Wunderliches und allzu Menschliches

Eberhard Bohn gibt bei den Murrhardter Landfrauen Kostproben aus seinem großen Schatz gesammelter Erzählungen und Erlebnisse

Eberhard Bohn ist nicht nur eine gefragte Koryphäe, wenn es um den Bau und die Konstruktion historischer Mühlen geht, sondern auch Heimatkundler undein brillanter Erzähler. Nun kamen auch die Murrhardter Landfrauen in diesen Genuss.

Wunderliches und allzu Menschliches

Eberhard Bohn (links) in Aktion: Er ist bei den Murrhardter Landfrauen im Gasthaus Lamm zu Gast, stellt Auszüge aus seinen Büchern vor und kommt dabei schnell ins Erzählen. Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber



MURRHARDT. Der Mann ist ein Geschichtensammler. Unzählige Anekdoten aus der Gegend und Witze, die ihm erzählt wurden oder die er irgendwo gelesen hat, hat er im Lauf der Zeit aufgeschrieben und gesammelt. Und er provoziert gern. Je nach Reaktion des Gegenübers entstehen auch dabei sehr unterhaltsame Geschichten. Um der ewigen Zettelwirtschaft ein Ende zu machen, hat er die Texte letztens thematisch geordnet und im Selbstverlag in ein privates, heiteres Büchlein gepackt: „Lauter Dummheiten“ heißt es. Einige Auszüge daraus bringt er bei einem Nachmittag des Murrhardter Landfrauenvereins zur allgemeinen Erheiterung zu Gehör. Unter der verheißungsvollen Rubrik „Die eheliche Liebe“ etwa diesen: Beim Glückwunsch zur diamantenen Hochzeit gratuliert der Bürgermeister und fragt den Ehemann: „Welches war nun die schönste Zeit in Ihrem Leben?“ Der antwortet trocken: „Die russische Kriegsgefangenschaft.“ Oder diesen zum Thema „Gesundheit“, Oma Heidi erklärt: „Ein Geheimnis meiner jugendlichen Frische ist, dass ich täglich Knoblauch esse.“ Brummt Enkelin Gabi naserümpfend: „Ein Geheimnis ist das aber nicht!“ Andere Stories des 84-Jährigen sind deutlich länger oder auch in Reime gefasst.

Vorstandsmitglied Helga Blank, die von Dienst wegen bei beiden alten Leutchen, dem Ehepaar Bohn, regelmäßig vorbeischaut, hat den gelernten Mühlenbauer und passionierten Heimatkundler für diese Winterveranstaltung im Gasthaus Lamm in Murrhardt-Hausen gewonnen. Manchmal stehen auch Vorträge zu medizinischen Themen, eine Anleitung zu Gedächtnistraining oder Grußkartengestaltung auf dem Programm der Nachmittage. Oder auch mal ein Diavortrag des örtlichen Tierarztes über dessen Reise nach Peru.

Eberhard Bohn begegnet seinen Mitmenschen unvoreingenommen und mit offenen Sinnen. Vielleicht übt er gerade deshalb eine magische Anziehungskraft auf eigenwillige Typen aus. Wie auf jene zugezogene, an Schizophrenie erkrankte Außenseiterin, die ihre Briefe mit dem Kürzel AEG unterzeichnet. „Ich bekam einen Einblick in das Paralleluniversum, das für sie ja real ist“: Die Fremden, die ihr Zimmer umräumen, das ausgetauschte Türschloss, die manipulierte Schlagsahne, der gefälschte Brief... Die schwer verdaulichen Erlebnisse hat Bohn in seinem Roman „Almunde – Ein Leben in zwei Welten“ verarbeitet. Auch daraus liest er eine Episode vor. Die gut 20 gebannt lauschenden Zuhörerinnen – unter ihnen ist auch ein Mann – schwanken zwischen Lachen und Kopfschütteln.

Die eigentliche Passion des Kirchenkirnbergers aber gilt der Heimatkunde und den Mühlen, Technik- und Ortsgeschichte, Familienschicksalen, Mythen und Sagen aus der Gegend. Zusammen mit dem Murrhardter Gerhard Fritz, der als Professor für Geschichte an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd lehrt, hat er dazu im Verlag Hennecke bereits mehrere kleine Schriften herausgebracht. Teils sind diese inzwischen schon vergriffen.

Gründlich hat er in Archiven und Kirchenbüchern geforscht, alte Briefe entziffert. Und er hat beizeiten betagte Einheimische befragt, die inzwischen längst gestorben sind und ihr Wissen mit ins Grab genommen hätten. Dem interessierten Sohn des Dorfes haben sie auch die Geheimnisse mit übersinnlicher Thematik anvertraut, die ein Fremder nie erfahren hätte.

Gerne verpackt der Mundartdichter spannende Geschichten in Reimform. Etwa die Gruselstory vom Raddle vom Hasenhof bei Murrhardt, der post mortem penetrant die minutiöse Erfüllung seiner Vorstellungen bezüglich seiner Bestattung einfordert: „I will emol et wie gewehnliche Leit / em Kirchhof dibe vrgrabe sei. / I will drei Däg noch meim Sterbe / genau onderem Ölberg en Bode nei. // Zom Ölberg möchte i em Leichawaga / vorna dra ä baar frisch bschlagene, prächtige Geil. / I dulds net, dass ihr mi do niebr traget / Ond – an dr Walterichskirch will i a richdige Leicht.“

Mit dieser gereimten Geistergeschichte kam er beim Wettbewerb um den Sebastian-Blau-Preis der Schwäbischen Mundart in die Endausscheidung und hat in Rottenburg am Neckar den vierten Platz gemacht. Die Texte der Finalisten sind unter dem Titel „Ens Blau nei gschrieba“ beim Silberburgverlag erschienen.

Im neuesten Buch „Der Gänsejakob“ erzählt Bohn Schicksale von Menschen aus den letzten Jahrhunderten. Von Gänsehirten, Scheintoten, Scharfrichtern. Anrührende, schauerliche, aber oft auch amüsante Begebenheiten, akribisch recherchiert. Der titelgebende Jakob Strohmeier – später ein richtiges Original – wurde am 5. Juni 1887 als zehntes Kind einer Kirchenkirnberger Familie geboren. Es sei aber ein so schwächliches Knäblein gewesen, dass die Hebamme nach getaner Arbeit im Gehen zur Mutter meinte: „Den wirst du wohl nicht davonbringen.“ Auf die zaghafte Anfrage der Mutter, ob man nicht den Doktor holen solle, kam die knappe Antwort, die keinen Widerspruch zuließ: „Das rentiert sich nicht.“ Gestorben ist dann allerdings die Mutter selbst, noch im Kindbett.

Info
Eberhard Bohns Bücher

Die aktuelleren Titel von Eberhard Bohn: Der Gänsejakob. Geschichten aus dem Schwäbischen Wald. Book on Demand (BoD), 2018; Almunde – Ein Leben in zwei Welten. Roman. BoD, 2016; Dem Müller, dem’s an Wasser fehlt – Mühlengeschichten und Wissenswertes über Mühlen, Korn, Mehl und Brot. BoD, 2016.

Weitere Titel: Mühlen im Schwäbischen Wald. Landratsamt Rems-Murr-Kreis, 2009; zusammen mit Gerhard Fritz: Kirchenkirnberg – Ein Pfarrdorf an der Grenze. Hennecke, 2005; zusammen mit Gerhard Fritz und Hans-Dieter Bienert: Von Erdluitle und dem Wilden Heer. Hennecke, 1996.