Verfassungsschutz
AfD: Rechts, erfolgreich – und bald verboten?
Der Verfassungsschutz stuft die AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein. Ein Parteiverbot folgt daraus nicht automatisch, doch erste Konsequenzen gibt es schon jetzt.

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Die Parteivorsitzende Alice Weidel kündigte an, dass sich die AfD juristisch gegen die Einstufung durch den Verfassungsschutz wehren will.
Von Tobias Heimbach
Brückentage sind normalerweise auch im politischen Berlin eine ruhige Angelegenheit. Nicht so an diesem Freitag: Denn das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft – und damit für ein mittleres Erdbeben gesorgt. Denn immerhin handelt es sich hier um die Partei, die bei der letzten Bundestagswahl die zweitmeisten Stimmen erhalten hat und zuletzt in einigen Umfragen an erster Stelle stand.
Was bedeutet der Schritt für die Partei und läuft es nun auf ein Verbot der AfD hinaus? Ein Überblick.
Wie begründet der Verfassungsschutz die Einstufung?
In einer Mitteilung der Behörde heißt es: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.“ So würden deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes betrachtet, heißt es vom Verfassungsschutz.
Zuvor galt die Partei als „extremistischer Verdachtsfall“. Drei Landesverbände (Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) und die inzwischen aufgelöste Jugendorganisation „Junge Alternative“ waren aber schon als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuft.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Sitz in Köln hat einen Bericht von mehr als 1 100 Seiten zusammengetragen. Darin seien auch Erkenntnisse aus dem zu Ende gegangenen Bundestagswahlkampf enthalten, hieß es. Allerdings soll der Bericht nicht öffentlich gemacht werden, er ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt.
Kommt es jetzt zu einem Verbotsverfahren?
„Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus“, sagte am Freitag die geschäftsführende Bundesinnenminister Nancy Faeser (SPD). Ein Verbotsverfahren „sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen.“
Tatsächlich sind die Einstufung durch den Verfassungsschutz und ein mögliches Verbot durch das Bundesverfassungsgericht zwei unterschiedliche Verfahren. Ein Verbotsverfahren kann vom Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim obersten deutschen Gericht beantragt werden. Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek plädierte für ein solches Verbotsverfahren. Einige Politiker von SPD, CDU und Grünen äußerten sich ähnlich.
Wichtig ist auch eine andere Unterscheidung: Der Verfassungsschutz bezeichnet die AfD als „gesichert rechtsextrem“. Als „verfassungsfeindlich“ würde die Partei erst gelten, wenn das Verfassungsgericht dies feststellt.
Auch unter erklärten Gegnern der Alternative für Deutschland ist die Frage eines Verbotsverfahrens umstritten. Dies gilt als schwierig und potenziell langwierig. „Ein Parteiverbotsverfahren hat aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden“, sagte auch Faeser. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte vor einem „Schnellschuss“.
Welche konkreten Konsequenzen gibt es?
Der Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel“, also etwa das Abhören von Telefonen oder das Anwerben von Informanten, war bereits möglich, als die AfD noch als „Verdachtsfall“ galt. Bei der nun erfolgten Einstufung sinkt allerdings die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel. Denkbar ist auch, dass der AfD der Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung verwehrt wird. Rechtlich ist das möglich. Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla erklärten, dass sich die Partei gegen die Einstufung des Verfassungsschutzes juristisch zur Wehr setzen wolle.
Was bedeutet das für den politischen Umgang mit der AfD?
Erst kürzlich hatte Jens Spahn (CDU), der designierte Fraktionschef der Union im Bundestag, eine Debatte über den künftigen Umgang mit der AfD im Parlament gestartet. Dabei ging es etwa um die Frage, ob die Partei Ausschussvorsitze im Bundestag übernehmen kann. Dafür bräuchten die Bewerber die Stimmen der anderen Parteien. Nach der nun erfolgten Einstufung dürfte das aber vom Tisch sein. Grünen-Politiker Konstantin von Notz sagte: „Die heutige Entscheidung ist auch ein deutlicher Wink in Richtung derjenigen, die zuletzt für eine Normalisierung der Partei plädierten.“
Was bedeutet die Neubewertung der AfD für Parteimitglieder?
Die veränderte Einstufung kann durchaus Folgen für Parteimitglieder haben, etwa wenn sie im Staatsdienst arbeiten oder sich für eine Stelle dort bewerben. Auf Anfrage teilte die Gewerkschaft dbb Beamtenbund mit: „Für Bewerberinnen und Bewerber, die Mitglieder der AfD sind, ist eine Übernahme in das Beamtenverhältnis bereits jetzt deutlich unwahrscheinlicher geworden“, sagte ein Sprecher dieser Redaktion. Denn Voraussetzung dafür sei ein dauerhaftes Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. „Ob dieses gegeben ist, dürfte gerade angesichts der zunehmenden Radikalisierung der AfD in den letzten Jahren nun durch die Dienstherren zunehmend in Frage gestellt werden“, hieß es weiter. AfD-Mitglieder, die bereits Beamte sind, hätten demnach weniger zu befürchten. Hier käme es auf den Einzelfall an und es müsse ein konkretes Fehlverhalten gegeben sein.