Umsicht und Flexibilität weiterhin gefragt

Für die Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land hat im November das neue Schuljahr begonnen. Zwar müssen ein paar Kurse verschoben werden oder pausieren, trotzdem kann der Großteil der Angebote fortgeführt werden. Die Schülerzahlen sind stabil.

Fideles Streicherensemble mit seiner Lehrerin Alena Sonderegger (hinten links): Die Aufnahme der Paganinos stammt vom letzten Konzert vor der Coronakrise im Februar dieses Jahres in der Murrhardter Stadtkirche. Foto: Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land

Fideles Streicherensemble mit seiner Lehrerin Alena Sonderegger (hinten links): Die Aufnahme der Paganinos stammt vom letzten Konzert vor der Coronakrise im Februar dieses Jahres in der Murrhardter Stadtkirche. Foto: Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land

Von Christine Schick

MURRHARDT. Judith-Maria Matti ist erleichtert und froh, dass die Musikschule von den jüngsten Einschränkungen nicht unmittelbar betroffen ist. Der Hintergrund dafür ist eine Gleichstellung mit den Schulen im Sinne einer Bildungseinrichtung. „Das ist letztlich auch ein politisches Signal, eine Anerkennung, für die wir lange gekämpft haben“, sagt die Musikschulleiterin. Gleichzeitig verfolgt sie die Diskussionen um die Frage, ob Kunst und Kultur systemrelevant sind, und weiß um die großen Probleme vieler Kollegen und Lücken im gesellschaftlichen Leben, die abgesagte Konzerte, Kulturveranstaltungen oder allein Chorproben hinterlassen. „Das darf man, glaube ich, nicht unterschätzen“, sagt sie trotz allem Verständnis für die aktuellen Maßnahmen.

Als Zwitter zwischen Kulturanbieter und Bildungseinrichtung geht es nun darum, den Unterricht so gut wie möglich fortzusetzen. In der Musikschule umfasst dieser vor allem die Einzel- und Gruppenstunden mit bis zu zehn Schülern, die gemeinsam mit ihren Dozenten lernen und spielen. Weil je nach Anzahl der Kinder und Jugendlichen auch die Raumgröße stimmen muss, ist die Koordination mit den Partnern – vor allem allgemeinbildende Schulen sowie Städte und Gemeinden – ein gar nicht so kleiner Zeitfaktor für Judith-Maria Matti. Immerhin sind neben Murrhardt acht weitere Kommunen Mitglieder der Musikschule – auch über die Kreisgrenzen hinweg. Dass die Musikschule im Frühjahr beim ersten, flächendeckenden Lockdown Erfahrung mit digitalem Unterricht sammeln konnte und das Kollegium zu 100 Prozent mitgezogen hat, kommt dem Team nun zugute. So können die Lehrkräfte immer dann darauf zurückgreifen, wenn sich beispielsweise ein Schüler in Quarantäne befindet oder eine Gruppe beispielsweise aufgrund der Raumsituation nicht stattfinden kann. „Im Elementarbereich haben wir jetzt wieder Videos verschickt. Man muss sich darauf einstellen, dass das immer mal wieder vorkommen kann.“ Gleichzeitig sei dies nur eine Alternative für einen begrenzten Zeitraum und kein Ersatz des Unterrichts auf Dauer. Lehrer und Schüler seien dankbar, dass der wieder in direktem Kontakt stattfinden kann. Judith-Maria Matti folgt hier einer Einschätzung aus dem Hochschulbereich, nach der Bildung an Begegnung geknüpft ist. Zudem spielt beim Musizieren auch die räumliche Wahrnehmung und das Zusammenspiel eine zentrale Rolle, erläutert sie.

Trotzdem heißt es für alle – Schüler, Dozenten sowie Eltern – vor dem Hintergrund der Coronapandemie aufeinander zu achten. Das bedeutet, die jeweiligen Raumsituationen vor dem Hintergrund des Hygienekonzepts zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Manches ist auch nicht möglich: Einzelne Kurse in der Elementarstufe oder in der musikalischen Früherziehung können nicht stattfinden oder werden verschoben. Der Chor „Weitersingen“ für Senioren hat seine Treffen ausgesetzt und die Stimmbildung und Perkussion-AG an der Walterichschule pausieren vorerst.

Dafür, dass die Eltern der Musikschule die Stange halten und sich solidarisch zeigen, ist Judith-Maria Matti sehr dankbar, beispielsweise wenn sie bei einer Verlegung von Terminen aufgrund der nicht immer einfachen Raumsituation flexibel und verständnisvoll bleiben. „Und die Nachfrage ist trotzdem auch da, beispielsweise bei Eltern-Kind-Gruppen. Die Teilnehmer sind glücklich und dankbar, dass das stattfinden kann.“

Der Wettbewerb „Jugend musiziert“ im Januar wird vermutlich mit Audioeinsendungen arbeiten.

(Kultur-)Veranstaltungen sind bekanntermaßen nicht möglich. So muss die Musikschule diesen Advent auf verschiedene Konzerte, die Klassenvorspiele sowie das weihnachtliche Musizieren in Schulen, Kirchen und Teilorten verzichten, das Team denkt aber daran, auf der Homepage der Musikschule einen weihnachtlichen Gruß in Form von ein paar musikalischen Aufnahmen zu platzieren. Die Situation hat außerdem für diejenigen Auswirkungen, die beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ teilnehmen wollen. Zum einen ist jetzt eigentlich die Hauptvorbereitungszeit inklusive Auftritten, bei denen die Jugendlichen die Situation, vor Publikum zu spielen, normalerweise trainieren würden. Zum anderen müssen die jeweiligen Gastgeber planen, wie die Regionalwettbewerbe im Januar überhaupt laufen können und sollen. Nach Informationen von Judith-Maria Matti werden für die kleineren Ausrichter Szenarios mit Liveauftritten ohne Publikum diskutiert, bei größeren eine digitale Form, sprich die Bewerbung mit einer Audioaufnahme des Vorspiels. Zu Letzteren gehören auch die Bewerber der Musikschule. Die Teilnehmer aus dem Rems-Murr-Kreis sollten kommenden Januar ursprünglich in Göppingen zu Gast sein, aber angesichts der rund 400 jungen Leute will man diesen digitalen Weg gehen. Der ist für alle Beteiligten Neuland, stellt die Musikschulleiterin fest. Am stärksten diskutiert würde dabei die Frage nach der Gleichwertigkeit der Aufnahmen. Die Rahmenbedingungen für die Schüler können ja recht unterschiedlich sein – allein schon von der technischen Ausstattung her. Die Musikschule wolle aber mit ihren Möglichkeiten bei der Erstellung eines solchen Audios unterstützen.

Bei all diesen Herausforderungen haben Judith-Maria Matti der Austausch mit Kollegen der fünf weiteren Musikschulen im Kreis – Backnang, Winnenden, Waiblingen, Fellbach und Schorndorf – sowie die Informationen des Landesverbands geholfen. Gleichsam ist sie stolz auf ihr Team mit den insgesamt 44 Lehrkräften, zu dem aktuell auch einige neue Dozenten gestoßen sind und das sehr solidarisch miteinander umgehe. Gegenseitige Rücksichtnahme, Vor- und Umsicht prägen das Miteinander, ohne die Angst Überhand gewinnen zu lassen. Hinter dem Engagement steht für sie auch das Wissen um den Wert des Musizierens. Es bereichere das emotionale Leben und sei Teil der Persönlichkeitsbildung. Mittlerweile kommen nun die ersten Kinder ihrer ehemaligen Schüler in den Unterricht. „Das heißt, dass das auch in den Familien fest verankert ist“, sagt sie mit einem Lächeln.

Die Kreissparkasse Waiblingen unterstützt die Arbeit der Musikschulen im Kreis regelmäßig. Neben den fünf Bildungseinrichtungen hat auch die Musikschule Murrhardt einen Scheck erhalten. Judith-Maria Matti (rechts) nimmt die Spende von 3900 Euro von Martin Keller (links), stellvertretender Leiter des KSK-Beratungscenters Murrhardt, entgegen. Foto: Kreissparkasse Waiblingen

© Benjamin Beytekin

Die Kreissparkasse Waiblingen unterstützt die Arbeit der Musikschulen im Kreis regelmäßig. Neben den fünf Bildungseinrichtungen hat auch die Musikschule Murrhardt einen Scheck erhalten. Judith-Maria Matti (rechts) nimmt die Spende von 3900 Euro von Martin Keller (links), stellvertretender Leiter des KSK-Beratungscenters Murrhardt, entgegen. Foto: Kreissparkasse Waiblingen

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Erstellt:
3. Dezember 2020, 06:00 Uhr

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