Bauern in Spätsteinzeit

Wie Getreideanbau die Zivilisation veränderte

Bäuerliche Gesellschaften begannen bereits vor knapp 7000 Jahren damit, neue Getreidesorten anzubauen. Wie das die menschliche Zivilisation beförderte, haben Forscher jetzt aufgezeigt.

Wie Getreideanbau die Zivilisation veränderte

Verkohlte Emmerkörner aus einem Vorratsfund einer linearbandkeramischen Siedlung bei Werlin Nordrhein-Westfalen.

Von Markus Brauer

Die ersten Bauern in Mitteleuropa gehörten der Linearbandkeramischen Kultur an und bevölkerten den Kontinent um 5400 bis 4900 v. Chr.. Sie kultivierten fast ausschließlich die Urweizenarten Emmer und Einkorn, beides Spelzgetreide. Beim Entspelzen muss das Getreidekorn vor der Weiterverarbeitung von der äußeren Hülle befreit werden.

Bisher war bekannt, dass neue Getreidesorten wie Nacktweizen (hier entfällt das Entspelzen) und Gerste im Verlauf der Jungsteinzeit, genauer während des Mittelneolithikums (4900 bis 4500 v. Chr.) eingeführt wurden, wobei der zeitliche Rahmen und die genauen Prozesse bisher nicht bekannt waren.

Funde aus Siedlungsgruben jungsteinzeitlicher Bauern

Um diese Prozesse auf regionaler Ebene besser zu verstehen, haben Forscher um Silviane Scharl und Astrid Röpke vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln sowie Astrid Stobbe von der Goethe-Universität in Frankfurt am Mai Daten zu archäobotanischen Makroresten aus 72 neolithischen Fundstätten im Rheinland gesammelt und ausgewertet.

Die Proben bestehen aus verkohlten Resten von Sämereien und datieren aus der Zeit vom späten 6. bis zum frühen 4. Jahrtausend v. Chr. Sie wurden aus Siedlungsgruben der jungsteinzeitlichen Bauern geborgen.

Die Studie ist im „Journal of Archaeological Science“ erschienen.

Neue Getreidesorten machten Landwirtschaft flexibler

Mithilfe diverser Statistiken konnte gezeigt werden, dass signifikante Unterschiede zwischen den neolithischen Phasen existierten. Die Studie zeigte, dass die für das Mittelneolithikum charakteristischen landwirtschaftlichen Veränderungen bereits zu Beginn dieser Periode zum Tragen kamen.

„Die Integration neuer Getreidearten machte die Landwirtschaft resilienter und flexibler. Sie ermöglichte nicht nur den Anbau von Winter-, sondern auch von Sommerkulturen und die potenzielle Nutzung einer größeren Vielfalt von Böden sowie eine mögliche Verringerung des Arbeitsaufwands“, sagt Scharl.

Eine stetige Zunahme der Getreidevielfalt wurde auch durch eine Diversitätsanalyse nachgewiesen. Diese Analyse zeigt, dass die steinzeitlichen Bauern die größte Diversität im Anbauspektrum um 4350 v. Chr. erreichten.

Viehzucht veränderte Landwirtschaft erneut

Danach geht sie wieder deutlich zurück, was auf eine erneute Transformation des Agrarsystems hindeutet. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass in der Folgezeit die Viehwirtschaft, vor allem die Rinderhaltung, zugenommen hat.

Die aktuelle Studie verdeutlicht, dass jungsteinzeitlichen Bauern im Laufe der Zeit landwirtschaftliche Techniken und Praktiken entwickelten, die es ihnen erlaubten, sehr flexibel auf regionale und sich wandelnde Umweltbedingungen zu reagieren.

n Regionen mit schwierigeren Umweltbedingungen wurden Getreidearten angebaut, die auch unter diesen Bedingungen einen Ertrag lieferten. Das zeugt von einer tiefen Kenntnis der Umwelt, an welche die Bauern ihre Strategien zur Nahrungsmittelproduktion anpassten.