Waffenlieferungen
Ändert Deutschland seinen Israel-Kurs?
Die internationale Kritik an Israels Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung wächst. Auch in Deutschland werben Politiker für einen neuen Kurs. Die Debatte im Überblick.

© Abed Rahim Khatib/dpa
Die palästinensische Zivilbevölkerung muss immer wieder vor den Angriffen aus Israel fliehen.
Von Tobias Heimbach und Rebekka Wiese
Deutschland gehört zu den Ländern, die Israel bei seiner Verteidigung gegen die Hamas nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 unterstützen. Doch international wächst die Kritik an Israel, das äußerst brutal gegen die palästinensische Zivilbevölkerung vorgeht. Nun gibt es auch aus der Regierungsfraktion SPD Stimmen, die für einen anderen Umgang werben. Steht ein Umschwung in der deutschen Israel-Politik bevor? Das Wichtigste in Fragen und Antworten.
Was fordern die SPD-Politiker?
Mehrere Bundestagsabgeordnete wollen die Waffenexporte nach Israel beenden. „Deutsche Waffen dürfen nicht zur Verbreitung humanitärer Katastrophen und zum Bruch des Völkerrechts genutzt werden“, sagte der außenpolitische Sprecher Adis Ahmetovic dem Nachrichtenmagazin „Stern“, wo sich sein Parteikollege Ralf Stegner ähnlich äußerte. Zwar habe die Bundesregierung für Israel aus guten Gründen eine Ausnahme von der Praxis gemacht, keine Waffen in Konfliktgebiete zu liefern. Diese hätten ursprünglich der Sicherheit Israels und der Verteidigung gedient. „Davon kann gegenwärtig im Gazastreifen und im Westjordanland keine Rede sein.“ Die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori warnte im „Stern“, dass Deutschland sich durch Waffenlieferungen an Israel selbst an Kriegsverbrechen beteiligen könnte. Die Bundesregierung sollte daher die Waffenexporte begrenzen, insbesondere Panzermunition und -Ersatzteile dürften nicht mehr geliefert werden.
Was sagt die Bundesregierung?
Von einem Waffenembargo gegen Israel spricht die Bundesregierung nicht. Allerdings hat auch sie ihren Ton verschärft. „Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Berlin. Außenminister Wadephul (CDU) sprach von „unhaltbaren Zuständen“ in Gaza.
Was liefert Deutschland an Israel?
2024 lieferten deutsche Unternehmen laut einer vorläufigen Aufstellung Waffen und Rüstungsgüter im Wert von 161 Millionen Euro an Israel. 2023 waren es noch 326 Millionen, darunter waren Handfeuerwaffen, Munition, Sprengstoff oder Nachtsichtausrüstung. Wann zuletzt Waffenlieferungen an Israel genehmigt wurden, sagte das Wirtschaftsministerium nicht. Laut einer Anfrage der früheren BSW-Abgeordneten Sevim Dagdelen hatte die Ampelkoalition noch im Januar Ausfuhren im Wert von zwei Millionen Euro genehmigt. Dabei habe es sich unter anderem um Komponenten für Rad- und Kettenfahrzeuge sowie militärische Elektronik gehandelt.
Warum nimmt die Kritik an Israel zu?
Vor etwa einer Woche begann Israel eine neue militärische Großoffensive. Zwar ließ es nach einer dreimonatigen Blockade erstmals wieder Lieferungen mit humanitären Hilfsgütern nach Gaza passieren – aber das war viel zu wenig, wie die Vereinten Nationen kritisierten. Menschenrechtsorganisationen werfen Israel vor, die palästinensische Bevölkerung gezielt auszuhungern. Am Sonntag forderte Spanien als erstes EU-Land ein internationales Waffenembargo gegen Israel. Frankreich, Großbritannien und Kanada hatten sich in der Woche zuvor gemeinsam gegen die Ausweitung der israelischen Militäroperationen gestellt und Israel mit Konsequenzen gedroht.
Was fordern andere Parteien?
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, sagte mit Blick auf die Lage in Gaza, die Bundesregierung dürfe bei dieser sich immer weiter zuspitzenden humanitären Katastrophe nicht mehr tatenlos zusehen. „Schon gar nicht darf sie die Regierung Netanjahu weiter mit Waffenlieferungen unterstützen“, sagte Pellmann dieser Redaktion. Israels Recht auf Selbstverteidigung stehe nicht zur Debatte, Völkerrechtsbrüche dürfe man aber dabei nicht weiter zulassen. Grünen-Chef Felix Banaszak rief zur Differenzierung auf. „Waffen, die dazu dienen, in Gaza Zivilistinnen und Zivilisten zu töten, können in einer solchen Situation nicht geliefert werden“, sagte er in Berlin. Für einen kompletten Stopp sprach er sich aber nicht aus.