ME/CFS klingt so rätselhaft, wie es diese schwere Erkrankung für Patienten und Forscher noch immer ist. Die Fallzahlen sind gestiegen – die Heilungschancen nicht.
Die Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad koerperlicher Behinderung fuehrt. Weltweit sind etwa 40 Millionen Menschen betroffen.
Von Markus Brauer/dpa
Die Zahl der Patienten, bei denen eindeutig die schwere neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS diagnostiziert worden ist, hat sich in Deutschland innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht.
Hoher Grad an körperlicher Behinderung
ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom. Die Erkrankung führt oft zu einem hohen Grad an körperlicher Behinderung.
ME/CFS kann nach einer Corona-Infektion auftreten und ist eine der schwersten Langzeitfolgen von Long Covid. Auch lange vor der Corona-Pandemie sind die Zahlen der gesicherten Diagnosen nach Zahlen von Krankenkassen aber stetig gestiegen: etwa in Westfalen-Lippe zwischen 2014 und 2023 von 8845 auf 22.531 Patienten und im Rheinland (beide NRW) zwischen 2015 und dem ersten Quartal 2024 von 6863 auf fast 20.000.
650.000 Betroffene in Deutschland
Weltweit sind vermutlich weit mehr als 40 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland sind aktuellen Schätzungen zufolge rund 650.000 Menschen an ME/CFS erkrankt. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gab es im Jahr 2023 etwa 620.000 Behandlungsfälle mit ME/CFS.
Die Weltgesundheoitsorganisation WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.
Bislang ist ME/CFS eine kaum erforschte Krankheit, für die es noch keine zugelassene schulmedizinische Behandlung oder Heilungsmethode gibt. Dass die Diagnose-Zahlen in den Jahren der Pandemie angestiegen seien, sei leicht herzuleiten, da das Coronavirus Sars-CoV-2 auch ME/CFS auslösen könne, erklärt die Leiterin des Fatigue Centrums der Berliner Charité, Carmen Scheibenbogen.
Über die Ursachen des Anstiegs vor der Pandemie gebe es hingegen keine Daten. „Hier kann man nur spekulieren“, räumt die Medizin-Professorin ein. „Ich denke nicht, dass es an Änderungen bei den Viren, die neben Sars-CoV-2 ME/CFS auslösen, liegt.“
Frustrierende Ärzte-Odyssee
Möglicherweise hat sich die Diagnose-Kompetenz erhöht und damit auch zu höheren registrierten Fallzahlen beigetragen. Immerhin veranstaltet die als führend in der ME/CFS-Forschung geltende Charité laut Scheibenbogen bereits seit 2008 Fortbildungen zu dem Krankheitsbild. Viele Betroffene berichteten in den vergangenen Jahren in Selbsthilfeforen von etlichen frustrierenden Arztbesuchen, bevor ihre Erkrankung erkannt wurde.
Oft sind Erkrankte über einen langen Zeitraum jedoch gar nicht in der Lage, Leistungen zu erbringen. Neben Fatigue und Belastungsintoleranz können bei ME/CFS noch Muskel-, Kopf- und Gliederschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie weitere schwere körperliche und geistige Beschwerden auftreten.
Für die Krankheit ist charakteristisch, dass sich der Zustand nach geringer Anstrengung deutlich verschlechtert. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS in Deutschland wurde die Zahl der Betroffenen vor der Covid-19-Pandemie hierzulande auf etwa 250.000 geschätzt, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche. Experten gehen aber davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid-19 mindestens verdoppelt habe, berichtet der Verein.
Fast jeder kann erkranken
Wie aus Zahlen der KV Nordrhein hervorgeht, stammen die meisten Betroffenen aus der Altersgruppe der 18- bis 67-Jährigen. Kinder, die aufgrund einer solchen Erkrankung nicht am Präsenzunterricht teilnehmen könnten, hätten die Möglichkeit auf Hausunterricht, heißt es seitens von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
„Die Schulaufsichtsbehörde richtet auf Antrag der Eltern oder der Schule Hausunterricht unter anderem für Schülerinnen und Schüler ein, die wegen Krankheit voraussichtlich länger als sechs Wochen die Schule nicht besuchen können“, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Das gelte ebenso für Schüler, die wegen ein er lange andauernden Erkrankung langfristig und regelmäßig an mindestens einem Tag in der Woche nicht am Unterricht teilnehmen könnten.