Wie Digitalisierung die Arbeit verändert

Beim Unternehmerforum Oberes Murrtal hat ein Team des Bosch-Standorts Murrhardt über Bereiche im Werk berichtet, in denen Prozesse digitalisiert bis hin zu automatisiert werden. Referate und Austausch waren Auftakt zur neuen Reihe „Lernreise“.

Wie Digitalisierung die Arbeit verändert

Im Werk von Bosch in Murrhardt hält die Digitalisierung Einzug. Ein Team des Standorts gab Einblick anhand aktueller Beispiele. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Die Form des Treffens – gemeinsamer Austausch über eine Internetplattform beziehungsweise ein Audio- und Videoprogramm – ist natürlich genauso ein Beispiel für die Digitalisierung und hatte dem Unternehmerforum Oberes Murrtal (Ufom) über weitere Vernetzung rund 80 Teilnehmer beschert. Vorsitzender Stefan Grotzke, gleichzeitig einer der Geschäftsführer bei Murrelektronik in Oppenweiler, stellte denn auch fest, dass die digitale Transformation Fahrt aufnehme und das Thema „Industrie 4.0/ Digitalisierung – Kontaktaufnahme mit der Zukunft“, das sich die Referenten von Bosch vorgenommen hatten, ein brandaktuelles sei. Es bildete den ersten Beitrag der Reihe „Lernreise“, die als Format für ganz verschiedene Themen im Sinne guter Praxisbeispiele dienen soll, um sich auszutauschen, zu vernetzen und voneinander zu profitieren. Zurzeit gehören dem Ufom 58 Unternehmen an – von Fichtenberg oder Oberrot bis Backnang. Für Stefan Grotzke liegen die Chancen im gemeinsamen Dialog, aber auch im Austausch mit den Kommunen, der Öffentlichkeit und den Nachwuchskräften, also auch im Kontakt mit den Schulen. Letztlich ginge es darum, die Region insgesamt zu stärken und in ihrer Attraktivität zu erhalten.

Ciriacos Sidiropoulos von Bosch warf ein paar Schlaglichter auf den Standort und bereitete so die Vorträge der vier Kollegen vor. Das Murrhardter Werk ist vor allem mit Teilefertigung für industrielle und gewerbliche Werkzeuge sowie deren Montage befasst. Dazu gehören auch eine Reihe von Sonderanfertigungen und in diesem Sinne Klein- und Kleinstserien, wie Sidiropoulos erläuterte. „Das heißt, die Herausforderung liegt auch im schnellen Umrüsten, damit die Maschinen möglich wenig Leerlaufzeiten haben“, sagte er. Gleichzeitig sei die Fertigung durch eine große Vielfalt gekennzeichnet. Um in dieser Hinsicht flexibler und schneller zu sein, hat Bosch Erfahrungen bei einem Projekt gesammelt, das Florian Erichson skizzierte. Das Stichwort: modulare Automatisierung. Konkret ging es darum, einen Bürstenaufsatz für eine Betonschleifmaschine so zuzuschneiden, dass die Haare dicht und gut beim Arbeiten abschließen. Auch hier spielte die kleine Stückzahl und hohe Varianz eine zentrale Rolle.

„Mit klassischen Automatisierungstechniken war das wirtschaftlich kaum machbar. Wir haben eine flexible Lösung gesucht“, erläuterte Erichson. Bosch hat sich dann mit einem damaligen Start-up zusammengetan, das für das Unternehmen Module entwickelt hat, über die dann solch eine kleine Fertigungsstraße vor Ort zusammengestellt werden konnte. Dazu seien mittlerweile auch keine spezifischen Programmierkenntnisse mehr nötig. Ein Element ist eine Kamera, die weiteren Bausteine können über ein Tablet zusammengefügt, angebunden und in ihren Eigenschaften justiert werden wie beispielsweise der Geschwindigkeit. Auf Nachfragen aus der Runde erläuterte Florian Erichson, dass die Vorarbeit im Sinne von viel Information und auch die Entwicklung für den Partner ihre Zeit gebraucht, in der Umsetzung vor Ort aber gut funktioniert habe. „Das haben unsere Fertigungsplaner gemacht, was für sie auch neu war.“ Eine Anbindung an beispielsweise ein SAP-System gebe es bisher noch nicht, angedacht sei aber, solch eine Anlage auch in der Azubi-Werkstatt aufzubauen, damit für die Nachwuchskräfte das Thema (be-)greifbar werde.

Marc Förster stellte den Mitgliedern vor, wie RFID-Technik (Radio Frequency Identification) in der Logistik des Standorts eingesetzt wird. In der Montage gibt es beispielsweise einen Bereich, in dem 440 verschiedene Teile pro Tag ankommen und der zweimal täglich beliefert wird. Das Bestücken dieser Supermarktregale, wie sie Förster bezeichnete, übernimmt ein externer Lieferant. Als Nachweis und Orientierung diente bisher ein Lieferschein, sodass die Buchung im System mit einer gewissen Zeitverzögerung geschah. Aus diesem Grund führte Bosch die RFID-Technik ein, die im Wesentlichen aus einem Transponder mit Chip sowie Antenne in Form beispielsweise eines Etiketts (als Tags bezeichnet) zur Datenübertragung und einem Lesegerät besteht. Behälter können so gekennzeichnet und für die Logistik transparent gemacht werden.

Der Einsatz von RFID-Technik spart Arbeitszeit und bringt höhere Buchungsgenauigkeit.

„Das ermöglicht uns aktuelle Statusmeldungen“, so Förster. Sind die Materialien da, wird dies mit Grün dargestellt, Rot bedeutet, ein Behälter ist leer beziehungsweise beim Lieferanten. Den Gesamtüberblick erhält man über eine digitale Anzeigentafel sowie durch eine zusätzliche Kontrolle mithilfe einer zweiphasigen Lichtschranke, die abbildet, ob ein Behälter aus dem oder ins Werk gewandert ist. Für Bosch bedeutet der Einsatz eine Einsparung bei der Arbeitszeit und höhere Prozessgenauigkeit sowie Buchungsqualität. Auf die Frage eines Mitglieds, ob das Unternehmen auch über die Kontrolle der eingehenden Ware beispielsweise mithilfe eines Gewichtschecks nachdenke, sagte Marc Förster, dass man dem Lieferanten vertraue und man solch einen Schritt in Bezug auf den Mehraufwand abwägen müsse.

André Zschocke hielt in seinem Beitrag ein paar grundsätzliche Gedanken rund um das smarte Unternehmen im Sinne von Industrie 4.0 und Digitalisierung bereit. Nach seiner Beobachtung gibt es eine Art Zweiteilung: Im Management und in der Logistik sei die Digitalisierung weit fortgeschritten, in der Werkhalle laufe vieles noch analog, würden beispielsweise Papier, Laufkarten oder Informationstafeln verwendet. Mögliche Hemmnisse machte er auf verschiedensten Ebenen aus. Sie reichten von Verfügbarkeit der Technik, Schnittstellenproblematik über geringe Standardisierung, gewachsene Prozesse, Gewöhnung an Papier, Budgetfragen bis hin zu Fähigkeiten und der Bereitschaft von Mitarbeitern sowie Bedenken des Betriebsrats, für den auch das Thema Überwachung eine Rolle spiele. Mit drei Werkzeugen habe man aber gute Erfahrungen gemacht, erläuterte Zschocke. Das Active Cockpit biete als interaktive Plattform Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Daten aufzubereiten und so allen zur Verfügung zu stellen. Das browserbasierte System hat mittlerweile auch vor dem Hintergrund von Corona den Vorteil eines dezentralen Abrufs der Informationen. „Das hilft uns jetzt ganz praktisch“, sagte Zschocke.

Bewährt habe sich auch ein System, über das Informationen, Zustände und Prozesse von Maschinen mithilfe mobiler Endgeräte ausgelesen werden können. Beispielsweise ist so schnell klar, welche Ersatzteile bei einem Defekt nötig sind. Noch in der Erprobungsphase ist das dritte Tool, bei dem es schwerpunktmäßig um Instandhaltungsstrategien geht, so André Zschocke. Die Software hat die Rahmenbedingungen für bestimmte Maschinen im Blick wie Reibungswerte oder Betriebsstoffe, zum Beispiel Öl, um bei kritischen Maßen reagieren zu können.

Stefan Grotzke merkte an, dass man mit den technischen Möglichkeiten auch in einen sensiblen Bereich für Mitarbeiter, Stichwort Überwachung, komme, und erkundigte sich, wie das Unternehmen damit umgehe. Zschocke sagte, dass man vor allem auf grundsätzliche Information, Schulungen und auch das Gespräch mit den Mitarbeitern setze. „Da muss man die Vor- und Nachteile benennen und auch Diskussionen aushalten.“

Den Abschluss machte Matthias Salzmann, der Einblicke in die Möglichkeiten von Sensoren als Beobachtungs- und Kontrollhilfsmittel gab. Bosch hat dazu ein eigenes, frei programmierbares Sensortool entwickelt, mit dem beispielsweise kontinuierlich Temperatur gemessen oder die Arbeit eines 3-D-Druckers überwacht werden kann. Die Überlegung: Durch diese Kontrolle lassen sich Ausfälle reduzieren, Schäden verhindern, Fehler und Zusammenhänge aufspüren. Ebenso gemessen werden können beispielsweise Beschleunigung, Schall, Licht, Feuchtigkeit oder Druck, deren Werte dann übertragen sowie an einem entfernten Standort abgerufen werden können. Zur Frage nach der generellen Datensicherheit sagte Salzmann, dass im Unternehmen getrennte Netzwerke – Entwicklung und Intranet – existierten.

Stefan Grotzke zog ein positives Fazit des rund zweistündigen Treffens und lud die Mitglieder ein, ebenfalls im Rahmen der „Lernreise“ über neue Ansätze in ihrem Betrieb zu informieren. Willkommen seien ganz verschiedene Themen. „Das kann, aber muss nicht Digitalisierung sein, sondern auch ein Thema wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz.“

Weitere Infos über Veranstaltungen und das Ufom im Netz unter www.ufom.info.