viel Erfahrung und Kompetenz mit, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Konstantin von Notz, dem "Handelsblatt". "Ich freue mich, dass er diese Position in sicherheitspolitisch schwierigen Zeiten übertragen bekommt."
Haldenwang folgte auf Maaßen
Der frühere Präsident des Bundesamtes, Thomas Haldenwang, hatte im November angekündigt, dass er eine Kandidatur für die CDU bei der Bundestagswahl anstrebt. Dass Haldenwang bald in den Ruhestand gehen wollte, war schon länger bekannt. Die Ankündigung, für die CDU als Direktkandidat in Wuppertal antreten zu wollen, kam für viele überraschend. Erfolgreich war seine Kandidatur nicht. Auch Haldenwang war vor seiner Ernennung zum BfV-Präsidenten 2018 Vizepräsident gewesen - unter Hans-Georg Maaßen, der Anfang 2024 selbst in den Blick des Verfassungsschutzes geriet.
Im Juni stellte Sinan Selen - damals noch Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz - gemeinsam mit Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) den Jahresbericht seiner Behörde für 2024 vor. (Archivbild)
Der Inlandsgeheimdienst hat seinen Hauptsitz in Köln. (Symbolbild)
Sinan Selen wurde erst nach dem Ausscheiden von Hans-Georg Maaßen aus der Behörde Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. (Archivfoto)