Gespräche mit Netzwerkpartnern geplant

Bei ihrem zweiten Seminartreffen informiert die Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ über Austausche mit Politikern, ein Vorbildprojekt in Österreich sowie den Besuch einer Holzvergasungsanlage.

Im Grabenschulhaus treffen sich Interessierte zum Austausch über ein Bürgerenergiekonzept in Murrhardt. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Im Grabenschulhaus treffen sich Interessierte zum Austausch über ein Bürgerenergiekonzept in Murrhardt. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Im Zentrum des zweiten Seminartreffens der Initiative „Unser Bürgerenergiekonzept für die Stadt Murrhardt“ (UBE) im Grabenschulhaus, zu dem leider nur ein einziger interessierter Bürger gekommen ist, steht das Ziel, zeitnah mit möglichst vielen Netzwerkpartnern ins Gespräch zu kommen. Dabei wollen die Akteure den aktuell laufenden Kommunal- und Europawahlkampf nutzen und vor allem mit den Kandidatinnen und Kandidaten für den Gemeinderat diskutieren.

Im Fokus stehen zudem Personen und Ansprechpartner von Institutionen und Organisationen, die in der Walterichstadt und in der Region im Bereich Energie und Versorgung arbeiten oder sich dafür engagieren. So etwa die Stadtwerke, die Energiegenossenschaft EGM, Syna und Süwag sowie die Elektrizitätswerke Schönau. Mit diplomatischer Kommunikationskultur sollen gemeinsam mit diesen Netzwerkpartnern die Vorgehensweise und Zielsetzung besprochen werden, verdeutlicht Technikexperte Herbert Gräßl. Dies erachten auch die UBE-Initiatoren Dieter Schäfer und Christian Schweizer für den effizientesten Weg, um zügig einen Entwurf für das angestrebte Pilotprojekt zu erstellen.

Konkret geht es darum, eine stabile, langfristige, kostengünstige, unabhängige, notstrom- und schwarzstartfähige lokale Stromselbstversorgung mit maximaler Nutzung von allen verfügbaren erneuerbaren Energiequellen aufzubauen. Wie bei der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sollte es auch beim Strom funktionieren – sprich, die Stadtwerke sollen auch selbst Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren und an die Murrhardter Bevölkerung liefern, findet Christian Schweizer. Das ist eine enorme Herausforderung, darum informiert Schäfer zur Motivation über seinen Austausch mit Fachpolitikern.

So hat er vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Leon Eckert Infos zu einem Blackout-Gutachten des Büros für Technikfolgenabschätzung bekommen. Darin heißt es, dass Konzepte zum Aufbau von lokalen Inselnetzen, die auch bei einem großflächigen Stromnetzausfall aus unterschiedlichen Ursachen weiter Strom erzeugen können, die Robustheit der gesamten Stromversorgung nachhaltig steigern. Das zentrale Stromnetz sei heute wegen der weltweiten Krisensituation mit dem Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten mehr denn je gefährdet durch Hackerangriffe, die aggressive Staaten steuern. Deshalb ist es laut Schäfer ein Muss für verantwortungsvolle Politiker, die Bevölkerung zu schützen, wie sie es auch in ihrem Amtseid geloben.

Auf einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bekam er eine Antwort des Bürgerdialogs, der die gemeinschaftliche Nutzung von lokal erzeugtem Strom ausdrücklich befürwortet. Im Gegensatz zur UBE gehe das Ministerium jedoch von einer vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie RED II aus, so Schäfer.

Ein Vorbild für das Pilotprojekt der UBE ist das Dorf Goritschach der Gemeinde Finkenstein in Kärnten in Österreich. Dort haben 16 Haushalte eine Energiegemeinschaft gegründet und produzieren gemeinsam grünen Strom mit einer 140 Quadratmeter großen Fotovoltaikanlage auf dem Dach eines Wirtschaftsgebäudes. Zwei Drittel des erzeugten Stroms verbrauchen sie selbst, mit einer selbst entwickelten App optimieren sie den Stromverbrauch. So sparen sie viel Geld und refinanzieren außerdem die Kosten für die Anlage.

Leider lasse es die Gesetzeslage in Deutschland derzeit nicht zu, dass Nachbarn eine ähnliche private Energieerzeugungsgemeinschaft bilden und sich gegenseitig mit Strom versorgen, bedauert Herbert Gräßl. Bürokratismus, Lobbyismus der Stromkonzerne sowie fehlendes politisches und privates Engagement blockieren die Umsetzung der zur Verfügung stehenden modernen Technologien für die Erzeugung und Speicherung von Strom und die intelligente, bedarfsgerechte Steuerung. Privatpersonen sollten selbst aktiv werden und beispielsweise mit einer Fotovoltaikanlage oder einem Balkonkraftwerk Strom erzeugen, um die Lebenshaltungskosten zu senken und nicht mehr der Willkür der Energiekonzerne ausgeliefert zu sein, fordert Herbert Gräßl.

Seiner Überzeugung nach ist es im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, mit einem sinnvollen Energiemix unabhängig bei der Energieversorgung zu werden. Dazu gehören Sonne, Wind, Wasser, Biogas, energetische Müllverwertung und die Holzvergasung. Letztere ist eine verfahrenstechnische chemische Reaktion, bei der durch Teilverbrennung des heimischen, nachwachsenden Rohstoffs Holz unter hohen Temperaturen und Luftmangel brennbares Holzgas CO2-neutral gewonnen wird.

Auf einer Exkursion informierten sich Dieter Schäfer und Herbert Gräßl über diese Technik in einem Betrieb zwischen Ellwangen und Crailsheim. Dieser verkauft Holzhackschnitzel, die mithilfe der in der Holzvergasungsanlage erzeugten Wärme getrocknet werden. In der Anlage, die zusätzlich Strom produziert, beliefert die Holzvergasung ein Blockheizkraftwerk mit Holzgas. Herzstück ist ein sogenannter Reformer, der in der Mitte verengt ist und in dem die Hackschnitzel über einem 1200 Grad heißen Glutbett teilverbrannt werden. Das Holzgas wird mit einer Temperatur von etwa 850 Grad abgezogen, abgekühlt, in einem Filter gereinigt, von dem das Filtrat per Steuerung automatisch abgeklopft wird, und ins Blockheizkraftwerk geliefert. Aus den Hackschnitzeln wird entgaste Holzkohle, die zu Asche verglüht werden kann.

Seminar Die nächsten Treffen des insgesamt vierteiligen Seminars finden jeweils am Dienstag, 14. Mai und 9. Juli, im Grabenschulhaus in Murrhardt statt. Ein Vorbild für das Pilotprojekt der UBE ist das Dorf Goritschach der Gemeinde Finkenstein in Kärnten in Österreich.

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Erstellt:
15. April 2024, 06:00 Uhr

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