Zukunft der Zivilisation

Wie sich die Menschheit entwickeln kann, ohne sich zu ruinieren

Eine neue Studie mit Zukunftsszenarien richtet den Blick weit nach vorn. Sie zeichnet ein Bild von Klima und Umwelt bis Ende des 21. Jahrhunderts. Bezugspunkt sind die „planetaren Grenzen“, die einen sicheren Handlungsraum für die Menschheit markieren.

Wie sich die Menschheit entwickeln kann, ohne sich zu ruinieren

Ohne nachhaltigen Wandel läuft der Menschheit die Zeit davon.

Von Markus Brauer

„Die menschliche Zivilisation steht an einem kritischen Punkt. Und wir zeigen mit einer neuartigen Methodik, wie sie sich weiterentwickeln kann, ohne ihre natürlichen Lebensgrundlagen zu ruinieren“, sagt der Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Johan Rockström. Das PIK hat jetzt eine neue Studie im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht, in der die Autoren diverse Zukunftsszenarien entwerfen, die das Klima und die Umwelt bis zum Jahr 2100 modellieren.

OUT NOW! Groundbreaking study in @Nature co-authored by PIK Director @jrockstrom. Projections of the #Climate & environment up to year 2100 for different policy pathways, coupling the #PlanetaryBoundaries framework to the Integrated Assessment Model IMAGEhttps://t.co/ccyo82CxeXpic.twitter.com/6QXqkdOT0I — Potsdam Institute for Climate Impact Research PIK (@PIK_Climate) May 14, 2025

„Wir können klar beziffern, wie gefährlich ein Weiter-so ist“

Es sei die bislang umfassendste Verknüpfung des Konzept der planetaren Grenzen, das ursprünglich auf die aktuelle Bestandsaufnahme ausgerichtet war, mit Daten aus modellgestützten Zukunftsszenarien, erläutert Rockström. Das Ergebnis sei ein wertvolles Navigationssystem für die Politik. „Wir können klar beziffern, wie gefährlich ein Weiter-so ist, und zeigen, dass sich ambitioniertes Umsteuern auszahlt.“

Rockström hatte das Planetare-Grenzen-Konzept („Planetary Boundary Framework“) im Jahr 2009 federführend entwickelt. Es definiert die Obergrenze für den sicheren Bereich und außerhalb davon Bereiche mit steigendem und hohem Risiko für neun planetare Systeme – etwa Klimawandel, Ozeanversauerung sowie Veränderungen im Stickstoff- und im Phosphor-Kreislauf, in Süßwasser-Systemen und in der Integrität der Biosphäre.

Die Forscher stützen sich zudem auf das in der Klimaforschung vielgenutzte Integrierte Bewertungsmodell IMAGE (Integrated Model to Assess the Global Environment), das detailliert die Folgen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt abbildet. Detlef van Vuuren, der das Modell maßgeblich ausgebaut hat, ist Leitautor der neuen Studie. Er ist Professor an der Universität Utrecht und Senior Researcher an der Niederländischen Agentur für Umweltbewertung (PBL).

Planetare Grenzen: Klimapolitik allein reicht nicht mehr

Schon aktuell, das ergab 2023 eine vom PIK mitverfasste Untersuchung, sind sechs der neun Grenzen überschritten, die Systeme also außerhalb des sicheren Bereichs. „Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht“, mahnt Rockström. „Wir wissen nicht, wie lange wir entscheidende Grenzen derart überschreiten können, bevor die Auswirkungen zu unumkehrbaren Veränderungen und Schäden führen.“

Planetare Grenzen

Kontinuierliche Verschlechterung in fast allen Bereichen

Die neue Studie zeigt für ein Weiter-so-Szenario ohne zusätzliche Politikmaßnahmen bis 2100 eine kontinuierliche Verschlechterung in fast allen Bereichen – mit Ausnahme der Ozonschicht in der Stratosphäre und der Luftverschmutzung.

Schon 2050 sind die Klima- und die Stickstoff-Belastung weit im Hochrisikobereich. Um wenigstens bis zum Ende des Jahrhunderts überall aus dem Hochrisikobereich herauszukommen, dafür reicht für sich genommen nicht einmal eine ambitionierte, an maximal 1,5 Grad Erderhitzung ausgerichtete Klimapolitik.

Was vermindert das Überschreiten der Grenzen?

Zwar hat Klimaschutz positive Nebenwirkungen: Die Abkehr vom Verbrennungsmotor verbessert die Luftqualität, Aufforstung sorgt für nachhaltigere Landnutzung. Aber es gibt auch problematische Folgen, zum Beispiel wenn Klimaschutz durch massenhaften Anbau von Bioenergie-Pflanzen erfolgt.

Damit mündet die Studie in der Frage: Welche anderen ambitionierten und technisch umsetzbaren Maßnahmen würden das Überschreiten der planetaren Grenzen weiter vermindern?

Suche nach effektiveren Maßnahmen

Die Klimaforscher modellierten ein Szenario, das die ambitionierte Klimapolitik um weitere Maßnahmen ergänzt: die Umstellung der Ernährung auf weniger Fleisch (EAT-Lancet-Planetary-Health-Diät), die Halbierung der Lebensmittelabfälle sowie ein effizienter Umgang mit Wasser und Nährstoffen.

In dieser Projektion zeigt sich, dass die Verschlechterung des Zustands der Erdsysteme aufgehalten und umgekehrt werden kann. In fast jeder Hinsicht stünde der Planet dann im Jahr 2050 mindestens so gut da wie noch im Jahr 2015, und er würde sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weiter erholen.

„Doch selbst in diesem Szenario sind im Jahr 2100 immer noch planetare Belastungsgrenzen überschritten“, warnt van Vuuren, „namentlich für das Klima, den Phosphor- und Stickstoff-Kreislauf und die Integrität der Biosphäre. Die Suche nach noch besseren Politik-Maßnahmen bleibt also auf der Tagesordnung. Und um abzuschätzen, was sie bringen, dafür liefert unsere Studie einen tragfähigen wissenschaftlichen Ansatz.“