Wo der VfB-Chef hinterm Tresen steht

Die Bühne ist kaum größer als eine Weinkiste – doch was sich darauf abspielt, ist großes Kino. Wo VfB-Chef Alexander Wehrle hinter dem Tresen steht, bringt Ballettstar Eric Gauthier alle zum Tanzen.

Wo der VfB-Chef hinterm Tresen steht

Eric Gauthier animiert mit seinem Charme die Gäste der Weinstube Fröhlich zum Tanzen (Mitte: VfB-Chef Alexander Wehrle).

Von Uwe Bogen

Stuttgart - Während im Stuttgarter Leonhardsviertel ein Nachbarschaftsstreit entbrannt ist und damit Schlagzeilen macht, beweist die Weinstube Fröhlich, dass in der Altstadt auch Nähe, Lebensfreude und Gemeinschaft zuhause sind. Das Lokal, das seit Anbeginn Kulturschaffende anzieht, wirkt wie ein großes Wohnzimmer: warm, einladend, fast familiär. Fröhliche Menschen gehen hier ein und aus, allein schon, weil Spätzle, Maultaschen und Rostbraten zu den besten der Stadt zählen.

Die wohl kleinste Bühne der Stadt

Den Hausherrn kennt man aus ganz anderen Zusammenhängen. VfB-Chef Alexander Wehrle, Teilhaber dieses schwäbischen Restaurants, geht in seiner Rolle als Wirt sichtlich auf, wie man bei der vierten Ausgabe der Benefizreihe „Fröhlicher Sonntag“ erleben kann. Der 50-Jährige steht hinterm Tresen, öffnet souverän Sektflaschen, scherzt mit den Gästen und wischt zwischendurch Gläser. „Man weiß ja nie“, sagt er mit einem Lächeln, „man braucht schließlich ein zweites Standbein.“ Worte eines Mannes, dessen Verein nach dem jüngsten Sieg aktuell auf Platz drei der Bundesliga rangiert.

Später tanzt Alex Wehrle mit VfB-Co-Trainer Malik Fathi und Moderator Jens Zimmermann (ebenfalls Teilhaber der Weinstube) zu den Kommandos von Eric Gauthier, dass es eine wahre Freude ist. Doch der Reihe nach: Der Abend beginnt mit dem intensiven Auftritt des ukrainischen Popsängers Lue Bason. Auf der wohl kleinsten Bühne der Stadt – kaum größer als eine Weinkiste – singt er mit einer markanten Stimme, die tief berührt, von Liebe, Schmetterlingen, Verlust und Träumen.

Der Krieg in seiner Heimat Ukraine sorgte dafür, dass der 31-Jährige, der einst beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest auf Platz drei kam, vor drei Jahren in Stuttgart gestrandet ist. Ein Auftritt in einem Lokal ist etwas anderes als auf einer großen Bühne, von der er sonst in helle Scheinwerfer blickt. „Man sieht jeden einzelnen von euch“, sagt er. Lou schaut in ergriffene Gesichter.

Gauthier singt ein Lied für Gudrun Schretzmeier

Dann betritt Eric Gauthier, jener energiegeladener Ballettstar, den alle lieben, die Mini-Bühne. In vier Liedern lässt der gebürtige Kanadier sein künstlerisches Leben in seiner Wahlheimat Revue passieren – von den „Kässpätzle“, seiner Liebeserklärung an Stuttgart, bis zur Trauer um Gudrun Schretzmeier, die vor drei Wochen verstorbene Kostümbildnerin und Mitbegründerin des Theaterhauses. Für sie hat er ein Lied geschrieben, das er an diesem Abend erstmals öffentlich singt. Die Weinstube hält den Atem an, und Gauthier kämpft mit den Tränen. Das Leben ist eine Achterbahnfahrt. Auf ernste Momente – so muss das sein – folgen heitere Töne. Mit seinem „Carbonara“-Mitmach-Stück bringt der „Jamie Oliver des Tanzes“ das Publikum zum Hüpfen – Alexander Wehrle mittendrin, ebenso Malik Fathi. Alle sind, im besten Sinne des Wortes, fröhlich. Unter den Gästen: Ballettstar Jason Reilly, Kickers-Präsident Rainer Lorz, Bandleader Berti Kiolbassa, MHP-Mitgründer Ralf Hofmann.

Der gesamte Erlös des Abends – der Eintritt kostet 80 Euro inklusive Speisen und Getränke, alle Beteiligten wirken ohne Bezahlung mit – geht an den Verein „Zeit zum Tanzen“, ein Inklusionsprojekt, das Menschen mit und ohne Handicap zusammenbringt. Die Stadt hat die Förderung gestrichen, doch der „Fröhliche Sonntag“ hilft nun. Gauthier, der kurzfristig für die erkrankte Tatjana Geßler eingesprungen ist, durfte aussuchen, wer das Geld bekommt. „Es ist schön, wenn Menschen, denen es gut geht, etwas zurückgeben“, sagt Wehrle.Die Weinstube Fröhlich ist ein Ort mit Tradition, der Stadtgeschichte geschrieben hat. 1963 als Weinstube Widmer eröffnet, wurde sie schnell zum Treffpunkt für Kulturschaffende, Ballett-Größen, Journalisten und sonstige Nachtschwärmer. Hier saß man nach Theaterpremieren, diskutierte, lachte, blieb bis tief in die Nacht. In den 1980er-Jahren übernahm Stammgast Hans Fröhlich, Feuilletonchef der Stuttgarter Nachrichten, das Lokal und gab ihm seinen Namen. Die blank gescheuerten Holztische sind zum Teil 50 Jahre alt.

Kürzlich war Sänger Axl Rose zu Gast

Bekannte Gesichter sieht man wie seit der Eröffnung immer wieder hier: Kürzlich etwa kam Axl Rose, der Sänger von Guns N’ Roses, auf einen Zwiebelrostbraten mit Spätzle. Während Alexander Wehrle und Jens Zimmermann Teilhaber sind, führt Mancika Kohler-Kesinovic als dritte Inhaberin das Tagesgeschäft.

Fröhlich ist nicht nur der Name der Weinstube, sondern auch eine Haltung – und ein Zeichen: Wer fröhlich ist, bekommt vieles besser hin. Später geht Alex Wehrle mit dem Tablett von Tisch zu Tisch und verteilt fröhlich Grappa. Angeblich will er das künftig nach jedem VfB-Sieg in seinem Lokal so machen.