Vorsicht Infekt!

Wie Grippeviren in unseren Körper eindringen

Mit einer neuen Mikroskopie-Methode haben Forscher erstmals live beobachtet, wie Grippeviren Zellen befallen und diese die Virusaufnahme aktiv begünstigen.

Wie Grippeviren in unseren Körper eindringen

Zellen helfen aktiv mit, Influenzaviren einzufangen und einzuverleiben. Hier ist eine Zelle und in der Bildmitte ein Virus dargestellt.

Von Markus Brauer

Fieber, Gliederschmerzen, laufende Nase: Mit dem Winter kehrt die Grippe zurück. Ausgelöst wird sie durch Influenzaviren, die über Tröpfchen in unseren Körper gelangen und Zellen befallen.

„Die Infektion unserer Körperzellen kommt einem Tanz gleich“

Forscher von der ETH Zürich und aus Japan haben dieses Virus nun genauer untersucht. Mit einer von ihnen entwickelten Mikroskopie-Methode können sie auf die Oberfläche menschlicher Zellen zoomen, die sich in einer Petrischale befinden. So konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal hochauflösend und live beobachten, wie Influenzaviren in eine lebende Zelle eindringen.

Etwas überraschte die Forscher unter der Leitung von Yohei Yamauchi, für Molekulare Medizin an der ETH Zürich, besonders: Die Zellen sind nicht etwa passiv und lassen sich vom Grippevirus einfach so überfallen. Vielmehr versuchen sie aktiv das Virus einzufangen. „Die Infektion unserer Körperzellen kommt einem Tanz gleich, den Virus und Zelle miteinander führen“, sagt Yamauchi.

Die Studie ist im Fachjournal „PNAS“ erschienen.

Viren surfen auf der Zelloberfläche

Natürlich ziehen die Körperzellen keinen Vorteil aus einer Virusinfektion. Sie haben nichts davon, dass sie sich aktiv am Vorgang beteiligen. Zum dynamischen Wechselspiel kommt es, weil die Viren einen alltäglichen zellulären Aufnahmemechanismus kapern, der für die Zellen essenziell ist. Über diesen Mechanismus werden nämlich lebenswichtige Stoffe wie zum Beispiel Hormone, Cholesterin oder Eisen in die Zellen geschleust.

Wie bei diesen Stoffen müssen sich auch Influenzaviren an Moleküle an der Zelloberfläche heften. Die Dynamik gleicht einem Surfen auf der Zelloberfläche: Das Virus scannt die Oberfläche ab, heftet sich mal da, mal dort an ein Oberflächenmolekül, bis es eine ideale Eintrittsstelle gefunden hat: eine, an der viele solcher Rezeptormoleküle dicht beieinanderstehen und somit eine effiziente Aufnahme in die Zelle ermöglichen.

So funktioniert das „Kapern“ der Zelle

Nachdem die Zelle über ihre Rezeptoren erkannt hat, dass sich ein Virus an ihrer Membran festgesetzt hat, bildet sie an der betreffenden Stelle eine Vertiefung oder Tasche. Diese wird durch spezielle Strukturproteine namens Clathrine geformt und stabilisiert.

Nach und nach wächst die Einstülpung und schliesst das Virus ein. So formt sich ein Bläschen. Die Zelle transportiert dieses in ihr Inneres, wo sich die Vesikelhülle auflöst und das Virus freigibt.

Frühere Studien, die diesen wichtigen Prozess untersuchten, arbeiteten mit anderen Mikroskopiemethoden, darunter der Elektronenmikroskopie. Für diese müssen die Zellen zerstört werden, wodurch immer nur Momentaufnahmen möglich waren. Eine andere verwendete Methode, die Fluoreszenzmikroskopie, ermöglicht hingegen nur eine geringe räumliche Auflösung.

Kombinierte Methoden auch für andere Viren

Die neue Methode ist eine Kombination aus Rasterkraft- und Fluoreszenzmikroskopie. Vivid-Rasterkraftmikroskopie nennen sie die Methode. Vivid steht für «Virus View». Diese Technologie machte es nun möglich, den Eintritt des Virus in die Zelle in allen Details seiner Dynamik zu verfolgen.

Damit konnten die Forscher zeigen, dass die Zelle die Aufnahme des Virus auf verschiedenen Stufen aktiv begünstigt. So rekrutiert die Zelle aktiv die funktionell wichtigen Clathrin-Proteine an die Stelle, an der sich das Virus befindet.

Ausserdem wellt sich die Zelloberfläche an dieser Stelle, um mit den Aufwölbungen das Virus aktiv einfangen zu können. Diese wellenartigen Membranbewegungen werden stärker, wenn sich das Virus wieder von der Zelloberfläche wegbewegt.

Die neue Methode liefert damit wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung antiviraler Medikamente. So eignet sie sich etwa, um die Wirkung potenzieller Medikamente in Zellkultur in Echtzeit zu testen. Wie die Autoren betonen, kann die Methode auch verwendet werden, um das Verhalten von anderen Viren oder auch Impfstoffen zu untersuchen.