Prozess in Frankreich
299 Opfer: Wegen Missbrauchs angeklagter Arzt „kalt und ohne Mitgefühl“
Ein Chirurg hat den Missbrauch von 299 jungen Patientinnen und Patienten gestanden. Psychiater beschreiben ihn als kalt, ohne Emotionen und Mitgefühl. Sie halten ihn für uneingeschränkt schuldfähig.

© Thomas Padilla/AP/dpa/Thomas Padilla
Das Urteil in dem Prozess wird Ende Mai erwartet.
Von red/dpa
Im wohl größten Prozess um Kindesmissbrauch in Frankreich mit 299 Opfern ist der angeklagte Chirurg nach Einschätzung von psychiatrischen Sachverständigen uneingeschränkt schuldfähig. Zwei vor Gericht im westfranzösischen Vannes angehörte Experten stellten bei dem 74-Jährigen keinerlei psychische Störung oder Geisteskrankheit fest, wie der Sender France Info aus dem Gerichtssaal berichtete. Eine Psychiaterin beschrieb den Angeklagten demnach als „kalt“: Er habe keinerlei Emotionen gezeigt, den Opfern sehr wenig Raum gelassen und darüber hinaus „kein Mitgefühl“ gehabt.
Der Mediziner Joël Le Scouarnec hat in dem Prozess gestanden, zwischen 1989 und 2014 insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen im Durchschnittsalter von elf Jahren missbraucht zu haben. Zu den Taten kam es im Operationssaal, in der Phase der Anästhesie oder des Aufwachens, genauso aber auf den Patientenzimmern. Den jahrzehntelangen Missbrauch hielt der Arzt detailreich in Tagebüchern fest, die Fahnder bei einer Durchsuchung sicherstellten.
Arzt drohen bis zu 20 Jahre Haft
„Die kriminologische Gefährlichkeit ist nach wie vor sehr hoch“, sagten die Experten über den Angeklagten. „Es handelt sich um ein sehr beunruhigendes Profil.“ Pädophilie sei für sich genommen keine Krankheit und auch nicht heilbar.
In dem Prozess wird am 27. oder 28. Mai das Urteil erwartet. Dem pensionierten Arzt, der wegen anderer Missbrauchsfälle 2020 bereits zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, drohen bis zu 20 Jahre Haft.