Zeit für intensive Waldentdeckung

Die Walterich- und die Herzog-Christoph-Schule Murrhardt haben dieses Schuljahr die Möglichkeit, über ein waldpädagogisches Projekt mit Schülerinnen und Schülern in die Natur einzutauchen und sie zu erkunden. Wir haben eine der Klassen bei einer Session begleitet.

Försterin Nora Walbrun (Mitte) lenkt den Blick darauf, dass Fichten- und Tannenzweige unterschiedlich aussehen. Zuvor haben sich Zweierteams – auch Schulsozialarbeiter Achim Strack (Mitte links) hat sich eingereiht – aufgemacht, um Blätter, Zweige und Früchte zu suchen.

© Stefan Bossow

Försterin Nora Walbrun (Mitte) lenkt den Blick darauf, dass Fichten- und Tannenzweige unterschiedlich aussehen. Zuvor haben sich Zweierteams – auch Schulsozialarbeiter Achim Strack (Mitte links) hat sich eingereiht – aufgemacht, um Blätter, Zweige und Früchte zu suchen.

Von Christine Schick

Murrhardt. Pünktlich um 9 Uhr kommen die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler mit ihren Lehrerinnen Silke Matena und Sarah Schmid sowie Schulsozialarbeiter Achim Strack am Parkplatz Römersee an. Dort treffen sie sich mit Försterin Nora Walbrun, mit der sie den Vormittag im Wald in der Nähe des kleinen Sees verbringen werden. „Wisst ihr, was Förster im Wald machen?“, fragt sie in die Runde. „Bäume markieren, wenn sie morsch sind“, sagt ein Schüler. So kommt das Gespräch auf Borkenkäfer und Insekten, die schon ziemlich gut zum Thema des Tages „Wald und Boden“ passen. Nach einem kurzen Fußmarsch ist die 6a der Walterichschule an Grillstelle und Pavillon angelangt. „Ich hab Feuer gemacht und hoffe, dass es so ein bisschen gemütlich ist“, sagt Nora Walbrun. Eine gute Idee. Es ist nicht nur ein wenig ungemütlich-frisch und regnerisch, sondern das Feuer fasziniert die Jugendlichen auch. Erst heißt es, Taschen und Rucksäcke am Pavillon zu verstauen und Namensschilder zu schreiben, dann steht das erste kleine Experiment an. Es werden Zweierteams gebildet, die von der Försterin einen quadratisch geschnittenen Spiegel bekommen. Der eine soll ihn sich so an die Stirn halten, dass beim Hochschauen der Boden zu sehen ist, und loslaufen, der andere, weil das recht ungewohnt ist, bei Bedarf aufpassen, dass nichts passiert. „Das war megakomisch, weil alles auf dem Kopf steht“, sagt Maya. Schlecht geworden sei ihr aber nicht. Manche Jungs sind etwas abenteuerlicher unterwegs, doch auch für sie kommen Stöcke, Moos und Wurzeln in den Blick.

Die Flechte als genialer


symbiotischer Organismus

Genau hinsehen müssen die Jugendlichen auch bei der nächsten Challenge: „Ihr kennt doch Memory. So ähnlich funktioniert die Aufgabe. Ich hab euch acht Sachen mitgebracht. Ihr habt eine halbe Minute Zeit, sie euch einzuprägen, und sollt sie dann in der Umgebung finden“, erklärt Walbrun. Auf der Stofftüte liegen das Blatt einer Buche und Eiche, der Zweig einer Tanne und Fichte, ein Fichtenzapfen und eine Eichel sowie ein Stück Moos und Flechte. Die Schülerinnen und Schüler schwärmen aus und sind eifrig am Suchen und Sammeln. Nach einer Eiche müssen sie länger fahnden und sie lernen, dass Tannenzapfen nicht auf den Boden fallen, und so den Unterschied zum Fichtenzapfen. „Die Flechten sind ein ganz toller Organismus“, sagt Walbrun. „Ein Pilz und eine Alge arbeiten zusammen. Die Alge ist für die Fotosynthese zuständig, der Pilz macht die Struktur. Sie kommen mit widrigsten Bedingungen zurecht.“ Als Nächstes bekommt jeder das Bild eines Lebewesens und soll sich mit denjenigen zusammentun, die gut zueinander passen. „Wie bekommen diese Tiere ihre Kinder?“, ist ein Tipp der Försterin. Es dauert gar nicht so lange, bis die Gruppen – Säugetiere, Insekten, Vögel und Amphibien – stehen.

Dann ist Zeit für eine Vesperpause. Ziemlich gelegen kommt, dass Konrektor Kai Kasper einen Abstecher in den Wald zur 6a macht und heißen Tee im Gepäck hat. „Ich finde es wichtig, solche Angebote machen zu können“, sagt er. Neben dem Sozialkompetenztraining sind nun über die Initiative der Schulsozialarbeit diese waldpädagogischen Vormittage für fast alle Klassen möglich. Auch die Herzog-Christoph-Schule ist mit im Boot. Als Schulsozialarbeiter Achim Strack bei einer Tagung Förster Kilian Knötzele kennenlernte, erzählte ihm der vom Programm „Waldbox“ von ForstBW und der Landesforstverwaltung sowie der Möglichkeit, mit Kindern und Jugendlichen ganz unterschiedliche Themen zu erarbeiten. Das waldpädagogische Angebot ist zudem kostenfrei. Also ging Strack auf die Klassenlehrerinnen und -lehrer zu. Die Resonanz war überaus positiv und so organisierten die Schulen ein Angebot mit 20 Terminen für ihre Klassen.

Für die 6a geht es jetzt auf noch mehr Tuchfühlung mit Wald und Boden. „Wieso türmen sich die Nadeln und Blätter eigentlich nicht immer weiter auf?“, will Nora Walbrun wissen. „Das fällt alles auseinander“, so die völlig richtige Einschätzung. „Und wer sorgt dafür?“, hakt die Försterin nach. „Insekten und Würmer!“ Ebenfalls korrekt. Nora Walbrun will auf einen weiteren Mitspieler heraus. „Man findet viele von ihnen im Herbst und kann sie essen.“ Genau: „Pilze!“ Damit die Jugendlichen eine Idee davon bekommen, wer da so alles am und im Boden unterwegs ist, geht es jetzt noch zu einer echten Forschungseinheit.

Auf Tuchfühlung mit den kleinen Tieren, die am oder im Waldboden leben

Ausgestattet mit Handschuhen, Becherlupe, einer Bestimmungsliste und Pinzette tigern sie in Kleingruppen los. Auch drei Spaten können sie nutzen, um mal ein Stück Erde auszuheben und zu sehen, wer dort wohnt und wirkt. Die Teams fördern jede Menge spannende Krabbler und kleine Waldbewohner zutage. Der klassische Regenwurm ist genauso dabei wie die Nacktschnecke, der Schnurfüßer, die Kellerassel, Riesenlarven oder beeindruckende Käfer. „Unter totem Holz sieht man total viel“, sagt Nora Walbrun, also machen sich einige Kleingruppen daran, auch den einen oder anderen Baumstumpf zu untersuchen. Damit, dass sich dort im Holz eine Hornisse zurückgezogen hat, haben die Jugendlichen nicht gerechnet. Vorsichtig und aus einigem Abstand wird sie beäugt und dann wieder in Ruhe gelassen. Silke Matena zeigt auf ein kleines Pflänzchen mit zwei Blättern und stellt fest: „Das wird mal eine Buche.“ Wenn man erst einmal angefangen hat, den Waldboden genau anzuschauen, entdeckt man immer mehr. Die Jugendlichen lassen sich richtig anstecken und haben die Berührungsängste abgelegt. Eine ziemlich gut Sache findet Kai Kasper. „Was man anfasst, bleibt im Kopf“, sagt er.

In Totholz stößt man auf jede Menge Lebewesen. Hier haben die jungen Waldentdecker eine Käferlarve freigelegt. Fotos: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

In Totholz stößt man auf jede Menge Lebewesen. Hier haben die jungen Waldentdecker eine Käferlarve freigelegt. Fotos: Stefan Bossow

Ein Trio schaut sich mit Lehrerin Silke Matena einen Baumstumpf an und entdeckt eine Hornisse, die durch die Kälte aber kaum aktiv ist.

© Stefan Bossow

Ein Trio schaut sich mit Lehrerin Silke Matena einen Baumstumpf an und entdeckt eine Hornisse, die durch die Kälte aber kaum aktiv ist.

Das Erleben steht im Vordergrund

„Waldbox“ In diesem Schuljahr haben so gut wie alle Klassen der Walterich- und der Herzog-Christoph-Schule Murrhardt die Möglichkeit, beim waldpädagogischen Angebot „Waldbox“ teilzunehmen. An 20 Tagen gehen 21 Klassen zu Exkursionen in den Wald und machen ihn zum Lernort. Die Themen sprechen die Försterinnen und Förster mit den Lehrkräften zuvor ab. So können beispielsweise in Klasse 9 das Teamwork und der Bau einer Brücke und in Klasse 5 die Themen Holzwerkstatt und Geländespiele im Mittelpunkt stehen. Schulsozialarbeiter Achim Strack ist sehr glücklich über das Angebot: „Von den Kids, den Lehrkräften und Förstern haben wir bisher ein tolles Feedback bekommen.“ Als Försterinnen und Förster begleiten die Klassen Kilian Knötzele, Miriam Pfähler, Andreas Christ, Nora Walbrun, Philipp Dölker und Tamara Köngeter.

Themenvielfalt Das System „Waldbox“ ist ein gemeinsames Angebot von ForstBW (Staatsforst BW) und der Landesforstverwaltung. Ausgestattet mit der „Waldbox“ kommt eine Försterin oder ein Förster in einen schulnahen Wald. Der Autoanhänger bietet eine Themenvielfalt von Tieren über Klima bis zur Waldarbeit und wilden Küche. Im Vordergrund steht jedoch das Erleben. „Dabei werden mühelos gesellschaftliche, soziale und globale Werte, komplexe Systeme und nachhaltiges Denken und Handeln vermittelt und eingeübt“, so die Verantwortlichen. Weitere Infos zum Angebot im Netz auf https://waldbox.forstbw.de.

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Erstellt:
27. April 2024, 06:00 Uhr

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