Zähneknirschen im Aspacher Fautenhau

Fußball-Drittligist SG Sonnenhof darf dank behördlicher Lockerungen seit Montag wieder in sogenannten Kleingruppen trainieren. SG-Verantwortliche sehen keine Wettbewerbsgleichheit zu Teilen der Konkurrenz und plädieren weiter für einen Saisonabbruch.

Zähneknirschen im Aspacher Fautenhau

Weiß noch nicht sicher, wie er diese Saison weiterhin Kommandogeber in Aspachs Abwehr sein soll: Julian Leist. Der SG-Kapitän macht eine kaufmännische Ausbildung und das DFB-Hygienekonzept hat sogenannte Halbprofis und deren Kontaktumfeld zumindest bisher nicht berücksichtigt. Foto: A. Becher

Von Uwe Flegel

Wie es weitergeht? Philipp Mergenthaler und Andreas Benignus können es nicht genau sagen. Fakt ist, dass Großaspachs Drittliga-Fußballer gestern die Erlaubnis der Landesregierung genutzt und das Training in Kleingruppen wieder aufgenommen haben. Von 13 bis gegen 18 Uhr arbeitete das Team um die Coaches Hans-Jürgen Boysen und Markus Lang nacheinander mit den jeweiligen Fünfergruppen. Heute werden der Trainerstab, die Spieler und Betreuer der SG Sonnenhof das erste Mal auf Corona getestet. Dennoch sagen der Vorsitzende Benignus und der Vorstandsmitglied Mergenthaler: „An unserem Standpunkt ändert das nichts.“ Die Schwaben plädieren weiter dafür, dass die Runde abgebrochen wird.

Ab 26. Mai soll die Dritte Liga mit sogenannten Geisterspielen fortgesetzt werden. Elf Spieltage gilt es bis 30. Juni zu absolvieren. „Nach 58 Tagen Pause sollen die Spieler nun ohne richtige Vorbereitung fünf englische Wochen in Serie absolvieren“, rechnet Andreas Benignus stirnrunzelnd vor. Mit Fürsorgepflicht für Beschäftigte und Spieler hat das nichts zu tun. Deshalb ärgert sich Benignus: „Der DFB sagt zu dem Problem einfach, sorgt für einen ausreichend großen Kader.“ Als ob die Vereine außerhalb der Transferperiode noch Spieler verpflichten könnten. Klar ist für die SG-Verantwortlichen: „Den Spielern bleibt freigestellt, ob sie weiterspielen wollen.“

Der Drittliga-Vorletzte beugt sich zähneknirschend dem Druck des DFB und versucht, den Anforderungen gerecht zu werden. Mit Kevin Schmid als Projektleiter hat die SG zu dem Verbandspapier zusätzlich ein eigenes Konzept entwickelt. Spieler, Trainer und Betreuer wurden in die Maßnahmen bereits eingewiesen. Mit Heiko Kachel und Rainer Michelfelder haben zwei Mannschaftsärzte den Posten des Hygienebeauftragten übernommen und wachen darüber, dass die Vorgaben eingehalten werden. Damit hat die SG eine Klippe umschifft, die Klubs wie der FSV Zwickau noch vor sich haben. Teilweise wird der geforderte Arzt per Stellenanzeige gesucht.

DFB stellt Großaspach auf eine Stufe mit dem FC Bayern München.

Was Aspach fehlt, das ist der Mannschaftskoch, „der laut DFB-Konzept das Essen für Spieler, Trainer und Betreuer zubereiten muss“, wie Mergenthaler sowie Benignus berichten und lachen müssen, wenn sie daran denken, dass die SG nun einen eigenen Koch beschäftigen soll. Für Mergenthaler Beweis dafür, „dass das Hygienekonzept keinen Unterschied zwischen Bundesliga-Spitzenreiter Bayern München und Großaspach macht. Der DFB geht davon aus, dass das, was die großen Bayern leisten können, auch der Dorfklub schafft.“ Dabei wird bei der SG noch sehr viel im Ehrenamt erledigt, wofür andere bezahlte Kräfte beschäftigen.

Ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen Bedingungen ist Aspachs Kapitän Julian Leist. Er ist kein Vollprofi, da er im Rahmen des Dualen Systems der SG bei einer Stuttgarter Firma eine Ausbildung als Groß- und Außenhandelskaufmann macht. Heißt: Will der 32-Jährige am Ball bleiben, darf er wohl nicht mehr arbeiten sowie zur Schule gehen, oder aber seine dortigen Kontaktpersonen müssen sich möglicherweise wenigstens zweimal innerhalb der nächsten Wochen testen lassen. So wie es von allen Personen aus dem privaten Umfeld eines Spielers im Prinzip gefordert wird. Vom Verein auf den Fall Leist angesprochen, wusste der DFB bisher keine Antwort, wie das geregelt werden soll. Dabei mag der SG- Kapitän ja in der Dritten Liga vielleicht eine Ausnahme sein, in der Frauen-Bundesliga gibt’s aber einige Spielerinnen die halbtags arbeiten. Und: Für diese Klasse gilt dasselbe Konzept.

Unter einigermaßen gleichen Wettbewerbsbedingungen wird die Saison sicherlich nicht mehr zu Ende gebracht. Während zum Beispiel die bayrischen Klubs längst in Kleingruppen trainieren dürfen, ging in Orten wie Mannheim, Aspach, Jena, Magdeburg oder Halle wegen behördlicher Vorgaben lange nichts. Werden die restlichen Partien in der Reihenfolge des ursprünglichen Plans gespielt, haben mit Unterhaching und Ingolstadt zwei der ersten drei SG-Gegner mehrere Wochen Trainingsvorsprung.

Hinzu kommt, dass Aspach derzeit noch nicht sagen kann, was im Fautenhau umgebaut werden muss, um der Forderung nach mehr Platz und mehr Kabinen nachzukommen. Schließlich müssen beide Teams deutlich getrennt werden. Auch das gemeinsame Betreten des Spielfelds ist untersagt. „Wir hoffen, dass es diese Woche noch zur gemeinsamen Begehung mit dem Ordnungsamt und dem Gesundheitsamt kommt“, sagt Benignus. Er rechnet mit einem klar sechsstelligen Betrag, den der Verein zahlen muss, um die DFB-Vorgaben erfüllen zu können. Dabei nicht eingerechnet sind die Kosten für die vorgeschriebene Flächendesinfektion, die in den Umkleideräumen nach jedem Training und Spiel erfolgen muss.

Halles Präsident schimpft: „DFB ist es egal, ob wir auf dem Mond oder in Weißrussland spielen.“

Klar ist für Aspachs Vorstandsmitglieder trotz all der Kritik: „Wenn der DFB sagt, dass wir spielen müssen, dann müssen wir spielen.“ Das hat die SG vor der Saison vertraglich zugesagt. Und: derzeit baut der Verband viel Druck auf, um die kritischen Vereine zu bändigen. Weil in Thüringen oder Sachsen-Anhalt die Regierungen und Behörden noch nicht mitziehen, plant der DFB gar die Verlegung der Heimspiele von Jena, Magdeburg und Halle in andere Bundesländer. Halle zum Beispiel soll dann angeblich in Leipzig oder Berlin spielen. HFC-Präsident Jens Rauschenbach, vor Wochen selbst mit dem Coronavirus infiziert und eifriger Abbruch-Befürworter, schimpft: „Dem DFB ist es egal, ob wir auf dem Mond oder in Weißrussland spielen.“ Wichtig ist dem Verband nur, dass nicht er, sondern der Verein die Reisekosten trägt.

Wobei ebenfalls zur Wahrheit gehört, dass es viele Klubs gibt, die weiterspielen wollen. Mergenthaler weiß das und hat dafür Verständnis. „Rostock kennt solche Probleme wie wir sie haben gar nicht. Da gab es vergangene Woche fast keine Infizierten. Bei uns im Südwesten sieht das einfach anders aus.“ Die unterschiedliche Situation und Akzeptanz in Deutschland nehme der Verband aber nicht zur Kenntnis. Für Mergenthaler steht fest, „dass ich selbstverständlich akzeptieren muss, wenn Hansa aufgrund der dortigen Situation spielen will. Dann muss Rostock aber auch begreifen, dass die Lage im Südwesten einfach eine andere ist. Wir sind hier in Aspach und müssen sehen, wie sieht es in unserer Region aus.“

Auszüge aus dem Hygienekonzept des DFB

„Es kann nicht das Ziel sein, hundertprozentige Sicherheit für alle Beteiligten zu garantieren. Denn das dürfte sich als unmöglich erweisen. Es geht darum, ein angesichts der Bedeutung des Fußballs (sozial-/gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich) sowie der Pandemieentwicklung medizinisch vertretbares Risiko zu gewährleisten.“

„Das Stadiongelände wurde zur Klarstellung in drei Zonen eingeteilt: Zone 1 Innenraum, Zone 2 Tribüne, Zone 3 Stadionaußengelände. Es dürfen zeitgleich maximal zirka 300 Personen auf dem Stadiongelände sein. Zudem dürfen in jeder Zone maximal 100 Personen zeitgleich anwesend sein.“

„Anreise der Teams mit mehreren Bussen/ Transportern (der Mindestabstand von 1,5 Metern ist zu gewährleisten). Spieler/Staff tragen bei der Anreise Mund-Nasen-Schutz. Auf ausreichende Desinfektion der Busse vor Zutritt des Teams ist zu achten.“

„Alle Personengruppen, außer den aktiven Spielern und Schiedsrichtern auf dem Spielfeld, sind dazu verpflichtet, im Stadion Mund-Nasen-Schutz zu tragen.“

„Vor dem Auftakt für reguläres Mannschaftstrainings sind mindestens zwei Testungen aller am Trainingsbetrieb beteiligten Personen erforderlich – vorzugsweise innerhalb von fünf Tagen inklusive dem letzten Tag vor dem Trainingsauftakt. Als weitere Sicherungsmaßnahme werden mindestens die letzten sieben Tage vor Saisonbeginn als Trainingslager in Quarantäne verbracht, wobei die regelmäßige Abstrichtestung fortgesetzt wird.“