Stiftung Warentest
An Vitamin D scheiden sich die Geister
Tester üben pauschale Kritik an vielen Vitamin D-Präparaten. Die meisten seien nicht geeignet, heißt es in einer Kontroverse, in der es auch andere Positionen gibt.
© IMAGO/imagebroker
Von Michael Maier
Millionen Deutsche greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin D, um Krankheiten vorzubeugen. Doch laut einer aktuellen Untersuchung der Stiftung Warentest ist dies für die meisten Menschen nicht nur überflüssig, sondern kann im schlimmsten Fall sogar gesundheitsschädlich sein.
Die Verbraucherorganisation hat 25 frei verkäufliche Vitamin-D-Präparate zu Preisen zwischen 2 und 28 Euro unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die meisten Mittel im Test sind überdosiert. 13 wurden als „wenig geeignet“ bewertet, fünf weitere als „nicht geeignet“. Von diesen fünf Mitteln rät die Stiftung Warentest sogar ausdrücklich ab, da sie langfristig zu Nierenschäden führen können.
Lediglich zwei Produkte wurden für empfehlenswert befunden: „Vitamin D compact“ von GSE mit einer Tagesdosis von 200 i.E. (Internationalen Einheiten) und der Saft „Vital Vitamin D“ von Rotkäppchen mit einer Tagesdosis von 400 i.E.
Was ist Vitamin D?
Was im allgemeinen Sprachgebrauch als Vitamin D bezeichnet wird, ist wissenschaftlich betrachtet meist Vitamin D3 (Cholecalciferol). Neben D3 existieren auch die Formen D1, D2, D4 und D5, wobei es sich bei diesen um künstlich hergestellte Varianten handelt. Die bedeutendsten Formen sind D2 und D3.
Vitamin D3 existiert in zwei Formen: Als Provitamin D3, das in der Leber gebildet und in der Haut gespeichert wird, und als aktives Vitamin D3. Das Provitamin wirkt als Hormon und wird durch Sonnenlicht aktiviert. Durch biochemische Prozesse wandelt der Körper es in aktives Vitamin D3 um. Es entspricht dem, was man normalerweise unter „Vitamin D“ versteht.
Wer profitiert von Vitamin D-Supplementen?
Laut der Untersuchung profitieren gesunde Menschen mit ausreichender Versorgung nicht von einer Vitamin-D-Einnahme. Es ist nicht ausreichend belegt, dass sich damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs vorbeugen lässt. Vor Atemwegsinfekten schützt Vitamin D höchstens in geringem Maß.
Profitieren könnten allerdings bestimmte Risikogruppen:
- Bettlägerige Personen
- Menschen, die sich komplett verschleiern
- Über 65-Jährige mit Adipositas
- Menschen mit dunkler Hautfarbe in sonnenarmen Regionen
- Personen mit chronischen Erkrankungen von Nebenschilddrüse, Niere oder Magen-Darm-Trakt
Für diese Gruppen kann laut Stiftung Warentest eine niedrige Dosis Vitamin D (maximal 800 Internationale Einheiten täglich) insbesondere von Oktober bis März sinnvoll sein.
Höhere Dosierungen und Depotpräparate sollten nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht bei kurzfristiger Einnahme allerdings 4000 IE pro Tag als sichere Obergrenze an. Bei mehrmonatiger Einnahme über den Winter gelten 1000 I.E. Vitamin D pro Tag als gängige Dosis.
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sollten höchstens 20 Mikrogramm beziehungsweise 800 internationale Einheiten (i.E.) Vitamin D am Tag über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen werden. Über 1000 i.E. pro Tag kann über längere Zeit bedenklich sein.
Vitamin-D-Überdosierung
Internist und Endokrinologe Dr. Stephan Scharla warnt ausdrücklich vor einer Überdosierung, die schädliche Wirkungen haben kann: Angefangen von vermehrtem Knochenabbau, was das Knochenbruchrisiko erhöht, bis hin zu steigendem Kalziumspiegel, der dazu führen kann, dass Gefäße verkalken, das Risiko für Nierensteine steigt und Herz-Rhythmus-Störungen auftreten können. „Eine Überdosierung kann wirklich gefährlich werden,“ betont er.
Wie erkennt man Vitamin-D-Mangel?
Werte von weniger als 30 Nanomol pro Liter (entspricht 12 ng/ml) weisen auf eine mangelhafte Vitamin-D-Versorgung mit einem erhöhten Risiko für Knochenerweichung und Osteoporose hin. Bei 30 bis unter 50 Nanomol pro Liter (entspricht 12-20 ng/ml) gilt die Vitamin-D-Versorgung als suboptimal - Folgen für die Knochengesundheit sind möglich. Ab 50 Nanomol pro Liter (entspricht 20 ng/mL) ist der Vitamin-D-Status in Ordnung.
Viele Arztpraxen bieten das Bestimmen des Vitamin-D-Spiegels als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) an. Besteht der Verdacht eines Vitamin D-Mangels, ist die Messung eine Kassenleistung.
Vitamin-D-Kontroverse
Der Nutzen der zusätzlichen Einnahme von Vitaminen bleibt eine umstrittene Frage. Die Testergebnisse der Stiftung Warentest werden die Debatte um den Nutzen von Vitamin-D-Supplementierung vermutlich noch einmal neu befeuern. Denn tatsächlich wird auch unter Fachleuten über kaum ein anderes Nahrungsergänzungsmittel so intensiv diskutiert: Während manche empfehlen, dass alle Menschen Vitamin D supplementieren sollten, sind andere deutlich vorsichtiger.
Um mehr Klarheit in diese Diskussion zu bringen, wird aktuell an einer S3-Leitlinie „Beratung zur Vitamin-D-Substitution“ gearbeitet. Deren Fertigstellung ist für Ende März 2026 angekündigt.
