Unter traditionell-urigem Stern

Murreder Henderwäldler wollen als schwäbisch-alemannisch geprägte Zunft dem Landesnarrentreffen eine besondere Note verleihen

Wasserfratz, Feuerbarthl, Nachtkrabb, Hotz, Hexenturmweible, Tannenzapfenhurgler und Narreneltern inklusive Nachwuchs sind die Gastgeber des Landesnarrentreffens: Urige Figuren mit ihrer ganz eigenen Geschichte, die die Murreder Henderwäldler als junger, agiler Verein verkörpern. In diesem Sinne möchten sie auch dem Landesnarrentreffen ein spezielles Flair verpassen.

Der Hotz flankiert von Wasserfratzen – die Murreder Henderwäldler haben urige Einzel- und Gruppenfiguren. Archivfoto: E. Layher

© © Edgar Layher

Der Hotz flankiert von Wasserfratzen – die Murreder Henderwäldler haben urige Einzel- und Gruppenfiguren. Archivfoto: E. Layher

Von Christine Schick



MURRHARDT. „We make the LWK great again“, sagt Alexander Schwed, will heißen, er möchte mit der Ausrichtung des Landesnarrentreffens in Murrhardt dem Landesverband Württembergischer Karnevalvereine (LWK) eine besondere Bühne bereiten. Wichtig ist dem Vorstandsmitglied, das alte Brauchtum modern und lebendig präsentieren zu können. „Und wir möchten natürlich ein toller Gastgeber sein.“ Dazu gehört auch, eine spannende Veranstaltung auszurichten und sich von einem gewöhnlichen Fasnetstreffen abzuheben. Zunftmeisterin Diana Spreu, die im Brauchtumsausschuss des Verbands engagiert ist, findet, dass bei den vergangenen Landestreffen in dieser Hinsicht schon auch noch ein wenig Luft nach oben war, ein Stück weit das Besondere gefehlt hat. Zunftmeister Matthias Schlichenmaier ergänzt: „Wir möchten dem Landesnarrentreffen schon unseren Stempel aufdrücken.“ Die Voraussetzungen dafür sind ideal, weil bisher keine reine Brauchtumsgruppe das Landesnarrentreffen ausgerichtet hat, wie Vorstandsmitglied Thomas Zeeb berichtet. Die Henderwäldler machen hier also den Anfang.

Zeeb erklärt, dass ein großer Teil der Mitglieder des Landesverbands, der das Gebiet Nordwürttembergs abdeckt, stärker oder zumindest auch karnevalistisch geprägt sind und somit vor allem Saalveranstaltungen wie Prunksitzungen oder Kappenabende ausrichten. In manchen Vereinen ist beides zu Hause, gibt es neben Garden beispielsweise auch eine Hexengruppe. „Bei uns zählt die Straßenfasnacht, die bei Karnevalsvereinen eher die Ausnahme ist. Der Umzug beim Landestreffen ist für diese Gruppen vermutlich eine der wenigen Gelegenheiten, durch die Straßen zu pilgern“, sagt er. Als Verein, der in schwäbisch-alemannischer Tradition steht, haben die Murreder Henderwäldler nicht nur urige Figuren, sondern mittlerweile auch einige Erfahrung „auf der Gass“ und zwar zu späterer Stunde. Der Nachtumzug hat sich in Murrhardt etabliert. Um den Gästen – zumindest denen, die bereits am Samstag mit von der Partie sind – eben auch einen Eindruck davon zu geben, veranstalten die Henderwäldler einen Dämmerungsumzug durch die Murrhardter Altstadt mit rund 38 Gruppen und geschätzt 800 Teilnehmern. „Da wird es auf dem Marktplatz vermutlich schon relativ kuschelig“, meint Alexander Irion mit einem Grinsen. „Normalerweise findet dieser kleinere Umzug mit dem Narrenbaumstellen vor der Narrenmesse statt, wir haben die beiden Veranstaltungen aber gedreht, damit wir später unterwegs sein können. Wir wollen einfach die Atmosphäre und das ganze Ambiente in der Altstadt nutzen und so zeigen, was uns auch ein Stück ausmacht“, sagt Diana Spreu.

Thomas Zeeb ergänzt noch am Rande: Natürlich gibt es auch weitere große traditionell geprägte Zünfte, die sind allerdings in der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) organisiert und in Richtung Baden zu finden. Diese wiederum haben eher das Problem, dass vor Ort so viele Mitglieder zusammenkommen, dass die Umzüge zu Riesenveranstaltungen werden wie aktuell am Wochenende in Cannstatt.

Apropos: Für Murrhardt ist das Landesnarrentreffen ebenso ein Großevent, auf das sich die Henderwäldler seit zwei Jahren vorbereiten. Dabei gilt es auch, sich mit vielen Partnern abzustimmen, beispielsweise bei der Sicherheit: Die finale Besprechung des Gremiums wird nächste Woche sein. Ihm gehören das Zunftmeisterduo, Bürgermeister Armin Mößner, Vertreter vom Ordnungsamt und Amt für Wirtschaft, Kultur und Tourismus, Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz, Landespolizei sowie der Zuständige des Sicherheitskonzepts an.

Sicherheitskonzept muss auch die Fluchtwege im Blick haben

Bedacht werden müssen beispielsweise bei einer Unwetterlage die entsprechenden Fluchtwege und Evakuierungsräume. Grob eingeteilt sind die Veranstaltungsorte wie Narrendorf, Narrenfete oder Umzug, für die es klare Ansprechpartner braucht. Die freiwillige Feuerwehr (mit 50 Kräften im Einsatz) sowie das DRK (30 Helfer) haben jeweils eigene, detaillierte Konzepte. Da viele Straßen gesperrt sein werden, müssen sie sich auf eine andere Verkehrsführung im Rettungseinsatz einstellen. „Das gilt für die Veranstaltungen des Landesnarrentreffens genauso, wie wenn jemand ärztliche Hilfe in der Innenstadt während des Events braucht“, sagt Thomas Zeeb. Gerade mit Blick auf die Fluchtwege ist es wichtig, dass in bestimmten Straßenzügen das Parkverbot beachtet wird.

Zwar haben viele mitgeholfen – beispielsweise Firmen mit größeren Parkplätzen wie Lidl oder Rewe –, ein gewisses Kontingent von insgesamt rund 1400 Plätzen zu stellen. Aber einer Reihe von Anwohnern möchte man auch Ausweichmöglichkeiten bieten, die während des Wochenendes nicht an Wohnung oder Haus fahren können. Somit ist klar, dass die Stellplätze schnell belegt sein werden. Insofern rät Matthias Schlichenmaier allen Besuchern, die nicht direkt in Murrhardt wohnen, zum großen Narrensprung am Sonntag, 26. Januar, um 13.11 Uhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Die Murrhardter Narrenzunft hat da einiges organisiert (siehe Kasten).

Die Sonderzüge stellt das Land, bei den Bussen müssen die Henderwäldler die Finanzierung stemmen, weshalb sie über den Zuschuss von Stadt (rund 20000 Euro) und Rems-Murr-Kreis-Stiftung (10000 Euro) dankbar sind. Womit müssen sie überhaupt an Kosten rechnen? Sie schätzen, dass die Ausgaben schon einen sechsstelligen Betrag annehmen werden, wobei ein größerer Posten auch die ganze Verpflegung darstellt. Bei der Infrastruktur muss noch zugebuttert werden – Punkte sind beispielsweise die Miete des Zirkuszelts oder Verstärkung der Stromversorgung. Auch wenn Firmen als Sponsoren unterstützen, ist die Ausrichtung eine gewisse finanzielle Herausforderung. Mit ein Grund, weshalb die Henderwäldler erst noch ein Polster anlegen wollten und sich nicht gleich zu Jubiläumszeiten 2016 beworben haben. Früh sind die Mitglieder auf die Stadt zugegangen, um auch möglichst viele mit Blick auf das Großevent mitzunehmen.

Dass es den einen oder anderen nicht so fasnetsbegeisterten Anwohner gibt, ist ihnen bewusst. Trotzdem hoffen sie auf Verständnis, da die Stadt nicht über das gesamte Wochenende flächendeckend in Beschlag genommen wird. Dies gilt nur für den Narrensprung am Sonntag. Matthias Schlichenmaier wünscht sich, dass der Wettergott dem Wochenende gut gesonnen ist, alles glatt läuft und es für die Besucher eine tolle Veranstaltung wird.

Info
Zum großen Narrensprung gibt es Sonderzüge, Sonderbusse und Pendelverkehr

Narrenfahrplan: Samstag, 25. Januar, ökumenische Narrenmesse (15.39 Uhr), Dämmerungsumzug mit Narrenbaumstellen (17.39 Uhr), Narrenfete (18.39 Uhr), Narrenball (19.39 Uhr) sowie Sonntag, 26. Januar, großer Narrensprung (13.11 Uhr). Die Umzugsstrecke verläuft von der Bahnhof- über die Theodor-Heuss-Straße durch die Innenstadt bis zur Nägelestraße.

Anreise mit dem Zug: Das Land setzt am 26. Januar in jeder Fahrtrichtung zusätzliche Züge auf der Murrbahn ein – zwischen Backnang und Murrhardt (mit Halt in Oppenweiler und Sulzbach an der Murr) ab Backnang um 9.54, 10.24, 11.24, 11.54 und 12.24 Uhr. Ab Gaildorf (West) mit Halt in Fichtenberg und Fornsbach verkehren die Züge um 10.08, 10.32, 12.08 und 12.32 Uhr nach Murrhardt. Den vollständigen Fahrplan einschließlich der Rückfahrten gibt im es Netz unter www.bahn.de.

Anreise per Bus: Das Unternehmen OVR setzt Sonderbusse „Landesnarrentreffen“ von Backnang, Welzheim, Kirchenkirnberg und Fornsbach nach Murrhardt ein (gratis). Sie halten nur an bestimmten Haltestellen.

Busshuttle Sulzbach an der Murr: Ein Busshuttle der Firma Böltz wird ab Sulzbach an der Murr (Firmenparkplätze der Hermann Erkert GmbH in der Industriestraße) eingerichtet. Zwischen 11 und 13 Uhr verkehren die Busse im 20-Minuten-Takt ab Sulzbach Industriestraße direkt zur Haltestelle Kaiser-Ludwig-Straße in Murrhardt. Nach dem Umzug fahren die Busse von 15.30 bis 17.30 Uhr zurück nach Sulzbach.

Busshuttle Murrhardt: Böltz richtet zwischen 11 und 13 Uhr im 10-Minuten-Takt ein Busshuttle zwischen den Haltestellen Harbach, Bodelschwinghschule, Hörschbachschule und Kaiser-Ludwig-Straße ein (gratis). Nach dem Umzug verkehren sie ab 15.30 bis 17.30 Uhr ab Kaiser-Ludwig-Straße in Richtung Harbach.

Die Fahrpläne der Sonderbuslinien können unter der Homepage der Stadt Murrhardt www.murrhardt.de heruntergeladen werden und liegen in der Touristinfo des Naturparkzentrums in Murrhardt bereit.

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Erstellt:
18. Januar 2020, 06:00 Uhr

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