Wenig Raum für Gestaltung

Corona, Ukraine, Flaute – die grün-schwarze Koalition im Land hat die meiste Zeit im Krisenmodus regiert.

Von Eidos Import

Irgendwann gingen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Thomas Strobl (CDU) zur Wortschöpfung der „multiplen Krisen“ über. So falsch lagen sie damit nicht. Gestartet war die grün-schwarze Koalition im Mai 2021 – ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Nicht einmal ein Jahr später änderte sich die Sicherheitslage in Europa mit Russlands Angriff auf die Ukraine dramatisch, die Abhängigkeit von russischem Gas wurde schmerzlich bewusst. Und nach der Wiederwahl Donald Trumps verschlechterten sich die Bedingungen für die exportorientierten Unternehmen im Südwesten massiv. Auch dass die Ampelkoalition, die im Dezember 2021 in Berlin antrat, wenig Aufbruch und viel Verunsicherung mit sich brachte und die Wirtschaft in eine der schwersten Flauten der Nachkriegszeit abrutschte, belastete die Landesregierung.

Hinzu kamen hausgemachte Krisen. Der Skandal um den Inspekteur der Polizei und die Ermittlungen gegen Innenminister Strobl beschäftigten die Koalition intensiv und wurden zur Zerreißprobe – für beide Koalitionspartner. Nicht nur die Grünen hielten still, auch die CDU-Fraktion wurde eingenordet, um des Koalitionsfriedens willen. Denn die Stabsübergabe an den heutigen Landeschef Manuel Hagel war noch nicht endgültig vorbereitet; ein Rückzug Strobls wäre zu früh gekommen. Fraglich, ob Kretschmann mit Grabenkämpfen beim Koalitionspartner so geräuschlos hätte regieren können, wie er es am liebsten hat.

So blieb auch nach der Coronakrise wenig Raum für Gestaltung: Hinter dem formulierten Anspruch, Klimaschutzland Nummer eins zu werden, ist die grün-schwarze Koalition zurückgeblieben. Die Solarpflicht auf Neubauten, die Wärmeplanung und auch der Ausbau der Windkraft wurden zwar weiter vorangetrieben. Doch der Plan, dass jedes Ressort mit Klimamaßnahmen konsequent die eigenen Ziele hin zur Klimaneutralität verfolgt, scheiterte, einmal abgesehen von den ultragrünen Ressortchefs im Verkehrs- und Umweltministerium, am Beharrungsvermögen des übrigen Kabinetts. Selbst Kretschmann ruderte zurück und bezeichnete die Ziele zwischenzeitlich als sehr hochgesteckt und zu ambitioniert.

Zu großen Reformen wurde die Landesregierung eher gedrängt – als dass sie aus eigener Initiative kamen. Obwohl Grüne und CDU im Koalitionsvertrag noch einen Schulfrieden hinterlegt hatten, stießen sie nach einem Volksbegehren zur G9-Rückkehr eine tiefgreifende Schulstrukturreform an. Ähnlich verhielt es sich beim Thema Bürokratieabbau, das Kretschmann irgendwann zur Chefsache machte. Erst als sich ein großes Bündnis von Verbänden mit einem Brief „in großer Sorge um unser Land“ an ihn wandte, richtete er die sogenannte Entlastungsallianz ein, die erste Vorschläge für Erleichterungen umsetzte.

Keine Frage: dass manches nicht so weit ging, wie vom Land gewünscht, lag auch an fehlenden Initiativen aus dem Bund. Investitionen mit Hilfe des milliardenschweren Sondervermögen kamen zu spät, um in dieser Legislaturperiode noch groß Wirkung zu zeitigen. So wie man sich überhaupt fragen kann, welchen Gestaltungsspielraum eine Landesregierung überhaupt hat.

Trotzdem werden einige große Linien, die Grün-Schwarz gezeichnet hat, bleiben: Die Initiativen zu Künstlicher Intelligenz und Gesundheitswirtschaft werden ebenso weiterwirken wie der Umbau der EnBW weg von Kohle und Atomkraft hin zu Erneuerbaren Energien. Selbst wenn die Grünen nach der Landtagswahl am 8. März 2026 abgelöst werden sollten, haben sie zuletzt mit der CDU in den vergangenen zehn Jahren, aber auch schon davor das Land geprägt.