Von der Geschichte der Welt

Konstantin Voit beschäftigt sich als moderner Künstler mit universellen Formen und Symbolen. Zurzeit arbeitet er an einem umfassenden Thema – der Entwicklung des Lebens und seine vielfältige Ausgestaltung. Er ist auf dem Wolkenhof zu Gast, wo ein großformatiges Werk entsteht.

Von der Geschichte der Welt

Konstantin Voit zeigt die Entwürfe seiner Reihe, die vor dem Original „Welt“ oder „Entwicklung des Lebens“ wie Miniaturen wirken. Foto: Christine Schick

Von Christine Schick

Murrhardt. Auf dem Tisch liegen eine Menge Farbtuben, Kleberollen und Blätter mit frisch angelegten Farbabstufungslegenden, und die aktuelle Arbeit auf einer 2,4 Meter hohen Holzwand hat eine einnehmende Präsenz – farblich und von der Größe des Bildes. Konstantin Voit arbeitet seit vergangener Woche an seinem aktuellen Projekt, genauer an einem Teil der Serie „A Short Story of Everything“. „Es geht um die Geschichte der Welt in abstrakter Form, um die Grundbedingungen des menschlichen Daseins“, sagt er. Wer sich da an Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ erinnert fühlt, liegt durchaus richtig.

Auf dem Wolkenhof im ehemaligen Atelier des Kunstmalers Heinrich von Zügel entsteht nun die dritte Bildtafel des Zyklus, der sich von „Sun“ (Sonne) über „Earth/ Moon“ (Erde/Mond) und „World“ (Welt) bis hin zum „Life“ (Vielfalt/Explosion des Lebens) spannt. Spannend sind für Konstantin Voit auch die Gegensätze, die Teil der Arbeit sind: das thematisch gesetzte runde Format der Bilder des Zyklus – Planet, Erde, Leben –, das sich gegen das herkömmlich viereckige der Malerei abhebt. „Da ist schon allein die Frage, wie ich das umsetzen kann“, sagt er. Beim Bild „Life“, das als erstes der Reihe entstanden ist, hat er sich dazu entschlossen, einen farbexplosiven Strudel aus 66 einzelnen Bildtafeln zusammenzusetzen. Für das aktuelle „World“ kann er die große Holzwand des Ateliers nutzen, um ein erstes Exemplar zu schaffen und so seine Rezeptur für Farben, Formen und Platzierung zu entwickeln, erklärt er. Auch inhaltlich fließt ein Kontrast mit ein. Die Vorlage für „World“ ist das Bild des italienischen Renaissancekünstlers Giovanni di Paolo „Die Schöpfung der Welt und die Vertreibung aus dem Paradies“. Es stammt aus dem Jahr 1445.

Voit greift das ungewöhnlich moderne Element eines alten Gemäldes auf

„Ich bin zufällig auf das Bild gestoßen.“ Er ist fasziniert von dem Kreis, der sich in diesem jahrhundertealten, mittelalterlichen Gemälde als überraschend modernes Element findet. „Eigentlich ist das ja eine Grafik.“ Eine Steilvorlage, und nun arbeitet Voit an einer modernen Adaption dieses Bildausschnitts. Da sind die verschiedenen Ringe mit ihren Farben, die auch für Elemente wie Wasser, Land und Licht stehen und die er um weitere Aspekte ergänzt. In der Mitte entsteht ein grünes Pflanzennest, den Abschluss im Zentrum des Kreises wird eine Blüte bilden. Aber welche passt, ist universell genug? „Eine Lotusblüte wäre möglich gewesen“, doch der asiatische und teils religiös verbrämte Kontext spricht dagegen. Er entscheidet sich für eine Hibiskusblüte. „Sie steht für die Südsee, die Schönheit, die erhabene Form des Lebens, und es gibt auch einen ganz persönlichen Bezug.“ Mit seiner Adaption kann er den Bogen zur Kunstgeschichte schlagen.

Auf den zweiten Blick stellt sich außerdem die Verbindung zu einem der eigenen Themen dar: die Arbeit mit Schablonen. „World“ ist eine Schablonenmalerei, das heißt, Konstantin Voit verwendet zum einen bestimmte Formvorlagen, zum anderen spiegelt sich auch die damit verbundene Technik in seiner Arbeit wider.

Dazu muss man wissen, dass die Schablone ein wichtiges Element und Instrument in seinem Schaffen geworden ist. 1993 stolpert er sozusagen zufällig über eine Malschablone. Die ursprünglich für Kinder hergestellten Vorlagen, die es schon seit etwa 1890 gibt, faszinieren ihn und er fängt an, verschiedene Exemplare zu sammeln. Ob Auto, Eisenbahn oder Kuh – die Formensprache und universelle Symbolik spricht ihn an und er beginnt, sie mit und in seiner Arbeit zu nutzen, mit ihnen zu experimentieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. „So kann ich wie ein realistischer Maler agieren, aber gleichzeitig abstrakt bleiben“, beschreibt er einen Aspekt dabei. Ein anderer ist die universelle Bedeutung beziehungsweise das schnelle Erfassen und Wiedererkennen, ein Prinzip, das auch manche Marken mit ihren Logos perfektioniert haben. „Wenn es gut gemacht ist, funktioniert das unabhängig von Land und Sprache, so gut wie überall und schon für Kinder.“

Seine Sammlung wächst auf über 10000 Exemplare an und mit ihr auch die Experimentierfreude rund um das Medium, beispielsweise indem er einzelne auseinandernimmt und neu kombiniert. „Daraus haben sich einzelne Serien entwickelt“, erzählt er. Dass er seine Entwürfe digital gestaltet, gehört für ihn dabei genauso dazu.

Der Computer als Instrumentund die großformatige Umsetzung

„Der Computer darf nur nicht über der Malerei stehen.“ Er ist das Instrument, um das Bild umsetzen zu können. Auf einer schmalen Platte hat er die Entwürfe für seine vier Bilder des Zyklus in kleiner Form aufgereiht. Auch die Umsetzung als großformatiges Bild ist dann noch ein entscheidender Schritt – mit verschiedenen Optionen: aus Holztafeln zusammengesetzt, als Wandmalerei, als portable Wand oder runde Leinwand. Ähnlich wie bei „Kunst am Bau“ muss das konzeptionell entsprechend stehen. Dass er analog dazu wie bei solch einem Projekt das Bild „World“ später nicht einfach mitnehmen kann, ist kein Problem für ihn. Hauptsache, er hat sich die Schaffensrezeptur erarbeitet und kann das Bild an anderer Stelle noch einmal verwirklichen.

Ausstellungseröffnung am Sonntag

Vernissage Die Ausstellung im Kunstfenster am Wolkenhof, Wolkenhof, 14, in Murrhardt wird am Sonntag, 7. August, eröffnet. Im Rahmen der Vernissage von 14 bis 18 Uhr steht Konstantin Voit für Fragen zur Verfügung. Die Schau unter dem Titel „Round about“ läuft bis zum 25. September und ist von außen jederzeit frei zugänglich.

Künstler Konstantin Voit hat an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert. Während seines Stipendiums in Paris 2018 hat er Birgit Krueger und ihren Mann kennengelernt, die Künstlerinnen und Künstler einladen, um das Atelierfenster mit ihren Arbeiten zu bespielen. Konstantin Voit ist in Mannheim geboren, lebt und arbeitet in der Kurpfalz. Sein Atelier befindet sich in Mannheim. In seiner Malfabrik – Kunst aus der größten Schablonensammlung der Welt – dient die Schablone als Filter vor den Ausdrucksformen der abbildbaren Welt. Dem Künstler, der diese Formensprache übernimmt, stellt sich so nicht mehr die Frage „Was bilde ich ab?“, sondern „Wie gehe ich mit den vorhandenen Daten um?“. Weitere Infos finden sich unter www.malfabrik.de.

Werk Die Malerei, die am Wolkenhof entsteht, gehört zur vierteilige Serie „A Short Story of Everything“, die von der Stiftung Kunstfonds Bonn im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“ gefördert wurde. Mit dem aktuellen Werk „World“ sind zwei Bilder umgesetzt, zwei stehen noch aus.

Kunstfenster Infos zum Atelierfenster und den Ausstellungen gibt es unter der Adresse www.xcult.org/einfenster.