Felssturz in den Dolomiten

Warum es in den Alpen immer mehr Bergrutsche gibt

Es geht um Gebiete in den Alpen, bei denen man lange vom ewigen Eis sprach. Wo selbst der Fels gefroren ist und immer bittere Kälte herrscht. Das ändert sich. Rasant.

Warum es in den Alpen immer mehr Bergrutsche gibt

Das Bergmassiv Cima Undici – Elferkofel – beim Dolomitenort Comelico Superiore: Nahe der Berti-Hütte kam es zu einem gewaltigen Bergsturz.

Von Markus Brauer

In Norditalien spielt das Wetter derzeit komplett verrückt. Starkregen und Übrschwemmungen weichen das Erdreich auf und führen zu zunehmender Instabilität des Bodens in den Alpen.

Am Sonntag (21. September) kam es in den italienischen Dolomiten in Comelico Superiore, der nördlichsten Gemeinde der Provinz Belluno in der Region Venetien nahe der Berti-Hütte im Popera-Massiv zu einem gewaltigen Erdrutsch. Erst vor kurzem war ein Wanderweg durch herabstürzender Geröll verschüttet worden.

Gewaltiger Erdrutsch nahe Alpen-Hütte

Laut Augenzeugenberichten begannen um 11 Uhr morgensdie ersten „Bewegungen“ am Berg. Gegen 12 Uhr bildete sich eine große Staubwolke zwischen den Gipfeln, als sich Gesteinsmassen von der Cima Undici – dem 3902 Meter hohen Elferkofel in den Sextener Alpen – im Popera-Massiv lösten. Stundenlang prasselten Gesteinsbrocken gen Tal.

Franco Zandegiacomo, Hüttenwirt des Rifugio Berti, erlebte das Naturschauspiel aus nächster Nähe mit: „Die Trümmer lösten sich von der Cima Undici im Popera-Massiv und fielen in die darunterliegende Schlucht. Es wirbelte viel Staub auf, aber es fiel nicht viel Material herunter. Sicher, ein paar mehr Steine als üblich bewegten sich“, berichtet er gegenüber der Zeitung „Il Dolomiti“.

Rockfall from top of Cima Undici (3092 m asl, Popera group, Dolomites) on 21st Sept. at midday A lot of dust, but volume was likely not very important...Shot from Berti al Popera mountain hutIl Dolomiti pic.twitter.com/rA7AJ05KSe — Melaine Le Roy (@subfossilguy) September 22, 2025

Wassermassen überfluten Urlaubsregionen

Der Erdrutsch ereignete sich inmitten der schweren Unwetter, die Norditalien derzeit heimsuchen. Nach den schweren Regenfällen der vergangenen Tage im Norden des Landes kaum noch Hoffnung, die vermisste deutsche Urlauberin noch lebend zu finden. Die Behörden gaben die 64 Jahre alte Frau, die auf einem Campingplatz in der Region Piemont von einer Flutwelle mitgerissen wurde, praktisch auf. Die Suche lief trotzdem weiter.

Die Frau war mit ihrem Ehemann in einem Wohnwagen unterwegs. Auf einem Campingplatz in der Nähe der Gemeinde Spigno Monferrato wurden die beiden von der Flutwelle eines Flusses überrascht. Infolge des schweren Regens setzte sich der Wagen plötzlich in Bewegung. Das Paar versuchte, zu Fuß zu fliehen. Der Mann konnte sich nach Angaben der Feuerwehr in Sicherheit bringen. Die Frau hingegen soll ausgerutscht und mitgerissen worden sein.

Regionalrat spricht Familie bereits Beileid aus

Die Suche nach der Vermissten hatte auch nach mehr als 48 Stunden keinen Erfolg. Die Chancen, sie in der überschwemmten Landschaft um den Fluss Valla doch noch lebend zu finden, wurden als minimal eingeschätzt.

Der zuständige Regionalrat Federico Riboldi sprach der Familie bereits sein Beileid aus. Er sagte: „Sie war auf der Suche nach Ruhe und fand stattdessen auf tragische Weise den Tod.“

Verschüttetes Blatten soll wiederaufgebaut werden

Im Mai 2025 war das auf 1500 Meter gelegene Dorf Blatten im Lötschental komplett verschüttet worden. Die rund 300 Einwohner des Dorfes Blatten im Schweizer Kanton Wallis haben alles verloren. 90 Prozent des Dorfes, rund 130 Häuser sowie die Kirche, sind unter einer Schuttschicht begraben. Insgesamt donnerten nach Schätzungen drei Millionen Kubikmeter Fels, Geröll und Eis des Birchgletschers ins Tal.

Mit einem symbolischen Spatenstich haben Einwohner des zerstörten Schweizer Dorfes am vergangenen Freitag (19. September den Wiederaufbau ihres Heimatortes eingeleitet. Über einigen Gebäuden liegt ein meterhoher Schuttkegel, andere sind in einem See, der sich gebildet hat, weil der Fluss Lonza durch die Schuttmengen zunächst keinen Abfluss mehr fand.

„Ein Blatten ohne Lötschental oder ein Lötschental ohne Blatten ist keine Option“, erklärte Gemeindepräsident Matthias Bellwald bei einer kleinen Feier nahe der Ruine des zerstörten Gemeindehauses.

Der Gemeinderat möchte einen Teil des Ortes dort wiederaufbauen, wo er verschwunden ist, etwa eine Kirche und einen Dorfplatz. Wohnhäuser sollen in der Nähe entstehen. Die ersten Bewohner sollen bereits Ende 2028 nach Blatten zurückkehren. Eine neue Straße und die Wasserversorgung zum Dorf sind fast fertig.

Felssturz nahe Staumauer Grande Dixence in der Schweiz

Mitte Juli war es zu einem Felssturz nahe einer Staumauer im Schweizer Ferienkanton Wallis gekommen. Die Behörden hatten daraufhin eine Zugangsstraße für jeglichen Verkehr geschlossen, auch für Fußgänger. Gefahr für die Staumauer Grande Dixence bestehe nicht, versicherte damals der Betreiber Grande Dixence SA. Ein Hotel unterhalb der Staumauer muss vorerst den Betrieb einstellen, wie die zuständige Gemeinde Hérémence entschieden hat.

Was sind die Ursachen für die Häufung von Felsstürzen?

Vielerorts in den Alpen lockert sich mit dem Klimawandel Gestein, weil die gefrorenen Felsschichten antauen oder weil eindringendes Wasser Druck in Spalten erzeugt, die früher ganzjährig von Schnee und Eis bedeckt und durch den Permafrost zusammengehalten wurden. Die Menschen sind alarmiert.

Das Abtauen des Permafrosts führt zu Rissen im Fels. Das könnte, so die Vermutung von Geologen, den Vorfall bei Blatten im Kanton Schwyz verursacht haben. Der Klimawandel macht Felsstürze sehr viel wahrscheinlicher. Wenn Permafrost auftaut, können Berge ihre Stabilität und damit Schutt und Geröll ihren Halt verlieren.

Hochgebirge werden vom Permafrost zusammengehalten, der dafür sorgt, dass das Gestein ganzjährig gefroren ist. Der Permafrost taut, und das Gebirge wird instabiler. Beim Schweizer Alpen-Club SAC heißt es, dass früher oft gegangene Touren heute im Sommer „Todesfallen“ seien. Loses Geröll und abgerutschte Blöcke „so groß wie Einfamilienhäuser“ machten das Gelände zu gefährlich.