Zurzeit grassiert ein aggressiver, hochansteckender Subtyp des Influenzavirus H5N1 in Deutschland. Wie gefährlich ist die Vogelgrippe für Vögel, Nutztiere und uns Menschen?
Menschliche Infektionen treten bei der Vogelgrippe H5N1 bisher nur vereinzelt auf. Die Symptome reichen nach Angaben von Seuchenmedizinern von Augen- oder Atemwegsinfektionen bis hin zu schweren Erkrankungen wie Lungenentzündungen, die zum Tod führen können.
Von Markus Brauer
Die Vogelgrippe oder Aviäre Influenza wird – ebenso wie die Grippe beim Menschen – durch Influenza-A-Viren hervorgerufen, allerdings durch diverse andere Subtypen. Seit längerem schon grassiert die größte je dokumentierte Vogelgrippewelle, die sich über fast die gesamte Erde erstreckt und auch Europa betrifft.
Der Erreger befällt vor allem Vögel wie Kraniche, wurde aber auch bei vielen Säugetieren gefunden, darunter Katzen, Bären und Robben. Diese Befunde könnten bedeuten, dass auch Menschen gefährdet sein könnten.
Wie gefährlich ist das H5N1-Virus für Menschen?
Menschliche Infektionen treten bisher nur vereinzelt auf. Die Symptome reichen nach Angaben von Seuchenmedizinern von Augen- oder Atemwegsinfektionen bis hin zu schweren Erkrankungen wie Lungenentzündungen, die zum Tod führen können.
„Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen schätzt die WHO das derzeitige Risiko für die Allgemeinbevölkerung, das von diesem Virus ausgeht, als gering ein“, teilt die Weltgesundheitsorganisation WHO mit.
Symptome einer saisonalen Grippe
H5N1 ist ein Influenza-A-Virus wie die beim Menschen kursierenden Erreger der saisonalen Grippe. H und N bezeichnen zwei Eiweiße der Virushülle: Hämagglutinin und Neuraminidase. Sie kommen jeweils in verschiedenen Subtypen vor (H1 bis H16 und N1 bis N9). Der Name H5N1 bedeutet also die Kombination der Eiweiße H5 und N1 auf der Oberfläche der Variante.
Das Virus H5N1 kursiert seit Jahrzehnten verstärkt unter Vögeln – zunächst in Asien, inzwischen nahezu weltweit. Wasserbüffel oder andere Rinder-Arten hat es in all den Jahren nie befallen. 2021 gelang dem Erreger der Sprung nach Nordamerika. Und urplötzlich, erstmals wohl im Herbst 2023, erkrankten Kühe. Forscher sind seitdem überrascht und zunehmend besorgt.
Sehr hohes Zoonose-Risiko
Weltweit werden 1,5 Milliarden Rinder gehalten. Entstünde aus H5N1 eine neue, global auftretende Rinder-Grippe, stiege auch das Risiko für andere Nutztiere. Etwa, wenn verunreinigte Rohmilch an Schweine verfüttert wird.
Hinzu kommt: Ein Säugetier ist dem Menschen biologisch näher als ein Vogel. Das Zoonose-Risiko – also das Risiko für einen Übergang vom Tier auf den Menschen – kann abhängig von den erfolgten Anpassungen größer sein, wie Beer erklärt.
Was ist die Vogelgrippe?
Die Vogelgrippe – auch Geflügelpest genannt – ist eine hoch ansteckende Virusinfektion, die bei vielen Vogelarten rasch zum Tod führt. Das auslösende aviäre Influenzavirus kommt in verschiedenen Varianten vor.
Seit einigen Jahren breitet sich der besonders aggressive Subtyp 2.3.4.4b des Vogelgrippevirus H5N1 aus. Weltweit fielen diesem Influenzavirus in den letzten Jahren schon Millionen Wild- und Nutzvögel sowie Meeressäuger zum Opfer. In den USA hat eine Variante der Influenza H5N1 zudem tausende Milchkühe und auch Menschen infiziert – allerdings mit weniger schwerwiegenden Folgen als bei Vögeln.
Wie schlimm ist die Vogelgrippe H5N1 aktuell für Wildvögel?
Die zurzeit in Deutschland und anderen europäischen Ländern auftretenden Ausbrüche der Vogelgrippe werden durch den aggressiven und hochansteckenden Subtyp 2.3.4.4b von H5N1 ausgelöst. Er ist für die meisten Vögel tödlich.
Übertragen wird das Influenzavirus häufig durch direkten Kontakt, aber durch Kot, Kadaver und andere Überreste. Das Virus kann bei niedrigen Temperaturen wochenlang außerhalb eines Lebewesens überdauern, daher bleibt die Ansteckungsgefahr an kontaminierten Orten wie beispielsweise beliebten Rastplätzen der Zugvögel hoch.
Derzeit vor allem Kraniche betroffen
Die Vogelgrippe H5N1 ist schon seit einige Jahren auch in Europa allgegenwärtig. Durch den saisonalen Vogelzug im Herbst haben die Ausbrüche aktuell rasant zugenommen, weil nun mehr Vögel miteinander in Kontakt kommen und sich gegenseitig anstecken können.
Besonders betroffen sind zurzeit Kraniche, die auf ihrem Zug in die Winterquartiere auch bei uns in Deutschland Rast machen. Insgesamt gehen die Behörden derzeit von mehr als 2000 verendeten Kranichen aus – so vielen wie noch nie zuvor in einem Herbst.
„Aufgrund der gegenwärtig starken Zugaktivität von Kranichpopulationen und anderen Wildvögeln, muss mit einer weiteren, möglicherweise großflächigen Ausbreitung von Infektionen in der nächsten Zeit gerechnet werden“, warnt das für Tierseuchen zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Ostseeinsel Riems. Das FLI schätzt das Risiko für weitere Ausbrüche daher als hoch ein.
Bisher 992 Menschen mit H5N1 angesteckt
Bisher befällt der zurzeit weltweit grassierende hochpathogene Subtyp der Influenza H5N1 vor allem Vögel, aber auch Säugetiere und Menschen können sich infizieren. Ursache ist meist der enge Kontakt mit infizierten Vögeln oder deren Ausscheidungen.
Weltweit haben sich laut Angaben des Europäischen Zentrums für Seuchenkontrolle (ECDC) insgesamt 992 Menschen mit H5N1 angesteckt, die meisten Fälle ereigneten sich in Asien, aber auch in der Türkei, in Spanien, Großbritannien und den USA gab es Fälle.
Wie gefährlich ist die Vogelgrippe für Menschen?
Für Menschen ist das H5N1-Virus nicht gefährlich – noch nicht, muss man sagen. Infizierte zeigen nur schwache Symptome. Laut einer Studie von 2024 liegt dies unter anderem daran, dass der aktuellen Subtyp 2.3.4.4b des Influenzavirus noch nicht optimal an entsprechende Andockstellen unserer Zellen binden kann.
Allerdings: Schon eine Mutation könnte reichen, um dies zu ändern. „Unsere Experimente zeigten, dass die Q226L-Mutation die Fähigkeit des Virus, Rezeptoren vom menschlichen Typ anzugreifen und an diese zu binden, signifikant erhöhen könnte“, berichtet James Paulson vom Scripps Research Institute.
Wird die Vogelgrippe zum Humanpathogen?
Aber auch dann fehlt dem Influenzavirus H5N1 noch eine weitere Anpassung auf dem Weg zur Grippe beim Homo sapiens. Noch ist sie nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Anstecken können wir uns bisher nur durch Kontakt mit infizierten Vögeln oder anderen Tieren und deren Ausscheidungen.
Um über Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt auch von einem Menschen zum anderen zu springen, benötigt das Vogelgrippevirus noch weitere Mutationen, die seine Vermehrung und Ausscheidung in unserem Körper optimieren.
Allerdings besteht bei Influenzaviren immer das Risiko, dass sie sich mit einem bereits an den Menschen angepassten Grippevirus kreuzen. Infiziert sich beispielsweise ein Mensch mit H5N1 und gleichzeitig mit der saisonalen Grippe, können beiden Viren Erbgut austauschen und dadurch zu einer neuen Form mutieren.
Durch eine solche Hybridisierung von Influenzaviren in einem Schwein entwickelte beispielsweise im Jahr 2009 eine Mischung aus Vogelgrippe- und Schweineviren die Fähigkeit, Menschen zu infizieren und sich unter ihnen zu verbreiten. Das Resultat war die auch als „Schweinegrippe“ bekannte H1N1-Pandemie.
Wie hoch ist aktuelle Risiko?
Derzeit gehen die Seuchenkontrollbehörden – noch – nicht von einer Gefahr für uns Menschen durch die aktuelle Vogelgrippe aus. Man sollte jedoch den direkten Kontakt mit kranken oder toten Wildvögeln vermeiden. In Geflügelhaltungen werden erhöhte Schutzmaßnahmen und Desinfektionsmaßnahmen empfohlen.
Für Europa schätzt das Friedrich-Loeffler-Institut die Gefahrenlage insbesondere für Rinder oder für eine Verbreitung kontaminierter Rohmilch als sehr gering ein. „Grundlage dieser Einschätzung ist, dass nach den vorliegenden Handelsdaten weder Rohmilch noch lebende Rinder aus den USA nach Deutschland importiert werden“, heißt es seitens des FLI. „Importierte Milcherzeugnisse sind so behandelt, dass eine Infektiosität eventuell enthaltener HPAI-Viren unwahrscheinlich ist.“
Allerdings hat es in den letzten Monaten vereinzelte Fälle von infizierten Säugetieren mit dem Subtyp 2.3.4.4b gegeben, darunter bei einem Milchschaf in England. Experten gehen aber davon aus, dass dieses Schaf beim Melken durch den Kontakt mit kontaminierter Ausrüstung angesteckt wurde. Denn in dieser Farm war auch Geflügel an der Vogelgrippe erkrankt.