Zwischen Sorge und Dankbarkeit

Das gemeinsam von Ukrainerinnen und Ukrainern, Murrhardterinnen und Murrhardtern sowie Stadtverwaltung organisierte Willkommensfest für ukrainische Flüchtlinge lockt viele Gäste an, die einander kennenlernen, ins Gespräch kommen und ukrainische Spezialitäten probieren.

Zwischen Sorge und Dankbarkeit

Oksana Kaliuzhna und Natalia Schneider (von links) zeigen die kunstvoll mit dem ukrainischen Wappen dekorierte Torte, die nun für die Gäste angeschnitten wird. Foto: Elisabeth Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Bei herrlichem Frühsommerwetter hört man schon von Weitem lebhaftes Stimmengewirr beim Willkommensfest für die ukrainischen Flüchtlinge auf der fast vollbesetzten Stadthallenterrasse, zugleich Benefizveranstaltung für Geflüchtete in Notsituationen. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, und es kommt, wie gewünscht, zu vielen guten Begegnungen und Gesprächen zwischen Gastgebern und Gästen. Darunter sind viele Einheimische, die sich für die Flüchtlinge engagieren, sowie Personen, die wichtige Institutionen vertreten.

Aus kurzen Gesprächen mit Geflüchteten geht hervor, dass die Sorge um die Situation von Angehörigen und Freunden in der Ukraine allgegenwärtig ist. Im Zentrum ihrer Aktivitäten stehen existenzielle Fragen wie die Suche nach Wohnung und Arbeit sowie der Wunsch, möglichst schnell Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Das Fest organisiert und veranstaltet haben Ukrainerinnen und Ukrainer, die schon länger in der Walterichstadt leben, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich unter anderem im Arbeitskreis Asyl für Flüchtlinge engagieren, und die Stadtverwaltung.

Rund 100 ukrainische Geflüchtete

sind im Raum Murrhardt untergekommen

„Im Raum Murrhardt leben zurzeit rund 100 vor dem Krieg geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer, die hier Zuflucht gefunden haben. Sie wollen sich für die freundliche Aufnahme bedanken und veranstalten dazu dieses Willkommensfest“, erklärt Roland Schuck, einer der Mitinitiatoren und Organisatoren. Er arbeitete 20 Jahre in der Ukraine und ist mit einer Ukrainerin verheiratet. „Ziel des Festes ist es, einander kennenzulernen und verschiedene Gruppen zusammenzubringen, die Flüchtlinge zu informieren über Angebote und Möglichkeiten, die es in der Walterichstadt und der Region gibt. Ebenso für sie Ansprechpartner, Freunde und Unterstützer zu finden, die ihnen bei verschiedenen Anliegen weiterhelfen.“ Das Fest sei eine Premiere und „zur Nachahmung empfohlen“, verdeutlicht er.

„Die meisten Flüchtlinge sind Frauen mit Kindern, teils noch Babys, von denen viele tragische Schicksale erlitten und traumatische Erlebnisse hatten. Oft zerriss der Krieg die Familien. Ihre Männer, Brüder oder Söhne kämpfen als Soldaten in der ukrainischen Armee gegen die russische Armee“, berichtet Schuck. Lena Butova spricht im Namen der geflüchteten Familien aus umkämpften Gebieten in der Ost- und Südukraine sowie im Donbass. Sie bittet die Deutschen um verständnisvollen Umgang mit den Flüchtlingen: „Viele sind aus der Bahn geworfen und orientierungslos, aber sehr fleißig, gut ausgebildet und qualifiziert. Sie können Deutschland und den Deutschen helfen.“

Butova spricht eine Einladung in die Ukraine – nach Kriegsende – aus, die Ausdruck der Hoffnung auf die Zukunft ist. „Alle Familien, die wieder in die Heimat zurückkehren, werden die Wärme in der Seele für die Deutschen bewahren, die ihnen geholfen haben“, betont sie. Ein Herzensanliegen ist den Flüchtlingen der persönliche Dank an alle, die sich für sie engagieren, die Stadtverwaltung und Bürgermeister Armin Mößner mit eingeschlossen. Ihm überreicht Lena Butova ein Karawai, ein Erntebrothefegebäck, und Salz als Symbol der Gastfreundschaft. Feierlich erklingen die Nationalhymnen der Ukraine und Deutschlands als Zeichen der Freundschaft beider Völker.

„Die Idee zu diesem Fest entstand in den vergangenen Wochen“, dazu seien Roland Schuck und Christian Schweizer auf ihn zugekommen, erzählt Bürgermeister Armin Mößner. „Es bestand der Wunsch seitens der geflüchteten Ukrainer und der Stadt, ein Willkommens- und Dankesfest zu organisieren und dazu die Bevölkerung einzuladen, um einander besser kennenzulernen und sich erkenntlich zu zeigen für die gute Aufnahme.“ Für den „unbeschwerten Nachmittag“ zur Begegnung sei die wetterunabhängige Stadthallenterrasse ideal geeignet. „Murrhardt hat jahrzehntelange Erfahrungen mit der Aufnahme von Flüchtlingen“, wobei Mitglieder des Arbeitskreises Asyl um Pfarrer Achim Bellmann als Koordinator und das Team der Volkshochschule die Stadtverwaltung tatkräftig unterstützen. „Wir wollen Ihnen ein guter Ort der Zuflucht sein“, sagt der Rathauschef.

Integrationsangebote und

Hilfe von verschiedenen Seiten

Er informiert über das breit gefächerte Angebot der örtlichen Sport-, Musik- und Gesangvereine. Sie „heißen die ukrainischen Flüchtlinge mit offenen Armen willkommen“. Zudem unterstütze der örtliche Kinderschutzbund „mit ausgestreckter offener Hand“ ukrainische Familien mit Jahreskarten fürs Freibad, überdies erhielten Flüchtlinge Eintrittskarten für den Sommerpalast. „Die Geflüchteten sind privat untergebracht und erhalten staatliche Unterstützung, dürfen sich in der EU frei bewegen, wohnen und arbeiten. In der Vorbereitungsklasse der Walterichschule und in einer Regelklasse des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums sind einige Schüler, in der Integrationsklasse der Volkshochschule Erwachsene, alle sehr leistungsbereit“, berichtet Mößner auf Nachfrage.

Großer Andrang herrscht am reichbestückten Büfett mit ukrainischen Spezialitäten, die etliche fleißige Ukrainerinnen in der Stadthallenküche zubereiteten. Viele Gäste probieren die Köstlichkeiten: Blinypfannkuchen gefüllt mit Fleisch und Pilzen oder Quark, Borschtschsuppe, Warenykiteigtaschen mit Kartoffeln oder Weißkraut gefüllt. Zudem gibt es Kuchen, und Oksana Kaliuzhna und Natalja Schneider präsentieren eine kunstvoll mit dem ukrainischen Wappen dekorierte Torte. Die Organisatoren bitten die Gäste um Spenden fürs Essen, die Flüchtlingen als Nothilfeunterstützung zugutekommen. Für gute Stimmung sorgt auch Oliver Steer als Alleinunterhalter Olisono mit bekannten schwungvollen Melodien.