Zwischen Nostalgie, Lebensfreude und Zeitlosigkeit

Die italienische Folkloreformation I Liguriani verzaubert mit dieser ganz besonderen Mischung ihr Publikum beim Konzert in Murrhardt.

Zwischen Nostalgie, Lebensfreude und Zeitlosigkeit

I Liguriani malen mit ihrer Musik bunte Bilder und zelebrieren beeindruckende Stimmungen bei ihrem Konzert im Murrhardter Heinrich-von-Zügel-Saal. Foto: Stefan Bossow

Von Petra Neumann

Murrhardt. I Liguriani, das sind Fabio Biale (Gesang, Violine, Perkussion), Michel Balatti (Traversflöte), Fabio Rinaudo (Dudelsack), Filippo Gambetta (Knopfakkordeon) und Claudio De Angeli (Gitarre). Über ihre Musik sagte Fabio Rinaudo: „Die Musik ist jahrhundertealt und wurde überliefert. Jede Generation hat einen Teil dazu beigetragen und sie weiterentwickelt.“ Natürlich sei sie kein archäologisches Fundstück, erstarrt und antiquiert, sondern etwas sehr Lebendiges, das sich fortentwickeln wolle und dadurch reifer werde. „Als die Lieder entstanden, gab es noch keine Harmonielehre. Sie sind eher wie eine Form, in die wir Musiker die Farbe hineingeben. Allerdings können wir auch nicht improvisieren, sondern müssen uns in den vorgegebenen Bahnen bewegen. Trotzdem, diese Tänze waren der Ursprung der gehobenen Musik, ohne sie hätte es keinen Bach, keinen Beethoven gegeben.“

Die Tänze sind in Ligurien

und im Piemont beheimatet

Und es stimmt tatsächlich, die meisten der flinken und heiter anmutenden Musikstücke sind bunt und malen Bilder in Farben wie Himmelblau, Umbra- und Sienabraun. Sie sind voller Lebenslust nach harten Arbeitstagen, welche die karge Existenz ermöglichen, und genau deswegen auch so übermütig, betont fröhlich und unbändig. Ihre Namen sind hierzulande nicht geläufig, es sind Mazurkas, Monferinne und Sbrandi, also Tänze, wie sie in Ligurien und im Piemont beheimatet sind. Zudem war das Quintett musikalisch länderübergreifend unterwegs, es gehörten auch Jigs und Reels, also traditionelle irische, schottische und englische Lieder zum Programm.

Außerdem hatten die Mannen von I Liguriani nicht nur traditionelle Weisen im Gepäck, sie stellten auch zwei Walzer, komponiert von Fabio Rinaudo, vor. Zum Hintergrund von „Valse du Driveur et Iolanda“: Der Komponist lebt in der Nähe der französischen Grenze und wurde auch von der Folklore dieser Gegend beeinflusst, etwa der Musette. „Pantalino“, eine Polka, geht auf ein altes Manuskript zurück, das im Jahr 1627 verfasst wurde.

Andere Tänze und Lieder thematisieren alltägliche Dinge, so wie die höchst betrübliche Geschichte einer Frau, die nach etlichen Ehejahren feststellen muss, dass ihr Angetrauter nicht gerade eine treue Seele ist. Da sinniert sie, wie sie ihm beibringen kann, wie wichtig sie in seinem Leben ist. Fabio Biale muss sich angesichts der Divergenz von traurigem Text und fröhlicher Melodie fragen, wieso das so ist, und kommt zu des Rätsels Lösung: Der Text spiegelt die Situation der Ehefrau wider und die Weise jene des Mannes, der eine unbekümmerte Lotterexistenz führt.

Schwermütiger Kontrast und

das Spiel mit Stimme und Ortswechsel

Gefährlich schwermütig ist allerdings die Notensetzung von „Minuetto“, aber nur für 30 Sekunden, verrät Fabio Biale mit einem Augenzwinkern. Dann geht es zwar auch noch traurig weiter, aber nicht so drastisch wie zu Beginn, tröstet er das mitfühlende Publikum. Was die Arrangements der vorgestellten Traditionals betrifft, so sind sie sehr fein herausgearbeitet und ausgefeilt. Zudem war auch Zeit für kleine Gimmicks wie bei „Tiribi Taraba“, wobei der Sänger immer leiser wurde und schließlich seine Stimme verschwinden ließ, um sie später wieder zurückkehren und anschwellen zu lassen. Auch ein kleiner Rundgang beim Spiel durch den Saal gehörte zu den netten Showeinlagen.

Die Folge all des Könnens und der Herzlichkeit war ein restlos begeistertes Publikum, das engagiert mitging und sich von I Liguriani mitreißen ließ.